Beschlussfassung in Vereins- und Stiftungsorganen

Wann ist die wörtliche Wiedergabe der Beschlussvorlage notwendig?

Das Landgericht Heidelberg stellt zum Vereinsrecht klar, dass zur Gültigkeit eines Beschlusses keine wörtliche Übermittlung der Beschlussvorlage bei der Einladung erforderlich ist. Das gilt mittelbar auch für Beschlussfassungen von Stiftungsorganen.

Veröffentlicht am: 13.11.2024
Qualifikation: Fachanwalt für Medizinrecht und Stiftungsrechtsexperte in Hamburg
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In seinem Urteil vom 22.02.2024 (Az. 5 O 62/23) befasste sich das Landgericht Heidelberg mit der Frage, inwieweit Beschlussvorlagen vorab im Wortlaut mitgeteilt werden müssen, um den Anforderungen an eine gültige Beschlussfassung zu genügen. Im entschiedenen Fall ging es darum, ob die Mitglieder eines Vereins die Beschlussvorlage für eine vorübergehende Nutzung eines Vereinsgebäudes als Flüchtlingsunterkunft bereits in der Einladung zur Mitgliederversammlung hätten erhalten müssen.

Die Kläger hatten vorgebracht, dass die Einladung zur Versammlung ungenügend gewesen sei, da die Formulierung im Wortlaut der Beschlussvorlage fehlte. Das Gericht entschied jedoch zugunsten des beklagten Vereins und stellte klar, dass eine wörtliche Wiedergabe der Beschlussvorlage regelmäßig nicht erforderlich ist. Es reiche vielmehr aus, wenn der Beschlussgegenstand sich aus der Einladung hinreichend entnehmen lässt, sodass die Mitglieder sich auf die Diskussion und Entscheidung vorbereiten können.

Grundsätze der Beschlussfassung: Mitgliederschutz & klare Themenformulierung

Das Gericht betonte, dass der Zweck der Vorschrift über die Einladungen zur Mitgliederversammlung in § 32 BGB darin bestehe, die Mitglieder eines Organs vor Überraschungen zu schützen und eine ausreichende Befassung im Vorfeld zu ermöglichen. Ihnen soll die Möglichkeit gegeben werden, anhand der Einladung über die Notwendigkeit ihrer Teilnahme zu entscheiden und sich auf die zur Beratung anstehenden Themen ausreichend vorbereiten zu können. Gemäß diesem Verständnis ist diese gesetzliche Vorgabe wichtig, damit die Mitglieder ihre Rechte wirksam ausüben können.

Eine exakte Wiedergabe der Anträge oder Beschlussvorlagen im Wortlaut ist hierfür nicht erforderlich. Der Beschlussgegenstand muss aber in seinem wesentlichen Inhalt so klar erkennbar sein, dass die Mitglieder den Inhalt und die Bedeutung des Themas erfassen und sich darüber klar werden können, wie sie sich in der Abstimmung dazu verhalten wollen.

Bedeutung für das Stiftungsrecht: Neuer Verweis auf § 32 BGB

Das Urteil ist dabei nicht nur für Vereine, zu denen es ergangen ist, sondern auch für Stiftungen bedeutsam. Denn im Hinblick auf das neue Stiftungsrecht wird in § 84b S. 1 BGB ausdrücklich auf das Beschlussrecht der Mitgliederversammlung in § 32 BGB verwiesen. Daher finden die vereinsrechtlichen Regelungen bezüglich der Einladung zur Versammlung und die Formulierung von Tagesordnungspunkten auch auf Stiftungsorgane eine entsprechende Anwendung.

Für Stiftungen bedeutet dies, dass auch hier Beschlussvorlagen bei der Einladung zur Mitgliederversammlung grundsätzlich nicht im Wortlaut mitgeschickt werden müssen, solange der Gegenstand jedenfalls ausreichend erkennbar ist. Das Urteil gibt insoweit in der Praxis eine wertvolle Orientierungshilfe, wie weit diese Anforderungen im Einzelfall gehen. Um Unsicherheiten zu vermeiden, dürfte es allerdings regelmäßig sinnvoll sein, die Tagesordnungspunkte im Wortlaut vorab an die Mitglieder zu verschicken. Dann stellen sich diese Fragen erst gar nicht. 

Ausnahme: Wann ist genaue Wiedergabe der Beschlussvorlage erforderlich?

Das Gericht betonte jedoch, dass es auch Fallgestaltungen geben kann, in denen eine genaue Wiedergabe der Beschlussvorlage oder das Beifügen von Unterlagen zur Einladung zwingend erforderlich ist. Dies betrifft etwa die Entscheidung über konkrete Vertragsschlüsse, bei denen gerade bestimmte Details – wie z. B. die Mietdauer eines Vertrags oder die Haftung – für die Abstimmung wesentlich sind, sodass sie den Mitgliedern vorab bekannt sein müssen, damit diese sich eine qualifizierte Meinung dazu bilden können.

In solchen Fällen kann der Inhalt eines Beschlusses so entscheidungsrelevant sein, dass die Mitglieder umfassend informiert werden müssen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Auch hier gilt es im Zweifel lieber zu detailliert vorab zu informieren, um Unsicherheiten bei der Beschlussfassung und potenzielle Angriffsflächen zu vermeiden.

Orientierung für Vereine und Stiftungen

Das Urteil des LG Heidelberg unterstreicht die Bedeutung einer ausgewogenen und praktischen Handhabung der Beschlussfassung in Vereinen und Stiftungen. Für die meisten Fälle reicht danach eine der Sache nach präzise, aber nicht wörtliche Beschreibung des Beschlussgegenstandes aus. Sobald jedoch konkrete Vertragsinhalte oder andere entscheidungsrelevante Details auf der Tagesordnung stehen, ist es zwingend erforderlich, die vollständigen Unterlagen mit der Einladung bereitzustellen, um Beschlusssicherheit zu gewährleisten.

Auch wenn das Gericht in seinem Urteil damit eine praktisch gut handhabbare Orientierung geliefert hat, sollten jegliche Unsicherheiten jedoch nach Möglichkeit vermieden werden, indem die Beschlussgegenstände – wie üblich – im Wortlaut mit der Einladung versandt werden.

Durch eine solche Vorgehensweise können sowohl Vereine als auch Stiftungen sicherstellen, dass ihre Beschlüsse den gesetzlichen Anforderungen genügen und Anfechtungen durch unzureichende Informationen vermieden werden.