Vorvertrag oder schon nachvertragliches Wettbewerbsverbot?
Manchmal eine schwierige Abgrenzung
Manchmal eine schwierige Abgrenzung
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Christian Westermann
Das Thema nachvertragliches Wettbewerbsverbot gibt immer wieder Anlass zu Streitigkeiten und beschäftigt die Gerichte – sei es im Vertriebsrecht (z.B. bei Handelsvertretern), im Gesellschaftsrecht bei Geschäftsführern oder wie auch jetzt wieder in einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Az. 10 AZR 130/18) im Arbeitsrecht.
Die Streitfragen sind dabei oftmals die gleichen: Der Arbeitgeber bzw. Unternehmer möchte sich vor unliebsamer Konkurrenz, insbesondere durch ehemalige Führungskräfte oder ehemalige Vertriebspartner, schützen. Der Arbeitnehmer oder der Handelsvertreter hinterfragt die Wirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots und möchte sich entweder davon lösen oder Ansprüche auf die sogenannte Karenzentschädigung geltend machen.
Vereinbarung eines „Vorvertrags“ im Arbeitsvertrag
Um die Karenzentschädigung ging es auch in dem vorliegenden Fall. Besonderheit war hier allerdings, dass die Vertragsparteien im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart hatten. Stattdessen hatten sie in den Arbeitsvertrag eine als „Vorvertrag“ bezeichnete Verpflichtung aufgenommen, wonach der Arbeitnehmer auf Verlangen des Arbeitgebers zu späterer Zeit ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot eingehen musste. Der Inhalt des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots war bereits in Form einer Anlage zum Arbeitsvertrag ausformuliert und wurde gleichzeitig mit dem Arbeitsvertrag unterschrieben. Solange das Arbeitsverhältnis nicht von einer Vertragspartei gekündigt worden war, sollte der Arbeitgeber das Recht haben, von dem Arbeitnehmer den Abschluss des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zu verlangen.
Nun kam es wie es kommen musste: Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis nach nicht einmal zwei Jahren, ohne zuvor den Abschluss der Vereinbarung über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verlangt zu haben. Der Arbeitnehmer allerdings sah bereits in der ursprünglichen Vereinbarung im Arbeitsvertrag ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Er erklärte gegenüber dem Arbeitgeber, dass er die Wettbewerbsbeschränkung einhalten werde und machte die Karenzentschädigung geltend. Mit seiner Klage hatte er allerdings in allen Instanzen keinen Erfolg.
Das BAG war wie die Vorinstanzen der Auffassung, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer lediglich einen auf die spätere Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gerichteten Vorvertrag geschlossen hatten. Das BAG hat dabei hervorgehoben, dass das gesetzliche Schriftformerfordernis für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit Arbeitnehmern aufgrund der damit verbundenen Warnfunktion auch für den Abschluss eines entsprechenden Vorvertrags gilt. Der Arbeitnehmer soll dadurch nämlich vor übereilten Entschlüssen im Hinblick auf sein zukünftiges berufliches Fortkommen möglichst bewahrt werden.
Entscheidend: der Zeitpunkt, bis zu dem der Arbeitgeber wählen kann
Kernpunkt der Entscheidung ist die Aussage, dass ein Vorvertrag in der hier zu entscheidenden Form keine unbillige Erschwernis für den Arbeitnehmer darstellt, so dass dem Arbeitnehmer nicht im Sinne von § 74a Abs. 1 S. 2 HGB das Wahlrecht zustand, auf eine Wettbewerbstätigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verzichten und dafür die Zahlung der Karenzentschädigung in Anspruch zu nehmen.
Zwar war das Zustandekommen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auch in diesem Fall von einer einseitigen Entscheidung des Arbeitgebers abhängig. Anders als in den Fällen eines einseitig bedingten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots (in denen das BAG ein Wahlrecht des Arbeitnehmers bejaht hat) werde der Arbeitnehmer hier jedoch nicht unzumutbar beeinträchtigt.
Maßgeblich für diese Entscheidung war der Punkt, dass der Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nur bis zur Erklärung einer Kündigung des Arbeitsvertrags durch eine Vertragspartei verlangt werden konnte.
Hätte dieses Recht dem Arbeitgeber auch noch nach einer Kündigung zugestanden, wäre die Entscheidung wohl anders ausgegangen. Denn würde sich der Arbeitnehmer entscheiden, eine Konkurrenztätigkeit aufzunehmen, so müsste er immer damit rechnen, dass der bisherige Arbeitgeber von ihm gemäß Vorvertrag den Abschluss eines Wettbewerbsverbots verlangt. Faktisch würde der Arbeitnehmer daher in der Regel eine Anschlussbeschäftigung wählen, die keine Konkurrenztätigkeit darstellt. Da der alte Arbeitgeber dann auf sein Recht aus dem Vorvertrag verzichten dürfte, käme dies in der praktischen Wirkung einem entschädigungslosen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nahe. So war es hier, wie ausgeführt, aber nicht.
Vorvertrag als neue Gestaltungsoption
Die Entscheidung eröffnet für Arbeitgeber neue Möglichkeiten dafür, sich die Frage, ob einem Mitarbeiter ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auferlegt werden soll, zunächst offen zu halten.
Dafür kann es berechtigte Interessen geben, z.B. wenn die zukünftige Entwicklung des Arbeitnehmers oder auch die zukünftige Entwicklung der wettbewerblichen Interessen des Arbeitgebers oder dessen finanzielle Leistungsfähigkeit bei Abschluss des Arbeitsvertrags noch nicht hinreichend absehbar sind. Dann lässt sich über das Modell des Vorvertrags die Entscheidung über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot aufschieben. Achtsamkeit ist aber insoweit geboten, als dass der Arbeitnehmer das nachvertragliche Wettbewerbsverbot durch eine vor der Entscheidung des Arbeitgebers ausgesprochene Eigenkündigung des Arbeitsvertrags abwehren kann.
Insoweit ist der Vorvertrag ein neues Mittel der vertraglichen Gestaltung bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten – wenn auch nicht ohne Risiko für den Arbeitgeber.