Abberufung und Kündigung des Vorstands durch die Hauptversammlung? Yes!

Handlungsmöglichkeiten der Aktionäre bei unliebsamen Vorstand

Der Vorstand agiert und spielt mit dem Geld der Aktionäre. Doch können diese den Vorstand bei Fehlverhalten und Pflichtverletzung absetzen?

Veröffentlicht am: 24.09.2021
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Berlin
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Grundsätzlich kann diese nur der Aufsichtsrat. Doch anders als man denkt, können die Aktionäre zumindest mittelbar für die Absetzung des Vorstandes sorgen. Wie, zeigt ein nicht ganz so altes Urteil des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 15.11.2016, Az. II ZR 217/15, Vorinstanz: OLG München v. 24.6.2015, Az. 7 U 3551/14)

Vertrauensentzug durch Hauptversammlung = Widerruf der Bestellung des Vorstandes?

Die außerordentliche Hauptversammlung der AG entzog dem Vorstandsmitglied A per Hauptversammlungsbeschluss das Vertrauen. Hintergrund war der Vorwurf, der A habe seinen Pflichten als Vorstand verletzt. Der Aufsichtsrat nahm dies zum Anlass, die Bestellung des betroffenen Vorstandsmitgliedes zu widerrufen. Zudem wurde der Vorstandsvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt ordentlich gekündigt.

Das betroffene Vorstandsmitglied wehrte sich daraufhin gegen seine Abberufung und die Kündigung des Anstellungsvertrages vor Gericht. Der Vorstand argumentierte in vor allem in 3 Richtungen:

  1. Die Hauptversammlung habe ihm das Vertrauen willkürlich entzogen, da die Vorwürfe gegen ihn unbegründet seien.
  2. Der Entzug des Vertrauens sei nicht begründet gewesen.
  3. Er sei vorab zum Widerruf der Bestellung nicht angehört worden.

Abberufung Vorstand - Vertrauensentzug durch Hauptversammlung

Das Aktiengesetz sieht vor, dass der Aufsichtsrat die Bestellung eins Vorstandsmitglieds (oder auch die Ernennung eines Mitglieds zum Vorsitzenden des Vorstandes) widerrufen kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (§ 84 AktG. Als Beispiel für einen solchen wichtigen Grund wird im AktG ausdrücklich auch der „Vertrauensentzug“ durch die Hauptversammlung genannt (neben grober Pflichtverletzung und der Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung).

Allerdings sagt das Aktiengesetz auch, dass der Vertrauensentzug jedenfalls dann keine taugliche Grundlage für die Abberufung ist, wenn der Vertrauensentzug aus unsachlichen Gründen erfolgt ist.

Der BGH stellte in seiner Entscheidung fest, dass ein unsachlicher Grund nur dann vorliegt,  wenn ein

  • willkürlicher,
  • haltloser oder
  • wegen des damit verfolgten Zwecks sittenwidriger, treuwidriger oder sonst wie rechtswidriger Entzug des Vertrauen

erfolgt. Insbesondere komme es nicht darauf an, ob dem Vorstand subjektiv ein Vorwurf zu machen sei oder er sogar objektiv im Recht gewesen ist. Im Fall des BGH kam es daher nicht darauf an, ob der Vorstand seine Pflichten verletzt hatte oder nicht.

(Keine) Begründung für Entzug des Vertrauens

Sehr deutlich stellte das Gericht auf fest, dass die Hauptversammlung ihren Beschluss zum Vertrauensentzug nicht begründen muss.

(Keine) Anhörung des Vorstandes bei Abberufung?!

Die Anhörung eines Vorstandsmitglieds – so der Bundesgerichtshof - ist grundsätzlich kein Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Abberufung.

Ob eine Ausnahme – wie bei einer Verdachtskündigung des Geschäftsführers – bei einer Verdachtsabberufung eines Vorstandes gelte, ließ das Gericht offen. Im Fall ging es ja nicht um eine Abberufung auf Verdacht (einer Pflichtverletzung) sondern auf Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung.

Folgerungen für die Praxis – Kopplungsklauseln, AGB und andere Überraschungen

Die Entscheidung stärkt die Rechte der Aktionäre / Hauptversammlung, indem sie diesen einen weiten Entscheidungsspielraum für den Vertrauensentzug zugestehen. Dies ist insofern richtig, als mit dem Aufsichtsrat eine weitere Kontrollinstanz existiert. Er entscheidet über die Abberufung und nicht die Aktionäre.

Spannend ist die Entscheidung auch hinsichtlich der in vielen Vorstandsverträgen befindlichen Kopplungsklauseln. Diese sehen vor, dass bei einem Widerruf der Bestellung der Vorstandsvertrag automatisch – gegebenenfalls mit einer Auslauffrist – endet. Den Aktionären haben damit mittelbar die Macht, auch den Vorstandsvertrag zu „kündigen“. Allerdings scheitern nicht wenige Kopplungsklauseln am AGB-Recht ….

Fraglich ist, ob auch die Nichtentlastung bzw. die Verweigerung der Entlastung des Vorstandes einem Vertrauensentzug gleichkomt.

 

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