BGH-Urteil lässt Immobilienverkäufer aufhorchen

Strengere Anforderungen an Einhaltung von Aufklärungspflichten

Immobilienverkäufer müssen über anstehende Sanierungskosten aufklären. Dass der Käufer theoretisch hiervon Kenntnis nehmen könnte, entlastet den Verkäufer von dieser Aufklärungspflicht nicht, so der BGH.

Veröffentlicht am: 19.09.2023
Qualifikation: Rechtsanwalt in Hamburg
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Verkäufer von Immobilien müssen Käufer über anstehende Sanierungskosten ausreichend aufklären, stellte der Bundesgerichtshof jüngst klar (BGH Urteil vom 15.09.2023, V ZR 77/22).

Streit um künftige Sanierungskosten

Der Entscheidung des BGH liegt ein millionenschwerer Immobilien-Deal zugrunde. Eine Firma hatte mehrere Gewerbeeinheiten in Hannover für mehr als 1,5 Millionen Euro gekauft. Im Kaufvertrag versicherte die Verkäuferin, dass keine Be­schlüs­se ge­fasst seien, aus denen sich eine künf­tig Son­der­um­la­ge er­ge­be und nach ihrer Kennt­nis keine au­ßer­ge­wöhn­li­chen Sa­nie­run­gen be­vor­ste­hen, deren Kos­ten durch die In­stand­hal­tungs­rück­la­ge nicht ge­deckt sind. 

Doch drei Tage vor Vertragsschluss im März 2019 stellte die Verkäuferin kommentarlos in einem virtuellen Datenraum, zu dem der Käufer Zugang hatte, das Pro­to­koll einer Ei­gen­tü­mer­ver­samm­lung aus dem Jahr 2016 ein. Daraus ergaben sich, zum Erstaunen der Käuferin, erhebliche mögliche Sanierungskosten der Immobilie. Danach könnten auf die Käu­fe­rin Kos­ten von bis zu 50 Mil­lio­nen Euro für die In­stand­hal­tung des Ge­mein­schafts­ei­gen­tums zu­kom­men. Weil die Firma diese Kosten nicht zahlen wollte, stritten die Parteien vor Gericht weiter.

Reine Datenübermittlung reicht nicht aus

Im weiteren Verlauf wollte sich die Käuferin von dem Vertrag lösen mit der Begründung, das Protokoll sei „klammheimlich“ hochgeladen und ihr somit „untergeschoben“ worden. Es sei Aufgabe des Verkäufers in einem solchen virtuellen Datenraum von vornherein ein umfassendes Bild zu vermitteln und im Falle des Nachreichens von Unterlagen jedenfalls darauf hinzuweisen. Dagegen argumentierte die Verkäuferin, dass, wenn die Käuferin keine Nach­fra­gen stel­le, dies "stram­mes Ver­schul­den gegen sich selbst" sei.

Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Celle, der Käufer sei in der Verantwortung sich alle nötigen Informationen vor Vertragsschluss zu besorgen, ging der BGH nun nicht mit. Der BGH hob das Urteil im Wesentlichen auf.

Verkäufer trifft umfassende Aufklärungspflicht

Die Karlsruher Richter sind vielmehr der Auffassung, die Verkäuferin habe eine vorvertragliche Aufklärungspflicht in Bezug auf den Kostenumfang für anstehende Sanierungsmaßnahmen. Diese Pflicht habe die Verkäuferin hier verletzt. Wie bei Papier-Unterlagen gelte dies auch im virtuellen Bereich – Allein die Möglichkeit des Zugriffs auf offenbarungspflichtige Daten für den Käufer reiche nicht aus. Daraus lasse sich für den Verkäufer nicht schließen, dass der Käufer diese Daten auch tatsächlich zur Kenntnis genommen habe. Etwas anderes könne nur im Einzelfall gelten, etwa bei einer Due Di­li­gence durch den Käu­fer. Wich­ti­ge Un­ter­la­gen drei Tage vor Ver­trags­schluss hoch­zu­la­den, sei je­den­falls zu knapp. Hier habe die Verkäuferin nicht davon ausgehen dürfen, dass die Käuferin die Dokumente noch vor Vertragsschluss tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Ein entsprechender Hinweis auf die Dokumente hätte dagegen eine Pflichtverletzung der Verkäuferin abwenden können.

Verkäufer sollten sorgsam sein

Nachdem der BGH mit dieser Entscheidung grundsätzlich die Aufklärungspflichten von Immobilienverkäufern verschärft hat, muss das Oberlandesgericht erneut in dem Fall entscheiden.

Die Entscheidung könnte aber auch Auswirkungen haben – und das nicht nur im Immobilienrecht, sondern auch für andere Unternehmenstransaktionen. Konkret geht mit der Entscheidung eine Verschiebung der Sorgfaltspflichten zu Gunsten von Käufern einher. Dies sollte Verkäufer generell achtsamer werden lassen. Allein die kurzfristige Offenlegung von relevanten Unterlagen dürfte nicht in jedem Fall vor einer Haftung bewahren. Vielmehr muss der Verkäufer sicherstellen können, dass die Unterlagen vom Vertragspartner auch tatsächlich zur Kenntnis genommen wurden, um der eigenen Aufklärungspflicht umfassend zu genügen.