Vertragspflichten in Krisenzeiten
Pandemie, Krieg und andere Fälle höherer Gewalt
Corona, Krieg und andere düstere Themen haben zweifellos einen erheblichen Einfluss auf unsere Wirtschaft. Der Gesetzgeber hat in Sachen Corona gegengesteuert, zum Beispiel mit Novellen im Gesellschafts- und auch im Gewerbemietrecht.
Die Gerichte hatten dann über Mietkürzungen aufgrund von Pandemiebedingten Beeinträchtigungen zu entscheiden. Im Zuge der Corona Pandemie kam ein rechtliches Konzept zum Vorschein, welches in den Vorjahren doch etwas in Vergessenheit geraten war, nämlich die sog. höhere Gewalt.
Dabei geht es ganz zentral darum, dass aufgrund der jeweiligen vertraglichen Risikoverteilung (z.B. Holzlieferant trägt Risiko, dass auf dem Weltmarkt Holz nicht oder nur zu prohibitiv hohen Preisen verfügbar ist) nicht vorschnell eine Partei sich ihrer Pflichten unter Verweis auf höhere Gewalt entledigen kann. Verträge sind einzuhalten und auch zu erfüllen, auch wenn das Geschäft im konkreten Fall defizitär wird. Aber natürlich versuchen die Marktteilnehmer unter Berufung auf höhere Gewalt sich ihrer Pflichten zu entledigen oder zumindest eine Verhandlungsposition aufzubauen. Dies geschieht insbesondere im Immobilienrecht, konkret bei Werkverträgen oder auch Immobilienkaufverträgen in Form des Bauträgervertrags.
Der Versuch, über die „Corona-Karte“ die Schadenersatzpflicht zu vermeiden
Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 24.5.2022 – 21 U 156/21) hat kürzlich zu diesem Phänomen im eine klare Entscheidung gefällt.
Hier hatte man zum Erwerb einer Wohnung einen Bauträgervertrag abgeschlossen. Die Bezugsfertigkeit der Wohnung wurde bis zum 30.6.2018 vereinbart, tatsächlich war Bezugsfertigkeit erst am 6.7.2020 gegeben. Der Käufer hatte notgedrungen eine Mietwohnung zu beziehen und verlangt diese Kosten als Schadensersatz. Der Verkäufer hielt dem entgegen, dass die verspätete Fertigstellung der Wohnung teilweise auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sei und er den Verzug deshalb nicht zu vertreten habe. Dies sei der Fall, weil im Jahr 2020 zeitweise ausländische Arbeiter nicht nach Deutschland einreisen und Baustoffe nicht geliefert werden konnten. Der Käufer entgegnete, er könne nicht erkennen, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie den Verkäufer tatsächlich beeinträchtigt hätten.
Eine klare Ansage des Kammergerichts
Das Gericht stellte zunächst fest, dass eine Vertragspartei eine verspätete Leistung nur dann nicht zu verschulden habe, soweit diese auf eine schwerwiegende und unvorhersehbare Änderung der wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Rahmenbedingungen zurückgehe und unabwendbar sei. Die rein abstrakte Möglichkeit derartiger Erschwernisse allein genüge aber nicht. Der Verkäufer müsse deshalb konkret darlegen, wie sich der schwerwiegende und unvorhersehbare Umstand, auf den er sich beruft, auf den Ablauf des Bauvorhabens ausgewirkt habe (sog. bauablaufbezogene Darlegung). Er müsse darlegen, welche Arbeitsabläufe von einem solchen Umstand wann und wie lange gestört wurden und wie dies konkret die Fertigstellung der Arbeiten beeinflusst habe. Dabei müsse er auch bauzeitbegünstigende Umstände beachten werden (zum Beispiel durch Vorziehen von Leistungen), da die höhere Gewalt ansonsten nicht ursächlich für den Verzug sei. Dem Verkäufer gelang es nicht, diese Anforderungen des Kammergerichts zu erfüllen, sondern er beließ es bei seinem pauschalen Berufen auf höhere Gewalt. Im Ergebnis muss er Schadenersatz wegen Verzugs zahlen.
Kein leichter Ausweg aus den Vertragspflichten
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung kann der Rat nur lauten: Vorsorge und gute Kommunikation mit dem Vertragspartner sind die besten Mittel. Ein einseitiger Schachzug mittels höherer Gewalt (Pandemie, Ukraine-Krieg, etc) wird, solange er nicht sehr sorgfältig vorbereitet wird und Substanz hat, für Irritationen und – wie die Entscheidung des Kammergerichts gezeigt hat – letztlich zu einer teuren Niederlage vor Gericht führen.