M&A-Transaktionen in Zeiten von COVID-19
Unternehmensübernahmen im Schatten von Virus und Grenzschließungen
Die Coronakrise hat den europäischen Markt für Unternehmenstransaktionen im ersten Quartal 2020 praktisch zum Erliegen gebracht. Durch den Ausnahmezustand und damit einhergehenden Grenzschließungen, Lockdown-Maßnahmen und die dramatische Eintrübung der gesamtwirtschaftlichen Perspektiven geht damit ein mehr als zehn Jahre währender Bullenmarkt wesentlich abrupter zu Ende, als dies selbst die pessimistischsten Markbeobachter voraussehen konnten. Im Folgenden stellen wir Ihnen die genauen Auswirkungen der Krise auf den M&A-Bereich im Überblick dar.
Starker Jahresstart für M&A in Europa
Mit etwa 1,15 Billionen Euro Gesamtvolumen war das Jahr 2018 das stärkste Jahr im europäischen M&A Geschäft überhaupt. In 2019 sank das Transaktionsvolumen insgesamt zwar leicht, bewegte sich mit etwa 1,05 Billionen Euro allerdings noch immer auf herausragend hohem Niveau.
Für das erste Quartal 2020 ergibt sich nun mit etwa 281 Millionen Volumen noch immer ein überaus gesunder Wert, allerdings sind hier im Wesentlichen bereits im Jahr 2019 angestoßene Transaktionen erfasst. Betrachtet man die einschlägigen Schätzungen für das Jahr 2020, so gehen Analysten unisono aber von einem ganz gravierenden Rückgang im Transaktionsvolumen aus.
Auswirkungen der Coronakrise auf M&A Transaktionen im Jahr 2020
Der europäische Markt für cross-border Transaktionen bewegt sich mit knapp unter 100 Milliarden Euro Volumen und etwa 650 Einzeltransaktionen bereits im zurückliegenden Q1 2020 auf dem niedrigsten Niveau seit 7 Jahren. Im Ausblick ist davon auszugehen, dass einzelne Branchen (insbesondere die Hotellerie, die Luftfahrt sowie die produzierende Industrie insgesamt) von den Auswirkungen der Coronakrise mindestens ebenso hart getroffen werden, wie von der Finanzkrise 2008/2009.
Im Jahr 2009 war der europäische Markt für cross-border M&A auf einen historischen Tiefststand von etwa 135 Milliarden Euro bei nur 1.700 Einzeltransaktionen gefallen. Betrachtet man das Geschäft im ersten Quartal 2020 so scheinen die Zahlen hier zwar weniger dramatisch als im Jahr 2009, allerdings muss bedacht werden, dass im ersten Quartal 2020 einige sehr große Einzeltransaktionen abgewickelt wurden – insbesondere die Übernahme der TLG Immobilien AG durch Aroundtown SA in Deutschland sowie der Erwerb von Eneco durch ein von Mitsubishi angeführtes Bieterkonsortium in den Niederlanden zeigen hier Auswirkungen auf die Statistik. Zudem handelte es sich bei sämtlichen Transaktionen um solche, die bereits 2019 sehr weit fortgeschritten waren und daher nicht mehr gestoppt werden konnten.
Verschiebung der Marktstandards im M&A durch Corona
Nach über einer Dekade eines ausgesprochenen Verkäufermarktes mit EBITDA Multiples von mehr als 8.0 wird die Verschiebung des gesamtwirtschaftlichen Koordinatensystems in der Folge der Coronakrise und der durch sie bedingten Lockdown-Maßnahmen zu einer dramatischen Anpassung dieser Lage führen.
Es ist davon auszugehen, dass sich derzeit ein Käufermarkt entwickelt, der für die kommenden drei bis fünf Jahre Bestand haben wird:
- Investitionen werden in diesem Zeitraum eher zurückgestellt werden,
- Marktkonsolidierungen werden tendenziell beschleunigt stattfinden und
- die zu erwartende Welle an Unternehmensinsolvenzen dürfte zu einem starken Zuwachs im Segment Distressed M&A führen.
Zu erwarten sind in diesem Umfeld eine hohe Anzahl an strategischen Verkäufen, insbesondere Carveout-Transaktionen in den kommenden Quartalen. Möglich erscheint auch, dass einige Finanzinvestoren sich entscheiden, Beteiligungen zum nunmehr beschleunigt eingetretenen Zyklusende abzustoßen, bevor das Zeitfenster für einen mittelfristigen Exit sich schließt – hier kann aber erfahrungsgemäß auch ein gegenteiliger Effekt eintreten: Wenn die realisierbaren Gewinne auf ein zu niedriges Niveau fallen, mögen einige Finanzinvestoren ihre ursprünglich geplanten Anlagehorizonte um einige Quartale erweitern.
Auswirkungen auf M&A im Mittelstand
Typischerweise wirken sich Verschiebungen im Gesamtmarkt auch auf Transaktionen im Mittelstand aus. Liquidität wird eher knapp, Zukäufe durch strategische Investoren werden seltener, eine generelle Risikoaversität ist zu beobachten und entsprechend drehen sich auch die Marktstandards in Betreff der gängigen Klauseln in Unternehmenskaufverträgen.
Nach vielen Jahren, in denen bei Unternehmenskäufen kaum weitreichende Garantien und Gewährleistungen durch Verkäufer abgegeben werden mussten und durchschnittlich hervorragende Preise für Unternehmen gezahlt wurden, wird sich nunmehr auch die Gestaltungspraxis an die neuen Marktverhältnisse anpassen. Es ist davon auszugehen, dass EBITDA Multiples deutlich fallen werden, Kaufpreisanpassungsklauseln wesentlich käuferfreundlicher auszugestalten sein werden und dass Kaufinteressenten umfangreiche Absicherung gegen Risiken durch die Aufnahme umfassender Gewährleistungen und Garantien einfordern werden.
Im Grunde ist all dies nichts Ungewöhnliches am Ende eines Wirtschaftszyklus, nur dass dieser nunmehr zurückliegende Zyklus ungewöhnlich lange angehalten hat und es phasenweise so schien, als sei eine „neue Normalität“ eingetreten, in der der Bullenmarkt ewig währen würde. Dieser hat nun ein Ende gefunden.