Wie ESG, CSR und SCR die Vorstandshaftung bestimmen
Verletzten Porsche und Investoren vor dem IPO (eigene) ESG-Standards?
Die Haftung des Vorstandes einer AG wird nicht nur von staatlichen Gesetzen bestimmt. Gilt dies auch für Standards und Normen halb-staatlicher und privater Institutionen? Wie sieht es hier mit Grundsätzen von ESG, CSR, SCG aus? Was hat das mit der Doppelfunktion vom Porsche-Vorstandsvorsitzenden Blume zu tun?
Autor: Dr. Ronny Jänig, LL.M. (Durham), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Berlin
Der Porsche-Börsengang ist auf der Zielgeraden. Doch plötzlich tauchen in der Presse Rumors auf, Porsche und Investoren würden ESG-Standards verletzen. Was es mit ESG, SCG und CSR auf sich hat und warum diese Begriffe auch für Pflichten und Haftung des Porsche-Vorstands nicht ganz unwichtig sind, lesen Sie hier.
Herkömmliche Pflichten des Vorstandes der AG
Die Pflichten des Vorstandes einer Aktiengesellschaft werden herkömmlicherweise in zwei große Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe sind die sogenannten Treupflichten. Die zweite Gruppe sind die sogenannten Sorgfaltspflichten.
Die Sorgfaltspflichten verlangen vom Vorstand, dass er das Unternehmen mit der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ leitet. Was ordentlich und gewissenhaft ist, ergibt für den Vorstand herkömmlicherweise aus Gesetzen, Verordnungen, Bescheiden und sonstigen staatlichen Akten. Hinzutreten klassische gesellschaftsinterne Regelungen, wie Satzung, Geschäftsordnung und Vorstandsvertrag.
Verletzt der Vorstand diese staatlichen und gesellschaftsinternen Regularien fahrlässig oder vorsätzlich, dann haftet er. Das ist die alte Welt.
Neue Pflichten des Vorstandes der AG
Die neue Welt ist indes viel größer und wächst seit Jahren stets und ständig. Neben die staatlichen und gesellschaftsinternen Regularien treten denn vermehrt Regularien internationaler, halb-staatlicher und nicht-staatlicher Akteure.
Zu nennen sind zunächst die bekannten OECD Principles on Corporate Governance, die UN Guiding Principles on Business and Human Rights, die UN Principles for Responsible Investment (UNPRI) aber auch der ISO 26000 on Guidance on Social Responsibility der International Organization for Standardization.
Aber auch die Regularien und Standards von Börsen, Rating Agenturen und Vermögensverwalter/Investoren, wie Pensionsfonds und Staatsfonds. Auch Sie bestimmten unmittelbar („Du willst gelistet sein, dann muss Du auch unseren Regeln folgen“) oder mittelbar („Du willst, dass wir investieren, dann musst Du unseren Standards entsprechen)“ das Handeln des Vorstandes.
ESG, CSR, SCG - Fanta4 reloaded
In jüngerer Zeit begegnet man dabei vor allem drei Anglizismen:
- Social Corporate Governance (SCG),
- Corporate Social Responsibility (CSR),
- Environmental, Social, Governance (ESG)
Allen drei Begriffen ist gemein, dass sie in auf eine nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensentwicklung abzielen. Nachhaltig und verantwortungsvoll deswegen, weil – so die Annahme - Unternehmen nur in Einklang mit Natur und gesellschaftlichen Mitakteuren langfristig prosperieren kann (und vielleicht auch sollte).
Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung sind wohlklingende und vielversprechende Dinge. Doch wenn man genauer hinschaut, gibt es nichts Konkretes bei den Akteuren zu sehen. So hält der Bundesverband Investment und Asset Management e.V. (BVI), der viele der in Deutschland tätigen Kapitalverwaltungsgesellschaften, Vermögensverwalter und Fondsanbieter vertritt, in seinen Wohlverhaltensrichtlinien vor, dass Fondgesellschaften ihr verwalteten Fonds nur als „nachhaltig“, „ethisch“, „ökologisch“ oder in ähnlicher Weise bezeichnen sollen, wenn sie ihre Investitionsentscheidungen nach in Fondsdokumenten festgelegten ESG-Strategien treffen. Die ESG-Strategie wird also von jedem Akteur selbst bestimmt. Wichtig ist nur, dass ESG draufsteht. Gleiches gilt häufig leider auch für SCG und CSR – Fanta4 lässt grüßen mit freundlichen Grüßen.
Softlaw - Maßstab für die Haftung des Vorstands?
Die zumindest bis heute in weiten Teilen bestehende Konturenlosigkeit der Begriffe Social Corporate Governance (SCG), Corporate Social Responsibility (CSR), Environmental, Social, Governance (ESG) rückt die Frage in den Fokus, inwiefern Standards und Regularien halb-staatlicher und nicht-staatlicher Akteure die Vorstandshaftung beeinflussen.
Die Antwort ist - jedenfalls im Ausgangspunkt - eigentlich ganz einfach: Der Vorstand ist nur zur Einhaltung derjenigen Standards und Regularien verpflichtet, zu deren Einhaltung sich die AG verpflichtet hat. Dies kann durch den Beitritt zu Institutionen (Börse) oder einseitigen Erklärungen gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit erfolgen.
Darüber hinaus muss der Vorstand bei seinem Handeln aber berücksichtigen, dass die Nichtbefolgung unverbindlicher, aber allseits anerkannter und bekannter Standards gravierende Auswirkungen auf das Ansehen der AG haben kann. Deutlich wird dies beim Blick auf die Informationsanforderungen der wenigen am Markt agierenden Rating Agenturen. Ohne Rating keine Finanzierung.
Doppelfunktion des Vorstandsvorsitzenden der Porsche AG
Was hat das alles nun mit dem Vorstandsvorsitzenden der Porsche AG zu tun? Ganz einfach: Aktuell ist der Vorstandsvorsitzende der Porsche AG zugleich der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG.
Jeder Manager weiß, dass diese Doppelfunktion unweigerlich Interessenkonflikte mit sich bringt. Interessenkonflikte vertragen sich aber gewöhnlich nicht mit guter „corporate governance“. Sie stehen, zumindest lose betrachtet, im Widerspruch zu den Grundsätzen von ESG, CSR, SCG.
Vermögensverwalter, Pensionsfonds und andere Investoren stellt die Doppelfunktion daher vor ein Dilemma – investieren und eigene Grundsätze über Bord werden oder nicht investieren und sich treu bleiben. Die Zukunft wird zeigen, was wirklich zählt. Aber auch die Aufsichtsräte von Porsche und VW müssen sich überlegen, ob die Doppelfunktion wirklich eine gute Idee ist.
Soft Law und die Zukunft für die Vorstandshaftung
Vorstände sollten sich darauf einstellen, dass Soft Law mehr als in der Vergangenheit in den eigenen Pflichtenkreis vordringen wird. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist auch Beleg dafür, dass Soft Law in Form loser Selbstverpflichtungen schnell zu Hard Law werden kann. Amen.