Zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot

Endlich Klarheit für sachgrundlose Befristungen?

Veröffentlicht am: 27.06.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
Lesedauer:

Endlich Klarheit für sachgrundlose Befristungen?

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Christian Westermann

Mit seiner Entscheidung im Arbeitsrecht vom 23.01.2019 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) - vorerst - Klarheit in einem jahrelangen Streit über das sogenannte Vorbeschäftigungsverbot in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG gebracht.

Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes, die sogenannte sachgrundlose Befristung, dann unzulässig, wenn der Arbeitnehmer mit demselben Arbeitgeber „bereits zuvor“ ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis hatte.

Entwicklung der Rechtsprechung zum Vorbeschäftigungsverbot

In der Rechtsprechung herrschte jahrelang ein heftiger Streit über die Auslegung des Gesetzeswortlauts „bereits zuvor“. Bis 2009 war Rechtsprechung des BAG, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Abschluss eines Arbeitsvertrags nur bei der erstmaligen Einstellung eine sachgrundlose Befristung vereinbaren können, die dann mehrmals auf maximal zwei Jahre verlängert werden konnte. Es durfte also „niemals zuvor“ eine Vorbeschäftigung gegeben haben. Dies wurde vielfach als Hindernis für eine Flexibilisierung des Arbeitsmarkts durch den Abschluss befristeter Arbeitsverträge angesehen.

Im Jahr 2011 hat das BAG seine Rechtsprechung dann dahingehend geändert, dass die gesetzliche Regelung zum Vorbeschäftigungsverbot so auszulegen sei, dass das Vorbeschäftigungsverbot nicht gelte, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien mehr als drei Jahre zurückliegt. Auch diese Entscheidung sah sich wieder heftiger Kritik ausgesetzt. So wurde dem BAG vorgeworfen, die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung zu überschreiten und sich an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen.

Diese Ansicht hat auch das Bundesverfassungsgericht vertreten, als es am 06.06.2018 entschieden hat, dass die Auslegung des BAG, wonach eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags nur dann unzulässig sei, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliege, verfassungswidrig ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle das unbefristete Arbeitsverhältnis der Regelfall sein und insbesondere die sachgrundlose Befristung nur in Ausnahmefällen erlaubt sein. Ausnahmen vom zeitlich unbeschränkten Vorbeschäftigungsverbot seien lediglich dann zulässig, wenn eine Vorbeschäftigung entweder sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder nur von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht keinen dieser drei Begriffe in seiner Entscheidung näher definiert und dies den Fachgerichten im Rahmen der jeweiligen Würdigung des Einzelfalls überlassen.

Konsequenzen der jüngsten BAG-Entscheidung

Mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war zu erwarten, dass das BAG im Grundsatz zu seiner bis 2009 gültigen Rechtsprechung eines zeitlich unbeschränkten Vorbeschäftigungsverbots zurückkehren würde. Die Frage war nur, ob das BAG im jetzt entschiedenen Fall einen der vom Bundesverfassungsgericht offen gelassenen Ausnahmesachverhalte annehmen würde.

Im entschiedenen Fall hatte der Kläger eine sogenannte Befristungskontrollklage (oder auch Entfristungsklage) erhoben. Der Kläger war bereits in den Jahren 2004 bis 2005 für etwa 1,5 Jahre bei der Beklagten, einer Automobilherstellerin, beschäftigt gewesen. Nun wurde er im Juli 2013, also nach einem Zeitraum von etwa acht Jahren erneut befristet eingestellt. Seine Tätigkeit war inhaltlich mit der in den Jahren 2004/2005 vergleichbar und in Anbetracht einer gesetzlich zulässigen sachgrundlosen Befristung von höchstens zwei Jahren war die erste befristete Beschäftigung mit 1,5 Jahren nach Ansicht des BAG auch nicht nur von kurzer Dauer gewesen.

Entscheidend war insoweit die Frage, ob eine acht Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung „sehr lang“ im Sinne des Bundesverfassungsgerichts zurückliegt. Das BAG hat dies im Ergebnis verneint.

Kein Vertrauensschutz für Arbeitgeber

Wichtig bzw. neu an der Entscheidung ist ein weiterer Gesichtspunkt: Das BAG hat es abgelehnt, Arbeitgebern Vertrauensschutz zu gewähren, wenn diese mit Blick auf die Rechtsprechung des BAG ab 2011, wonach eine Vorbeschäftigung die länger als drei Jahre zurückliegt, nicht unter das Vorbeschäftigungsverbot falle, mit demselben Arbeitnehmer erneut einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen haben.

Zur Begründung hat das BAG ausgeführt, dass seine eigene Entscheidung aus 2011 bereits eine Änderung der bis dato gültigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen sei und angesichts der massiven Kritik an der Entscheidung hätte man nicht darauf hätte vertrauen dürfen, dass diese geänderte Rechtsprechung Bestand haben würde.

Abgesehen von einem Vertrauensverlust in die höchstrichterliche Rechtsprechung vertrauen kann, stellten sich damit insbesondere für Arbeitgeber praktische Probleme: Bei sachgrundlos befristeten Neueinstellungen sollte darauf geachtet werden, den potentiellen Arbeitnehmer nach Vorbeschäftigungen im Unternehmen zu fragen. Soweit Daten ehemaliger Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gespeichert werden, um die Frage der Vorbeschäftigung ggf. selbst prüfen zu können, stellen sich mitunter Fragen des Datenschutzrechts.

Bei bestehenden befristeten Arbeitsverträgen kann es böse Überraschungen für den Arbeitgeber geben, jedenfalls wenn es im laufenden Arbeitsverhältnis Probleme gibt. Während der Arbeitgeber bei einer wirksamen Befristung für eine Trennung nur den Ablauf des Arbeitsvertrags abzuwarten bräuchte, sieht er sich jetzt möglicherweise mit einer Befristungskontrollklage konfrontiert und muss sich Gedanken machen, ob bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis die Voraussetzungen für eine Kündigung vorliegen. Der Arbeitnehmer hat möglicherweise Kündigungsschutz und wird auf eine Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage reagieren.

Aus Arbeitnehmersicht bietet die Entscheidung des BAG wiederum die Möglichkeit, mit einer Befristungskontrollklage von einem befristeten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu wechseln, wenn es einmal eine Vorbeschäftigung beim selben Arbeitgeber gegeben hat. Das BAG hat in seiner Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass der Arbeitnehmer bereits vor Ablauf des befristeten Arbeitsvertrags die Befristungskontrollklage erheben kann.

Im Ergebnis bringt also auch die neueste Entscheidung des BAG keine abschließende Rechtssicherheit und es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber sich zu einer wünschenswerten gesetzlichen Klarstellung durchringen kann.