Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei überhöhten Gehältern

FG Düsseldorf urteilt zu den Voraussetzungen

Überhöhte Gehälter und mangelnde Kontrolle können gemeinnützige Organisationen in ernsthafte Schwierigkeiten bringen – bis hin zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf zeigt, welche Rolle die Überwachungspflichten des Aufsichtsrats dabei spielen und wo die Grenzen der Zurechenbarkeit liegen.

Veröffentlicht am: 16.12.2024
Qualifikation: Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Das Finanzgericht Düsseldorf hatte in seinem Urteil vom 15.04.2024 (Az. 6 K 2425/21 AO) über die Frage entschieden, ob einer gemeinnützigen Organisation, hier einer gGmbH, wegen der Zahlung marktunüblicher, überhöhter Gehälter aufgrund angeblicher Mittelfehlverwendung die Gemeinnützigkeit aberkannt werden kann. Das Gericht behandelt dabei die Zurechenbarkeit des Handelns einzelner Organmitglieder bezüglich der gemeinnützigen Organisation und den Pflichten des Überwachungsorgans. Dieses Urteil liefert Klarheit zu den Folgen überhöhter Gehaltszahlungen bei gemeinnützigen Organisationen und bietet wertvolle Hinweise für die Praxis gemeinnütziger Organisationen.

Sachverhalt und Problemstellung

Die Klägerin, eine gemeinnützige GmbH, wurde von der Finanzverwaltung bezichtigt, zwischen 2013 und 2018 Mittel fehlverwendet zu haben. Es ging dabei um massive Gehaltserhöhungen der damaligen Geschäftsführerin, die ohne die notwendige Zustimmung des Aufsichtsrats beschlossen worden waren. Die Finanzverwaltung argumentierte, dass dies einen Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit gemäß § 55 AO verstoße und daher eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit rechtfertige. Die Klägerin wandte dagegen ein, dass diese, ohne Zustimmungsbeschluss erfolgten und daher eigenmächtigen, Handlungen der gemeinnützigen Organisation nicht zugerechnet werden könnten.

Zurechenbarkeit des Handelns für die gemeinnützige Organisation

Das Gericht arbeitete in seinem Urteil zunächst heraus, dass die eigenmächtigen Handlungen der Geschäftsführerin und des Aufsichtsratsvorsitzenden der gGmbH nur dann zugerechnet werden können, wenn der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan seine Überwachungspflichten grob fahrlässig verletzt und dadurch die Pflichtverletzungen ermöglicht hätte.

Im vorliegenden Fall hätte der Aufsichtsrat zwar seine Sorgfaltspflichten verletzt, indem er die Gehaltsregelungen nicht engmaschiger kontrollierte. Jedoch sah das Gericht keine grobe Fahrlässigkeit im Sinne einer ungewöhnlich hohen und nicht entschuldbaren Pflichtverletzung. Der Aufsichtsrat wurde vielmehr im vorliegenden Fall unter Aufwand einer erheblichen kriminellen Energie der beteiligten Personen getäuscht und auch die Abschlussprüfer hätten die Verstöße nicht festgestellt. Dies schließe eine Zurechnung der auf diesem Verhalten gründenden Mittelfehlverwendung an die gGmbH aus.

Pflichten des Überwachungsorgans

Das Urteil legt einen besonderen Fokus auf die Überwachungspflichten des Aufsichtsrats. Es wird betont, dass dieser sicherstellen muss, dass die Geschäftsführung die gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben einhält.

Dazu gehören insbesondere:

  • Regelmäßige Kontrolle: Der Aufsichtsrat muss die Angemessenheit von Vergütungen regelmäßig überprüfen und außerdem sicherstellen, dass Gehaltsentscheidungen ausschließlich durch die zuständigen Gremien getroffen werden.
  • Prüfung der Berichte: Jahresabschlüsse und Berichte der Wirtschaftsprüfer sind kritisch zu würdigen. Fehlende Angaben – wie im vorliegenden Fall der fehlende Ausweis individueller Vergütungen – sind ein Warnsignal.
  • Reaktion auf Hinweise: Werden Unregelmäßigkeiten entdeckt, muss der Aufsichtsrat unverzüglich handeln, um den Sachverhalt aufzuklären und Schaden von der Organisation abzuwenden, insbesondere Schadensersatzansprüche gegen die betreffenden Organmitglieder durchsetzen.

Das Gericht berücksichtigte dabei, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats ehrenamtlich tätig waren und daher an sie nicht dieselben Maßstäbe wie bei hauptamtlichen Organen angelegt werden können.

Ergebnis des Urteils

Das Finanzgericht hob vorliegend die angefochtenen Bescheide der Finanzverwaltung bezüglich der Aberkennung der Gemeinnützigkeit auf. Es führt im Urteil aus, dass die objektiv zwar vorliegende Mittelfehlverwendung allein nicht hinreichend sei, um die Gemeinnützigkeit zu versagen. Hinzutreten müsse eine grobe – nicht einfache – Verletzung der Überwachungspflichten. Da dies im zu entscheidenden Fall nicht vorgelegen habe, liege kein zurechenbarer Verstoß gegen das Selbstlosigkeitsgebot vor und die Gemeinnützigkeit war dementsprechend nicht abzuerkennen.

Folgen für die Praxis

Dieses Urteil hat erhebliche Relevanz für gemeinnützige Organisationen und insbesondere ihre Überwachungsorgane. Die folgenden Lehren lassen sich daraus ziehen:

  • Dokumentation ist wichtig: Die Protokollierung von Beschlüssen und die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsprozessen sind entscheidend, um Missstände aufdecken und die Wahrnehmung der Überwachungspflichten dokumentieren zu können.
  • Umgang mit Verdachtsfällen: Werden Unregelmäßigkeiten festgestellt, ist ein schnelles und entschlossenes Handeln erforderlich. Insbesondere müssen gegen die betroffenen Organmitglieder Schadensersatzansprüche durchgesetzt werden, um eine Zurechenbarkeit zu vermeiden.

Das Urteil verdeutlicht, dass die Anforderungen an die Überwachung in gemeinnützigen Organisationen ernst zu nehmen sind. Leider sind auch gemeinnützige Organisationen nicht vor eigennützigem Handeln einzelner Organmitglieder gefeit. Um die meist existenzbedrohende Aberkennung der Gemeinnützigkeit zu verhindern, müssen daher funktionierende Überwachungsprozesse implementiert und nachgehalten werden. Es macht auch noch einmal deutlich, dass gemeinnützige Stiftungen, die als gesetzlich vorgeschriebenes Organ lediglich den Vorstand haben, unbedingt ein Überwachungsorgan an die Seite gestellt bekommen müssen, wie einen Stiftungsrat bzw. ein Kuratorium. Anderenfalls ist eine Exkulpation durch Nachweis des Einhaltens der Überwachungspflichten von vorneherein nicht möglich.

Erleichternd wird vom FG Düsseldorf dagegen anerkannt, dass ehrenamtliche Organmitglieder nicht den gleichen strengen Maßstäben unterliegen können wie professionelle Organmitglieder.

Eine umfassende Dokumentation und klare Governance-Strukturen sind der beste Schutz vor rechtlichen Auseinandersetzungen und dem Verlust der Gemeinnützigkeit.

 

Weitere Informationen zu gemeinnützigen Organisationen finden Sie hier: Gemeinnützige Stiftung