Kündigung, wenn der Arbeitnehmer Corona leugnet?
Arbeitsrecht in Zeiten von Corona
Die Covid-19-Pandemie hat nicht nur unseren Alltag mächtig beeinflusst, sondern auch zu gespaltenen Meinungen in der Gesellschaft geführt. Während sich der Großteil an vorgeschriebene Corona-Schutzmaßnahmen hält, gibt es hier und da noch Personen, die nichts davon halten. Doch kann das zu einer Kündigung führen?
Im privaten Alltag hat jeder das Recht darauf zu tun oder zu lassen, was er für richtig hält. Aber wie sieht das ganze aus, wenn sich ein Arbeitnehmer dagegen sträubt, die für den Arbeitsplatz geschaffenen Schutzmaßnahmen und Hygieneregeln einzuhalten? Inwiefern die Pandemie das Arbeitsrecht in Corona-Zeiten beeinflusst hat, werden wir uns nun einmal genauer anschauen.
Missachtung der Corona-Schutzmaßnahmen – ein Kündigungsgrund?
Das Arbeitsgericht Darmstadt hat sich im November mit einem Fall beschäftigt, in welchem ein 64-jähriger Berufsschullehrer von der zuständigen Schulbehörde nach einer Abmahnung fristlos gekündigt wurde (ArbG Darmstadt, Urteil vom 09.11.2021 - 9 Ca 163/21) – zurecht?
Grund für die Kündigung war, dass der Lehrer selbst den Mund-Nasen-Schutz nicht ordnungsgemäß im Unterricht getragen und auch gegenüber seinen Schülern als „total nutzlos“ bezeichnet habe. Darüber hinaus stellte er die Corona-Pandemie als Verschwörung der weltweiten Pharmaindustrie dar und sprach sich als überzeugter Corona-Leugner aus. Neben der Verbreitung seiner persönlichen Auffassung unter den Schülern, ließ er es zu, dass diese ihren Mund-Nasen-Schutz überhaupt nicht trugen und auch das Lüften der Klassenzimmer unterließ er komplett. Generell hätte er die gesamte Zeit über Covid-19 als eine Lüge bezeichnet.
Als er daraufhin die Coronapandemie und insbesondere Impfgegner mit den Juden in der NS-Zeit verglich und seine Befürchtung, in ein KZ eingewiesen zu werden, äußerte, fasste das Land Hessen den Beschluss, ihn fristlos zu kündigen. Später einigte man sich mit dem Kläger jedoch auf eine ordentliche Kündigung zum Jahresende.
ArbG: Corona-Leugner fliegt von der Schule
Der Kläger versuchte gegen seine Kündigung vorm Arbeitsgericht Darmstadt vorzugehen – jedoch erfolglos. Die Richter sprachen sich für die Wirksamkeit der Kündigung aus. Aufgrund der Tatsache, dass der Berufsschullehrer trotz der eingetretenen Mahnung keinerlei Einsicht gezeigt hatte, sei zu vermuten, dass er weiterhin offenkundige Tatsachen als diskutierbare Meinungsäußerungen verbreiten wird.
Ebenfalls zu befürchten sei, dass er Schülerinnen und Schüler verunsichern und die rechtlich zwingend vorgegebenen Infektions- und Arbeitsschutzmaßnahmen auch künftig anzweifeln und nicht durchsetzen werde. Auf seine Meinungsfreiheit könne er sich noch so oft berufen, da Arbeitsschutzvorschriften unabhängig von seinen persönlichen Ansichten immer einzuhalten sind.
Die Schulbehörde müsste es außerdem nicht länger hinnehmen, dass der uneinsichtige Berufsschullehrer vor den Schülern die momentane Corona-Situation verbunden mit den Verpflichtungen zur Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmen mit Gewissensentscheidungen oder Verhältnissen zu Zeiten der Nazidiktatur vergleicht oder etwaige Diskussionen anregt. Ein berechtigter Kündigungsgrund habe somit vorgelegen.
Weisungsrecht vs. Meinungsfreiheit
Zwar unterliegen Arbeitnehmer am Arbeitsplatz dem Weisungsrecht des Arbeitgebers, jedoch verlieren dadurch die Grundrechte des Arbeitnehmers nicht an Bedeutung. Heißt also: der Arbeitnehmer kann nicht alles anordnen, was er möchte. Grundsätzlichen Schutz genießen hier die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers sowie sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.
Sprechen im Zweifel keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers gegen ein bestimmtes Verhalten, überwiegen die Freiheitsrechte des Mitarbeiters. Die Duldung der politischen oder sonstigen Betätigung im betrieblichen Bereich hat also in gewissem Umfang zu erfolgen.
