Bundesverfassungsgericht kippt die Erbschaftsteuer

Verfassungsrichter fordern Neuregelung bis Mitte 2016

Veröffentlicht am: 17.12.2014
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Die aktuellen Regelungen zur Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer sind "nicht in jeder Hinsicht mit der Verfassung vereinbar". So ist es der heutigen Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen. Konkret verstoßen die Besonderheiten bei der Behandlung von Betriebsvermögen gegen den in Art. 3 des Grundgesetzes verankerten Gleichheitsgrundsatz.

Grundsätzlich – so das Urteil – liegt es im Ermessen des Gesetzgebers, kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestandes und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu privilegieren. Unverhältnismäßigkeit sei aber dann gegeben, wenn sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreife, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Gleiches gelte für die Freistellung von Unternehmen mit nicht mehr als 20 Mitarbeitern von der sogenannten Lohnsummenklausel und die Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil bis zu 50 Prozent. Ebenfalls ein Dorn im Auge der Verfassungsrichter sind die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer, die zu „nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen“ führten.

So geht es weiter

Die Richter in Karlsruhe ordneten an, dass das bisherige Erbschafteuer- und Schenkungsteuergesetz zunächst weiter anwendbar ist. Der Gesetzgeber in Berlin muss bis zum 30. Juni 2016 eine neue Regelung treffen, die den Vorgaben des Verfassungsgerichts entspricht. Die Gestaltungsmöglichkeiten für Rechtsanwälte und Steuerberater sind jedoch bereits jetzt eingeschränkt. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich ausdrücklich festgelegt, dass die Fortgeltung der verfassungswidrigen Vorschriften „keinen Vertrauensschutz gegenüber einer bis zur Urteilsverkündung rückwirkenden Neuregelung“ begründen, die einer exzessiven Ausnutzung der gleichheitswidrigen Normen die Anerkennung versagt.

Abweichende Meinungen einzelner Richter

Interessante Äußerungen kommen von den Richtern Gaier und Masing sowie der Richterin Baer. Diese stimmen der Entscheidung zu, vertreten aber die Auffassung, das nicht nur der Gleichheitsgrundsatz sondern auch das Sozialstaatsprinzip in die Urteilsbegründung gehört. Die Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer solle verhindern, dass Reichtum sich über Generationen in den Händen weniger sammelt und allein aufgrund der Herkunft oder persönlichen Verbundenheit anwächst. Die Richter verweisen dabei auf die statistischen Zahlen zur Vermögensverteilung in Deutschland und ihre Entwicklung.

Hintergrund

Die Entscheidung kommt nicht überraschend. Die meisten Experten waren sich im Vorfeld einig, dass das derzeitige Gesetz zur Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten wird. Wie die große Koalition in Berlin auf das Urteil reagiert, dürfte spannend werden. Will der Gesetzgeber weiter Betriebsvermögen privilegieren, könnte dies auf eine noch komplexere Regelung als die bereits bestehende hinauslaufen. Die Situation ist für die Politiker in Berlin nicht neu. Bereits das letzte Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz wurde in Karlsruhe gekippt – mit der Vorgabe innerhalb einer Frist eine verfassungskonforme Regelung zu treffen. Der Gesetzgeber dürfte diesmal gut beraten sein, nicht wie beim letzten Mal kurz vor Fristablauf noch eine fehlerbehaftete Neuregelung auf den Weg zu bringen. Auch werden jetzt wieder die Stimmen lauter werden, die eine gänzliche Abschaffung der Erbschaftsteuer fordern. Eine politische Mehrheit dürfte es vor dem Hintergrund der Gerechtigkeitsdebatte in der Gesellschaft dafür aber kaum geben.