Die Social-Media-Erbschaft
Facebook bleibt gegenüber Erben stur
Facebook bleibt gegenüber Erben stur
Ein Beitrag von Kolja Schlecht, Fachanwalt für Erbrecht in Hamburg
Facebook wehrt sich nach wie vor, Erben Zugang zu den Accounts von verstorbenen Nutzern zu gewähren. Mit einer gegen ein erstinstanzliches Urteil von Facebook eingelegten Berufung scheiterte das Unternehmen jedoch beim OLG Karlsruhe (Beschluss v. 29.10.2020 – 9 U 1/19).
Die Eltern als gesetzliche Erben ihrer, im Jahre 2013, unter nicht genau geklärten Umständen verstorbenen 22- jährigen Tochter hatten Facebook vor dem Landgericht Freiburg verklagt. Das Benutzerkonto der Tochter wurde nach deren Tod von Facebook ohne Mitwirkung oder Kenntnis der Eltern in einen sogenannten "Gedenkzustand" versetzt. Der "Gedenkzustand" bewirkt, dass den Erben ein Zugang zum Benutzerkonto nicht möglich ist und sie auch keine Kenntnis von den Nachrichten etc. erhalten können, die vor dem Tod der Tochter eingegangen waren.
Facebook-Account im „Gedenkzustand“
Die Eltern verlangten, dass der „Gedenkzustand“ aufgehoben und ihnen ein vollständiger Zugang zum Benutzerkonto ihrer Tochter verschafft wird. Facebook lehnte dies trotz und entgegen mittlerweile vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung auch in diesem Fall unter Verweis auf dessen Nutzungsbedingungen ab.
Das Landgericht jedoch verurteilte Facebook im Jahr 2018 antragsgemäß, den Eltern Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten ihrer Tochter bei Facebook unter deren Nutzerkonto zu gewähren und zur Erstattung derer vorgerichtlichen Kosten für ihren Anwalt.
Hiergegen legte Facebook Berufung ein. Erst fast zwei Jahre später wurde diese Berufung durch das OLG Karlsruhe zurückgewiesen und das Urteil somit rechtskräftig.
Berufung von Facebook unzulässig
Interessant ist diese Entscheidung deshalb, weil das OLG auf die von Facebook vorgebrachten Gründe, die gegen deren Verurteilung sprechen sollten, nicht wertete, sondern die Berufung bereits als unzulässig verwarf.
Das Gericht setzte als Wert der Beschwer lediglich 200 EUR an, wodurch der für die Zulässigkeit einer Berufung erforderliche Beschwerdewert von 600 EUR weit unterschritten wird. Bei der Bewertung des Beschwerdegegenstandes ist das Beseitigungsinteresse einer erstinstanzlichen Verurteilung maßgeblich und nicht das Interesse des erstinstanzlich Obsiegenden an einer Aufrechterhaltung der Entscheidung.
Wie bei einer Auskunftsklage kommt es auf das Interesse von Facebook, den klagenden Eltern Zugang zum Benutzerkonto der Verstorbenen zu gewähren, an. Hierfür wiederum ist ausschlaggebend, welchen Aufwand an Zeit und Kosten Facebook sparen würde, wenn sie den Klägern keinen Zugang gewähren muss.
Aufwand von Facebook maximal 200 EUR
Das Gericht erkannte nicht, aus welchem Grund die Aufhebung des eingerichteten "Gedenkzustands" und die Gewährung des Zugangs technisch anspruchsvoll sein sollte oder besondere Kosten auslösen könnte. Vielmehr unterstellte das OLG, dass es sich allenfalls um einen Routine-Vorgang bei der Verwaltung von Facebook-Konten handeln könne, der nicht mit mehr als allenfalls ca. 200 EUR anzusetzen sei.
Wie bereits der BGH (Beschluss vom 27.08.2020 - III ZB 30/20) erkannte auch das entscheidende Gericht keine Gesichtspunkte, die eine solche Verfahrensweise als unzumutbar erscheinen lassen könnte.
Auch dass Facebook zur Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt worden war, spielte für die Ermittlung der Beschwer keine Rolle, da es sich insoweit lediglich um eine Nebenforderung handelt.
Geheimhaltungsinteressen Dritter sind für Beschwerdewert irrelevant
Facebook hatte zudem argumentiert, es wolle Geheimhaltungsinteressen Dritter schützen, die mit der Tochter der Kläger über Facebook in Kontakt standen. Jedoch ist ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse für die Beschwer nur dann von Bedeutung, wenn es sich um ein eigenes Interesse von Facebook handeln würde, was nicht erkennbar war.
Auch der Umstand, dass das Landgericht den Streitwert erstinstanzlich auf 10.000,00 € festgesetzt hatte, ließ das OLG nicht als Argument zu, da der Streitwert einer Klage und die gesondert zu bewertende Beschwer der verurteilten Partei in aller Regel auseinander fallen.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.07.2018
Das Urteil des OLG Karlsruhe steht im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung und ist zu begrüßen.
Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.07.2018 (III ZR 183/17) steht -trotz heftiger Gegenwehr- außer Frage, dass Ansprüche von Verstorbenen an Social-Media-Accounts (Instagram, Facebook, YouTube, etc.) vererblich sind und Erben demgemäß berechtigt sind, von den Betreibern zu verlangen, Zugang zu den Benutzerkonten der Verstorbenen und den darin enthaltenen Inhalten zu erhalten.
Der BGH hat auch mehr als deutlich gemacht, dass solchen Ansprüchen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht noch das Fernmeldegeheimnis, datenschutzrechtliche Regelungen oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kommunikationspartner der Verstorbenen entgegenstehen können.
Durch diese Entscheidung wurde den Betreibern nun auch die Hürde für Rechtsmittel erheblich erschwert, da der Wert für die „Anstrengungen“ im Zusammenhang mit der Zugangsgewährung zu Recht äußerst gering angesetzt wurden.
Es bleibt zu hoffen, dass Facebook und andere Social-Media-Plattformen. künftig zügiger den berechtigten Interessen der Hinterbliebenen nachkommen werden und diesen lange und kostenintensive Verfahren ersparen.