Arbeitsrecht und politische Überzeugungen
Wenn die eigenen Mitarbeiter Meinungen vertreten und Überzeugungen folgen, die nicht mit den eigenen Werten übereinstimmen, dann möchte der Arbeitgeber oft nicht damit in Verbindung gebracht werden. Wenn sie jedoch entgegen dieses Wunsches doch damit in Verbindung gebracht werden, dann fürchten sie nicht selten um ihren Ruf oder haben mit Unruhe unter den Mitarbeitern zu kämpfen.
Wenn man also in seiner Freizeit politischen Aktivitäten nachgeht, sollten diese dringend vom Arbeitsplatz getrennt werden, um nicht Gefahr zu laufen den Ruf des Arbeitgebers zu schädigen oder Loyalitätspflichten zu verletzen.
Der Arbeitgeber kann dann auf außerdienstliches politisches Verhalten reagieren, wenn ein gewisser dienstlicher Bezug nachgewiesen werden kann. Dieser entsteht schon allein durch die Verbreitung von politischen Ansichten auf einem Social-Media-Profil, das den Arbeitgeber erkennen lässt, sowie das Auftreten in Arbeitskleidung oder Äußerungen gegenüber Kollegen. In solchen Fällen kann der Ruf des Arbeitgebers durch das Arbeitnehmerverhalten nachhaltig geschädigt werden.
Kündigungsschutz bei befürchteter Rufschädigung?
Wann Abmahnungen, Kündigungsmöglichkeiten oder sogar Schadensersatzansprüche zum Einsatz kommen oder geltend gemacht werden können, bestimmt sich überwiegend im Einzelfall. Eine allgemeingültige Aussage dazu kann also nicht getroffen werden. In den meisten Fällen sind die politischen Verhaltensweisen der Arbeitnehmer allerdings nicht derart gewichtig, als dass arbeitsrechtlich sanktioniert werden könnte.
Wenn aber eine solche Maßnahme bereits getroffen wurde, beurteilt sich dessen Wirksamkeit zumeist daran, ob das Benehmen des Mitarbeiters eine arbeitsvertragliche Sorgfaltspflichtverletzung darstellt. Wenn dies der Fall ist, wird zwischen den Interessen des Arbeitsgebers an einem störungsfreien Betrieb einerseits und den Arbeitnehmerinteressen hinsichtlich freier Meinungsäußerung andererseits abgewogen. Kommt man zu dem Schluss, dass die Arbeitgeberinteressen überwiegen, ist die Maßnahme angemessen und wirksam.
Ist die Verweigerung eines Corona Tests trotz Symptomen ein Kündigungsgrund?
Im Einzelfall ist vor allem der Aspekt des Arbeitsumfelds zu berücksichtigen. In der Pflege sind die Infektionsschutzmaßnahmen beispielsweise von besonderer Bedeutung. Wer täglich mit alten oder vorerkrankten Menschen in Kontakt kommt, der sollte die Schutzmaßnahmen und Hygienekonzepte gründlich befolgen und auch ernst nehmen. Der Arbeitgeber sieht es dann nur ungern, wenn die eigenen Mitarbeiter am Wochenende in Berlin gegen die Corona-Schutzmaßnahmen demonstrieren.
Doch genau das hat sich eine Mitarbeiterin in der Probezeit geleistet. Am nächsten Tag meldete sie sich aufgrund von Erkältungssymptomen krank. Der Arbeitgeber war zufällig über Facebook auf ein Foto gestoßen, welches die Arbeitnehmerin bei der Demo am Vortag zeigte.
Daraufhin verlangte er, dass sie sich auf Covid-19 testen lasse. Das verweigerte die Mitarbeiterin jedoch entschlossen. Daraufhin flatterte die fristlose Kündigung rein. Denn die Gefährdung der Heimbewohner durch eine Mitarbeiterin, die trotz Symptomen und ohne negativen Test zur Arbeit erscheint, sei nicht hinnehmbar.
Was beutet das Ganze nun für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?
Der Kündigungsschutz reicht zwar weit, aber auch er hat seine Grenzen. Im privaten Umfeld kann jeder machen was er möchte, solange er bei politischen Äußerungen nicht in irgendeiner Form mit seinem Arbeitgeber in Verbindung gebracht werden kann.
Außerdem wird es problematisch, wenn private Unternehmungen Auswirkungen auf die Arbeit haben. Kündigungsgründe in Zusammenhang mit der Nicht-Befolgung von Infektionsschutzmaßnahmen oder der Leugnung der Coronapandemie können sehr wohl im Einzelfall berechtigt sein.
Die Schwelle für den Arbeitgeber, um arbeitsrechtliche Sanktionen zu verhängen, ist im Einzelfall zu bestimmen, aber grundsätzlich hoch. Wurden Maßnahmen getroffen, bestimmt sich deren Wirksamkeit nach der Abwägung der gegenläufigen Interessen.