Die Haftung von Stiftungs- und Vereinsorganen
Neue Risiken für Vereins- und Stiftungsvorstände?
Die Reform des Stiftungsrechts hat die Haftung von Organmitgliedern in Stiftungen und Vereinen neu geregelt und ausdrücklich die im Gesellschaftsrecht lang etablierte „Business Judgement Rule“ eingeführt. Was bedeutet die Reform für Vorstände und andere Organmitglieder in der Praxis?
Die Haftung von Stiftungsvorständen und anderen Stiftungsorganen (und Vereinsorganen) ist ein Thema, das sowohl Ehrenamtliche als auch hauptamtliche Mitglieder gleichermaßen betrifft. Mit der Reform des Stiftungsrechts, die am 1. Juli 2023 in Kraft getreten ist, hatte sich die Rechtslage in einigen Punkten geändert, wobei die Organmitglieder den anwendbaren Haftungsregeln naturgemäß besondere Aufmerksamkeit schenken. Hier sollen die praktischen Auswirkungen näher beleuchtet werden.
Die Haftung von Organmitgliedern in Vereinen und Stiftungen ist im Wesentlichen in den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verankert und wird durch die Rechtsprechung näher bestimmt. Für Stiftungsorgane ergibt sich die Haftung im Grundsatz aus der allgemeinen Haftungsnorm in § 280 Abs. 1 BGB, ergänzt durch den neuen § 84a BGB, der im Zuge der Stiftungsrechtsreform eingeführt wurde und der die Sorgfaltspflichten der Organmitglieder näher konkretisiert. Für Vereine gelten ähnliche Grundsätze, wobei sich die Haftung hier aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 27 Abs. 3 BGB ergibt, der auf das Auftragsrecht verweist.
Kodifizierung der Business Judgment Rule im Stiftungsrecht
Eine zentrale Neuerung ist die ausdrückliche Verankerung der "Business Judgement Rule" im Stiftungsrecht durch den Gesetzgeber. Diese Regelung, die bisher nur im Aktienrecht ausdrücklich verankert war, schützt Organmitglieder bei unternehmerischen Entscheidungen, indem er auf ex-ante-Perspektive abstellt, also wie sich die Lage im Moment der Entscheidung darstellen musste: Wer dabei auf Basis angemessener Informationen davon ausgehen durfte, zum Wohle der Stiftung zu handeln, haftet auch dann nicht für negative Folgen, wenn sich die Entscheidung nachträglich als falsch herausstellt. Dies gilt allerdings nur bei echten Ermessensentscheidungen – nicht bei der Verletzung ausdrücklicher rechtlicher Verpflichtungen, die keinen Ermessensspielraum eröffnen.
Keine überzogenen Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab
Entgegen von manchen geäußerten Sorgen führt die Reform im Ergebnis nicht etwa hinten herum zu einer Verschärfung des Sorgfaltsmaßstabs. Zwar müssen Organmitglieder von Stiftungen, auch solchen, die gemeinnützig sind, nun die "Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers" anwenden. Dies bedeutet jedoch nicht etwa, dass jeder Stiftungsvorstand wie ein professioneller hauptamtlicher Manager agieren muss. Entscheidend ist vielmehr, was die konkrete Aufgabe objektiv erfordert und was im Verhältnis zur Größe der Stiftung erforderlich erscheint. Bei kleinen Stiftungen reicht eine sorgfältige ehrenamtliche Tätigkeit, welche den Laienhintergrund der Organe berücksichtigt, während bei Großstiftungen gegebenenfalls professionellere Standards gelten, insbesondere wenn die Organe eine marktgerechte Vergütung für ihre Tätigkeit erhalten.
Besonderer Schutz für Ehrenamtliche
Der Gesetzgeber hat den bereits vorher geltenden besonderen Schutz ehrenamtlicher Organmitglieder beibehalten. Wer unentgeltlich oder gegen eine geringe Vergütung (aktuell maximal EUR 840 jährlich) tätig ist, haftet weiterhin nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Diese Privilegierung kann bei Stiftungen – anders als bei Vereinen – durch die Satzung ausgeschlossen werden, was aber die Bereitschaft zur Übernahme eines solchen Ehrenamtes nicht erhöhen dürfte. Sofern eine D&O-Versicherung besteht, kann dies aber aus Governance-Gründen durchaus sinnvoll sein.
Praktische Empfehlungen für Organmitglieder
Um etwaige Haftungsrisiken zu minimieren, sollten Organmitglieder die folgenden Punkte beachten:
- Sorgfältige Dokumentation: Besonders bei wichtigen Entscheidungen sollte die Informationsbeschaffung und Entscheidungsfindung gut dokumentiert werden (wer schreibt der bleibt…).
- Fachkundige Beratung: Bei Unsicherheiten sollte gegebenenfalls externer Rat eingeholt und bei bedeutsamen Angelegenheiten auch anwaltliche Begleitung in Betracht gezogen werden.
- Klare Aufgabenverteilung: Bei mehrköpfigen Organen empfiehlt sich eine schriftliche Ressortaufteilung, was die Haftung für die anderen Organmitglieder begrenzen kann.
- Versicherungsschutz prüfen: Der Abschluss einer D&O-Versicherung kann auch ohne explizite Satzungsregelung sinnvoll sein, wenn mit erheblichen Vermögenswerten umzugehen ist.
Entlastung als Instrument der Haftungsbegrenzung
Eine wichtige Rolle spielt die Entlastung von Organmitgliedern. Sie ist auch bei Stiftungen möglich, sofern ein Kontrollorgan (Beirat, Kuratorium etc.) existiert, welches die Entlastung aussprechen kann. Die Entlastung ist mehr als nur eine Vertrauensbekundung: Sie schließt die spätere Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus, die bei sorgfältiger Prüfung im Zeitpunkt der Beschlussfassung erkennbar waren. Das Kontrollorgan hat dabei selbst sorgfältig zu handeln, anderenfalls kann auch ein solcher Entlastungsbeschluss Haftungsfolgen auslösen.
Evolution statt Revolution
Die Reform hat die Haftungsrisiken für Organmitglieder weder drastisch verschärft noch wesentlich gemildert. Sie bringt aber mehr Rechtssicherheit durch klarere gesetzliche Regelungen. Organmitglieder müssen selbstverständlich weiterhin sorgfältig arbeiten, können dann aber bei wohl überlegten Entscheidungen entsprechend auf einen angemessenen Schutz vertrauen.
Besonders positiv ist, dass der Gesetzgeber die unterschiedlichen Anforderungen an ehrenamtliche und professionelle Organmitglieder berücksichtigt hat. Dies trägt dazu bei, dass sich auch künftig Menschen für eine Tätigkeit in Stiftungen und Vereinen engagieren werden.
Mehr Informationen zu Stiftungsorganen finden Sie hier: Stiftungsvorstand, Stiftungsrat, Stifter, Destinatäre und Behörden