Inkongruente Gewinnausschüttung
Finanzgericht sieht keinen grundsätzlichen Gestaltungsmissbrauch
Finanzgericht sieht keinen grundsätzlichen Gestaltungsmissbrauch
Ein Beitrag von Dirk Mahler, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Berlin
Bei sogenannten inkongruenten Gewinnausschüttungen (oder auch disquotalen Gewinnausschüttung) handelt es sich um Gewinnausschüttungen einer Gesellschaft, welche nicht in Übereinstimmung mit den Geschäftsanteilen der Gesellschafter erfolgt. § 29 Abs. 3 Satz 1 des GmbH-Gesetzes sieht vor, dass die Gewinnverteilung nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile erfolgt. Das GmbH Gesetz sieht jedoch ausdrücklich auch vor, dass der Gesellschaftsvertrag eine andere Gewinnverteilung bestimmen kann. Die Gründe für eine solche inkongruente Gewinnausschüttung können vielfältig sein.
Steuerlicher Hintergrund zu Gewinnausschüttungen
Vor Einführung der pauschalen Abgeltungsteuer auf Dividenden unterlagen Gewinnausschüttungen stets dem persönlichen Einkommensteuersatz der jeweiligen Gesellschafter. Durch eine inkongruente Gewinnausschüttung kam es daher in der Regel zu Steuersatzänderungen, weshalb die Finanzverwaltung in solchen Fällen stets einen Gestaltungsmissbrauch angenommen hat. Durch die Einführung der Abgeltungsteuer tritt eine solche Verschiebung in vielen Fällen nicht mehr ein, wenn es sich bei allen Gesellschaftern um natürliche Personen handelt. Soweit die Gesellschafter die Beteiligung im Betriebsvermögen halten, ist das Teileinkünfteverfahren anzuwenden, welches in der Praxis oftmals zu vergleichbaren Ergebnissen führt.
Ungeachtet dessen können durch inkongruente Gewinnausschüttungen auch heute noch Steuersatzänderungen auftreten, wenn statt einer natürlichen Person eine Kapitalgesellschaft Empfängerin der Gewinnausschüttung ist.
Grundsätzliche Voraussetzung für die Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung ist eine Regelung in der Satzung der Gesellschaft, welche eine abweichende Gewinnverteilung zulässt.
Gesellschafterversammlung beschließt inkongruente Gewinnverteilung
Im streitgegenständlichen Fall wurde eine inkongruente Gewinnausschüttung auf der Basis einer entsprechenden Regelung in der Satzung von der Gesellschafterversammlung beschlossen und entsprechend durchgeführt. Im Rahmen dieses Beschlusses wurden für die übrigen Gesellschafter finanzielle Ausgleichsmaßnahmen beschlossen.
Im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung stellte das zuständige Finanzamt im Prüfungsberichts fest, dass die steuerlichen Folgen der beschlossenen inkongruenten Gewinnausschüttung nicht anzuerkennen seien, weil ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § AO § 42 AO vorliege. Die gewählte Gestaltung sei als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. 42 AO zu qualifizieren, weil sie unangemessen erscheine. Die gewählte Gestaltung erscheine überflüssig, sei ohne den Steuervorteil nicht gewählt worden und sei daher rein steuerlich motiviert gewesen. Sie führe im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem Steuervorteil, der gesetzlich nicht vorgesehen sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die beiden Gesellschafterinnen Schwestern seien.
Weiter führten die Prüfer aus, als Konsequenz entstehe der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstehe, d.h. bei einer kongruenten Ausschüttung an die Gesellschafterinnen. Für die Gesellschafterinnen ergebe sich damit eine Zurechnung von insgesamt je ca. 1 EUR Mio., die dem Teileinkünfteverfahren anstatt der Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 KStG zu unterwerfen sei. Das Finanzamt erließ daraufhin entsprechende Bescheide.
Keine unangemessene Gestaltung in den Augen des Finanzgerichts
Nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens wurde Klage erhoben. Das Gericht ist der Auffassung des Finanzamtes in seiner Entscheidung nicht gefolgt.
Gemäß § 42 Abs. 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.
Unangemessen ist nach ständiger Rechtsprechung im Allgemeinen eine rechtliche Gestaltung, die verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts, insbesondere des erstrebten wirtschaftlichen Ziels, als unpassend nicht wählen würden. Ein Gestaltungsmissbrauch liegt jedoch stets nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll, ansonsten aber nicht.
Eine solche unangemessene Gestaltung liege hier jedoch nicht vor. Hierbei berücksichtigte das Gericht, dass für die übrigen Gesellschafter Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen worden sind.
Darüber hinaus liege im Streitfall ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten auch deshalb nicht vor, weil kein Rechtssatz existiert, wonach inkongruente Gewinnausschüttungen grundsätzlich einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellen.