Pflicht zur Jobsuche während Kündigungsfrist?
BAG macht Arbeitgebern einen Strich durch die Rechnung
Ein aktuelles Urteil des BAG zeigt auf, dass der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch gegen seinen noch-Arbeitgeber nicht verliert, wenn er sich während seiner Freistellungszeit nicht um einen neuen Job bemüht. Damit zeigt sich, dass der Verlust des Vergütungsanspruch nur in wenigen Ausnahmefällen möglich ist.
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer, muss er diesen bis zum Ende der Kündigungsfrist weiterbeschäftigen und entsprechend vergüten. Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers kann jedoch vertraglich durch eine Freistellungsabrede ausgeschlossen werden. Nichtsdestotrotz ist der Arbeitgeber auch bei einer Freistellung verpflichtet, den gekündigten Arbeitnehmer bis zum letzten Tag der Kündigungsfrist zu vergüten. Eine Befreiung von dieser Vergütungspflicht ist nur in wenigen Ausnahmefällen möglich. Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts zeigt, dass die Anforderungen für den Wegfall des Vergütungsanspruchs hoch sind (BAG, Urteil vom 12.02.2025, Az. 5 AZR 127/24).
Fehlt das Monatsgehalt für Juni?
Der klagende Arbeitnehmer war seit 2019 als Senior Consultant beim Arbeitgeber angestellt und erhielt ein monatliches Bruttogehalt von 6.440,00 Euro. Im März 2023 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2023 und stellte den Senior Consultant im Zuge dessen von seiner Arbeitspflicht frei.
Während dieser Freistellung übermittelte der Arbeitgeber dem gekündigten Arbeitnehmer insgesamt 43 Stellenangebote aus verschiedenen Jobportalen. Der Senior Consultant bewarb sich jedoch lediglich auf sieben dieser Vorschläge – und dies erst gegen Ende der Kündigungsfrist. Als Reaktion darauf zahlte er dem Arbeitnehmer für den Monat Juni kein Gehalt mehr. In der anschließenden Klage auf Nachzahlung der Vergütung in Höhe von 6.440,00 Euro argumentierte der Arbeitgeber, der gekündigte Arbeitnehmer sei seiner Verpflichtung zur aktiven Stellensuche böswillig nicht nachgekommen und habe damit seinen Vergütungsanspruch nach § 615 Satz 2 BGB verloren.
Gehalt ist bis zum Ende zu zahlen
Mit seiner Argumentation konnte der Arbeitgeber die Richter des BAG nicht überzeugen. Der gekündigte Senior Consultant brachte vor, dass die Annahme einer neuen Beschäftigung vor dem Ende der Kündigungsfrist eine Konkurrenzsituation zwischen dem neuen und dem bisherigen Arbeitgeber schaffen könne. Zudem sei es innerhalb weniger Wochen kaum möglich, eine neue Daueranstellung anzutreten.
Am überzeugendsten war für das BAG jedoch, dass der Arbeitgeber keine Unzumutbarkeitsgründe für eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers vorgebracht hatte. Zwar stehe es dem Arbeitgeber bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung frei, eine einseitige Freistellung anzuordnen, doch daraus ergebe sich keine Verpflichtung des Gekündigten, den Arbeitgeber finanziell zu entlasten. Der Arbeitgeber befand sich somit im Annahmeverzug und schuldet dem Gekündigten die volle Vergütung in Höhe von 6.440,00 Euro gemäß § 615 Satz 1 in Verbindung mit § 611a Absatz 2 BGB.
Strenger ist die Rechtsprechung des BAG hingegen, wenn es bei einer zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer strittigen Kündigung um die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht, sich nach Ablauf der Kündigungsfrist um einen neuen Job zu bemühen. Hier haben Arbeitgeber durchaus bessere Chancen, die finanziellen Risiken des Annahmeverzugslohns durch Hinweise auf Jobangebote anderer Arbeitgeber zu reduzieren.
Aufatmen auf einer Seite – Ernüchterung auf der anderen
Klagen vor dem Arbeitsgericht bergen für Arbeitgeber erhebliche Risiken. Die Erfolgsquote von Kündigungsschutzklagen liegt bei etwa 92 %. Dieser Wert verdeutlicht, wie wichtig es für Arbeitgeber ist, sich bei Kündigungen strikt an die gesetzlichen Vorgaben zu halten.
Insbesondere auch einseitige Freistellungsanordnungen führen zunehmend zu Konflikten, die vor den Arbeitsgerichten ausgetragen werden. Daher empfiehlt es sich, sowohl bei der Implementierung entsprechender Klauseln im Arbeitsvertrag als auch bei späteren Freistellungsanordnungen und den damit verbundenen Vergütungsfragen juristischen Rat einzuholen.