Weggegangen, Platz vergangen?
Gesellschafterbeschlüsse unter Abwesenheit eines unverschuldet verhinderten Gesellschafters
Gesellschafterbeschlüsse unter Abwesenheit eines unverschuldet verhinderten Gesellschafters.
Ein Gastbeitrag von Sonja Dähnhardt
Unter welchen Voraussetzungen darf ein Gesellschafter die Verlegung einer Gesellschafterversammlung verlangen? Das OLG Jena stellte dafür kürzlich die Kriterien auf.
Stellen Sie sich vor, Sie sind als Gesellschafter an einem Unternehmen beteiligt. Nun sind Ferien und Sie fahren mit ihrer Familie in den wohlverdienten Urlaub ins Ausland. Kurz vor Ihrer Abreise wird für einen Termin während Ihrer Abwesenheit eine Gesellschafterversammlung einberufen. Obwohl sie um eine Verlegung gebeten haben, wird die Versammlung trotz ihrer Abwesenheit durchgeführt. Unter anderem werden die Geschäftsanteile umverteilt. So kommen Sie, nichts Böses ahnendes, aus dem Urlaub zurück und Ihre bisherige Gesellschafterstellung ist futsch.
„Das geht doch gar nicht“, mag sich jetzt der ein oder andere denken. Doch über solch einen Fall hat kürzlich tatsächlich das Oberlandesgericht Jena entschieden.
Der Ausgangsfall: Umgestaltung der Beteiligungsverhältnisse während der Abwesenheit der Klägerin
Nachdem der Beklagte, ein Kommanditist einer Kommanditgesellschaft (KG), zu einer Gesellschafterversammlung eingeladen hatte, deren Termin mitten in den Schulferien lag, teilte die Klägerin, eine Gesellschafterin der KG, diesem umgehend mit, dass sie sich wie seit langem geplant zu dieser Zeit im Ausland befinden werde. Da sie Wert auf eine persönliche Teilnahme lege, bat sie um eine neue Terminierung für die geplante Gesellschafterversammlung. Diesem Wunsch kam der Beklagte jedoch nicht nach.
Auf der Versammlung wurden zwei Gesellschafterbeschlüsse gefasst. Zum einen ging es um ein geplantes Investitionsvorhaben, bei dem die Fristen für eventuelle Fördermittel auszulaufen drohten. Der andere Beschluss betraf eine Korrektur des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse, da diesbezüglich offensichtliche Unrichtigkeiten beständen.
Nachdem die Klägerin aus der Gesellschaft ausgeschieden war, zog sie vor Gericht, um die Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung in ihrer Abwesenheit gefassten Beschlüsse feststellen zu lassen.
Auch nach Ausscheiden aus der Gesellschaft noch klagebefugt
Falls Sie sich in diesem Zusammenhang fragen, ob eine solche Klage auch noch möglich ist, nachdem die Klägerin bereits ihre Gesellschafterstellung verloren hatte: auch die Richter stellten sich diese Frage. Sie befanden, dass im Rahmen einer Feststellungsklage auch ein bereits vergangenes Rechtsverhältnis Klagegegenstand sein kann. Voraussetzung dafür ist, dass sich aus diesem zumindest auch Rechtsfolgen für die Zukunft oder die Gegenwart ergeben.
In der weiteren Urteilsbegründung unterschieden die Richter zwischen den beiden angegriffenen Beschlüssen.
Besondere Dringlichkeit geht Teilnahmerecht vor
Bezüglich des Beschlusses über die Bewerbung für Fördermittel handele es sich um eine Entscheidung die für die wirtschaftlichen Belange der Gesellschaft von Bedeutung war, jedoch keine weiteren direkten Auswirkungen auf die Klägerin hatte.
Folglich habe die Eiligkeit der Beschlussfassung aufgrund des drohenden Fristablaufs Vorrang vor dem Teilnahmerecht der Klägerin. Damit sei dieser Gesellschafterbeschluss sowohl formell als auch materiell nicht zu beanstanden und somit wirksam.
Keine Schikane durch Terminauswahl
Anders sahen die Richter es bezüglich des Beschlusses zur Korrektur des Gesellschaftsvertrages. Gerade bei Gesellschaften mit geringer Inhaberzahl sei eine Berücksichtigung der Teilnahmerechte aller Gesellschafter besonders geboten. Insbesondere dürfe die Terminierung nicht „willkürlich oder schikanös“ für einen der Gesellschafter sein. Die Klägerin habe rechtzeitig einen guten und nachvollziehbaren Grund vorgetragen, weshalb sie am Erscheinen gehindert war.
Vor allem sei ihre Verhinderung nicht auf eigenes Verschulden zurückzuführen. Da der Beschluss die Beteiligung der Klägerin an der KG und damit ihre berufliche Zukunft beeinflusst hat, und keine besondere Dringlichkeit für diese Beschlussfassung vorlag, sah der Senat eine Verletzung der Teilnahmerechte der Klägerin als gegeben, mit der Folge, dass der Beschluss fehlerhaft ist und damit als von Anfang an nichtig gilt.
Teilnahmerecht darf nicht einfach unterlaufen werden
Damit stellten die Richter des Oberlandesgerichts also klar, welch hoher Stellenwert den Teilnahmerechten insbesondere bei Gesellschaften mit wenigen Gesellschaftern zukommt. Im Vergleich zu Gesellschaften mit großen Gesellschafterzahlen haben diese den Vorteil, dass eine Abstimmung mit allen Beteiligten möglich ist. Von diesem Vorteil sollte nach Möglichkeit Gebrauch gemacht werden. Vor allem dann, wenn es um Beschlüsse geht, die von zentraler Bedeutung für einen der Gesellschafter sind, sodass dieser ein berechtigtes Interesse an der Teilnahme hat.
Sollte ein Gesellschafter an der Teilnahme unverschuldet verhindert sein, hat dieser also ein Recht, die Verlegung der Gesellschaft zu verlangen. Nur in Fällen besonderer Dringlichkeit kann nach Ansicht der Richter eine Abwägung der Interessen der Gesellschaft gegen das Teilnahmerecht des einzelnen Gesellschafters geboten sein.
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