Virtuelle Online-Hauptversammlung wegen Corona
Beschlussfassung und Sitzungen in der AG im Schatten von Covid-19
Beschlussfassung und Sitzungen in der AG im Schatten von Covid-19
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig, LL.M. (Durham), Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Berlin
Versammlungen der Gesellschafter bzw. Aktionäre sind nach den Vorstellungen des AktG und GmbH-Gesetzes Präsenzveranstaltungen. Die Gesellschafter/Aktionäre einer Aktiengesellschaft sollen physisch zusammenkommen, um über die auf der Tagesordnung stehenden Punkte persönlich, gegebenenfalls durch einen Vertreter, zu beraten, zu diskutieren und zu entscheiden.
Das Aktiengesetz (und das GmbH-Recht) hatte indes nicht gesetzliche oder behördliche Einschränkungen von Versammlungsmöglichkeiten in Form von Quarantäne, Kontaktsperren oder Ausgangssperren vor Augen, als es die physische Anwesenheit der Aktionäre als zwingendes Muss statuierte.
Hauptversammlung als Präsenzversammlung
In der Hauptversammlung kommen zunächst die Aktionäre als Anteilseigner der AG zusammen. Darüber hinaus sollen nach dem AktG auch der Aufsichtsrat und der Vorstand in der Hauptversammlung anwesend sein.
Dies gründet sich darauf, dass die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat als Treuhänder der Aktionäre in der Hauptversammlung Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen sollen. So hat insbesondere der Vorstand in umfassender Weise Fragen der Aktionäre über die Geschäfte der Gesellschaft zu beantworten. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates ist gewöhnlich als Versammlungsleiter der Hauptversammlung einer der Hauptakteure in der Versammlung.
Trotz fortschreitender Digitalisierung und Globalisierung hält das Aktienrecht weiter daran fest, dass auch mindestens ein Aktionär (ungeachtet eines Beschlussquorums) physisch anwesend sein muss. Es existiert lediglich ein Flickenteppich einzelner Regelungen. Unter anderem sind dies: Elektronische Teilnahme an der Hauptversammlung, Stimmabgabe im Wege elektronischer Kommunikation; Teilnahme von Mitgliedern des Aufsichtsrates im Wege der Bild- und Tonübertragung, Zulassung der Bild- und Tonübertragung der Hauptversammlung. Die Regelungen setzen indes voraus, dass die Satzung eine entsprechende Bestimmung („Öffnungsklausel“, vergleiche § 118 AktG) vorsieht.
Online-Hauptversammlung, virtuelle Beschlussfassung
Die aktuellen gesetzgeberischen Aktivitäten zielen darauf ab, die Durchführung einer Online-Hauptversammlung (Teilnahme, Stimmabgabe, Anwesenheit Vorstand/Aufsichtsrat, Übertragung im Internet) nicht von entsprechenden Regelungen in der Satzung abhängig zu machen.
So soll der Vorstand der Aktiengesellschaft - auch ohne Ermächtigung durch die Satzung oder eine Geschäftsordnung - im pflichtgemäßen Ermessen über die Onlinedurchführung einer Hauptversammlung entscheiden können. Zu beachten ist, dass der Vorstand ein Gesamtorgan ist und es mithin einer Entscheidung durch den gesamten Vorstand im Wege der Beschlussfassung bedarf.
Nach aktuellem Stand ist die Durchführung einer Versammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten als virtuelle Hauptversammlung zulässig, sofern
- die Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung erfolgt,
- die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung möglich ist,
- den Aktionären eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt wird,
- den Aktionären, die ihr Stimmrecht nach Nr. 2 ausgeübt haben, in Abweichung von § 245 Nr. 1 des Aktiengesetzes unter Verzicht auf das Erfordernis des Erscheinens in der Hauptversammlung eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung eingeräumt wird.
Der Vorstand soll zudem vorgeben können, dass Fragen von Aktionären (§ 131 AktG) bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind.
Zustimmung des Aufsichtsrates, Online-Sitzung und Beschlussfassung
Die Durchführung der virtuellen Online-Hauptversammlung auf Betreiben des Vorstandes soll der Zustimmung des Aufsichtsrates unterliegen.
In diesem Zusammenhang soll auch der Aufsichtsrat „digitalisiert“ werden. Abweichend von § 108 AktG soll dann der Aufsichtsrat den Beschluss über die Zustimmung ohne physische Anwesenheit der Mitglieder schriftlich, fernmündlich oder in vergleichbarer Weise vornehmen können.
Weitere geplante Änderungen und Corona-Hinweise für die Praxis
Neben den vorgenannten Änderungen soll es eine Reihe von Begleitregelungen geben, unter anderem zu Fragen der Einladung (Frist, Nachweis), Zeitpunkt der Abhaltung der Hauptversammlung (Geschäftsjahr) und der Anfechtung von Beschlüssen.
Angesichts der derzeitigen Corona-Krise ist davon auszugehen, dass die vorgenannten geplanten Änderungen zügig Gesetz werden. Es ist zudem zu erwarten, dass diese Änderungen die Digitalisierung des Aktienrechts massiv vorantreiben wird.