Doppelter Schenkungssteuer-Freibetrag bei zwei Vätern?
Wenn das Steuerrecht dem Familienrecht nicht folgt
Wenn das Steuerrecht dem Familienrecht nicht folgt
Bei einer Geldschenkung des leiblichen Vaters an seine Tochter greift auch dann die günstigere Schenkungssteuerklasse I und ein Freibetrag von 400.000 Euro, wenn neben dem leiblichen noch ein rechtlicher Vater vorhanden ist.
Ein Gastbeitrag von Desiree Szitnick
Schenkungssteuerrecht passt sich der Lebenswirklichkeit an
Wird ein Kind in einer Ehe geboren, ist der Ehemann automatisch rechtlicher Vater, auch wenn er dieses Kind nicht gezeugt hat. Der „andere“ Vater ist dann gemäß der Regelung im Familienrecht "nur" der biologische. Dieser Grundsatz erfuhr in der Vergangenheit durch die Rechtsprechung im Steuerrecht bereits einige Modernisierungen und Erweiterungen.
Zuletzt entschieden die Richter am Finanzgericht in Hessen in ihrem Urteil vom 15.12.2016, dass die Regel auf das Schenkungssteuerrecht nicht ohne weiteres anzuwenden ist. Die Richter gaben der Klage gegen die Festsetzung eines Finanzamtes statt und stellten damit fest, dass der Grundsatz des rechtlichen Vaters zumindest dann nicht gilt, wenn es um die Freibeträge der Schenkungssteuer geht.
Auch leibliche Väter wollen großzügig sein
Bei dem Verfahren vor dem Finanzgericht ging es um die Zuwendung eines Geldbetrages eines Vaters an seine leibliche Tochter. Diese wurde innerhalb der Ehe ihrer leiblichen Mutter geboren, sodass der Ehemann der Mutter rechtlicher Vater wurde.
Eine Berücksichtigung der für Kinder geltenden günstigeren Steuerklasse I bei der Schenkungssteuer lehnte das zuständige Finanzamt ab. Als Begründung führte es aus, dass die rechtliche Anerkennung des Ehemanns der Mutter als rechtlicher Vater die Vaterschaft des biologischen Vaters ausschließe – und damit auch die Geltendmachung der Vorteile eines Verwandtschaftsverhältnisses bei der Schenkungssteuer.
Letztlich setzte das Finanzamt die Schenkungssteuer unter Berücksichtigung der ungünstigeren Steuerklasse III fest.
Entscheidung im Einklang mit familienrechtlicher Entwicklung
Der darauffolgenden Klage gaben die Richter am Hessischen Finanzgericht nun statt. Sie stellten fest, dass es sich bei der leiblichen Tochter um ein „Kind“ im Sinne des Erbschaftssteuergesetzes handele, welches als rechtliche Grundlage für die Schenkungssteuer herangezogen wird. Die vom Finanzamt eingeschränkte Auslegung des Begriffs, der allein auf die rechtliche Vater-Kind Stellung abziele, sei nach Ansicht des Gerichts zu eng. Nicht nur rechtliche Kinder seien von dem Sinn und Zweck der Vorschriften des Erbschaftssteuergesetzes umfasst, sondern auch biologische Eltern-Kind Beziehungen.
Weiterentwicklungen in Rechtsfragen zur Vaterschaft sind häufig auch Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Zudem wurde im Jahr 2013 durch einen eigenen Paragrafen die Stellung eines „leiblichen, nicht rechtlichen Vaters“ als eine Ausprägung der Vaterschaft im Familienrecht anerkannt.
Diese Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt, dass dem biologischen Vater mehr und mehr Rechte zugesprochen werden. In Anbetracht dieser Entwicklung sei es nach Auffassung der Richter sachgerecht, die Entwicklung auch auf den Bereich des Schenkungssteuerrechts zu übertragen. Eine Gleichstellung von leiblichen und rechtlichen Vater sei also auch im Hinblick auf zivilrechtliche Ansprüche geboten. Demnach müssten auch leibliche Kinder, trotz dem Vorhandensein eines rechtlichen Vater, in der vorliegenden Konstellation in der günstigeren Steuerklasse I berücksichtigt werden.
Fehlende Übertragbarkeit auf Pflegekinder
Nach Auffassung des Gerichts ist diese Übertragung aber nicht auch bei Pflegekindern sachgerecht. Hier wird die fehlende Vergleichbarkeit der Beziehungen von Pflegekindern und ihren Pflegeeltern ins Feld geführt. Bei Pflegekindern wird eine Ablehnung der Gleichstellung insbesondere damit begründet, dass das Verhältnis eines Pflegekindes zu seinen Pflegeeltern weder auf einer (natürlichen) verwandtschaftlichen Beziehung, noch auf einem, der Abstammung gleichzusetzenden, Rechtsakt beruhe. Wiederum anders ist die Beurteilung bei Adoptivkindern. Dort ist der geforderte formale Rechtsakt durch die Adoption gegeben, sodass dort auch die Freibeträge bis zu 400.000 Euro und die Einbeziehung in die Steuerklasse I gelten.
Hintergrund zu Freibeträgen und Steuerklassen bei der Erbschaft- und Schenkungssteuer
Grundsätzlich ergeben sich die Höhe der Freibeträge und die Steuerklasse aus dem Verwandtschaftsverhältnis des Schenkers zu dem Beschenkten. Nur der Betrag, der den Freibetrag übersteigt, ist schenkungssteuerpflichtig. Diese Steuersätze sind dann von der jeweiligen Steuerklasse abhängig. Bei Kindern liegt dieser Freibetrag bei 400.000 Euro unter Berücksichtigung der Steuerklasse I. Der Unterschied zwischen den einzelnen Freibeträgen ist mitunter erheblich. Während bei Ehepartnern und Lebenspartnern in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft ein Freibetrag von 500.000 Euro angesetzt ist, sind es bei Kindern und Adoptiv- bzw. Stiefkindern immerhin noch ein Betrag von 400.000 Euro. Ein dagegen sehr geringer Betrag steht Personen zu, die in keinem Verwandtschaftsverhältnis zum Schenker stehen. Hier ist die Höchstgrenze des Freibetrages bei 20.000 Euro in der ungünstigeren Steuerklasse III angesetzt.