Untreue von VW-Vorstand

Was Vorstände aus dem BGH-Urteil lernen sollten

Freispruch der VW-Vorstände wegen Untreue aufgehoben - was Vorstandsmitglieder jetzt wissen müssen.

Veröffentlicht am: 16.01.2023
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Lesedauer:

Die bisher ergangenen Freisprüche gegen die VW-Vorstände wurden letzte Woche vom Bundesgerichtshof (BGH) aufgehoben, eine weitere Verhandlung wegen der Untreue-Vorwürfe steht aus. Worum geht es - und was sollten Vorstände und Betriebsratsmitglieder aus dem aktuellen Urteil lernen? 

Verurteilung der Vorstände wegen Untreue  

Was bisher geschah: Das Landgericht hatte zwei angeklagte ehemalige Vorstände von Volkswagen vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Hintergrund des Strafverfahrens waren die exorbitant hohen Gehälter, die die VW-Vorstände ihren Betriebsräten in den Jahren 2011-2016 gezahlt hatten. 

Dabei ging es um einen Schaden in Höhe von 4,5 Millionen Euro: Die Betriebsräte wurden von den Angeklagten in die Gehaltsklasse "Management" hochgestuft worden und hatten jährlich Bonus-Zahlungen in Höhe von 80.000 - 560.000 EUR erhalten. 

Begünstigungsverbot für Betriebsratsmitglieder 

Dabei sahen die Richter den strafrechtlichen Tatbestand der Untreue zwar als erfüllt an. Hintergrund war ein Verstoß gegen das sog. Begünstigungsverbot für Betriebsratsmitglieder. Dieses besagt, dass Mitglieder des Betriebsrates nicht besser gestellt, insbesondere nicht besser bezahlt werden dürfen, als andere ArbeitnehmerInnen mit im Übrigen vergleichbarer Tätigkeit. 

Hintergrund dieses Verbotes ist nicht zuletzt das große Missbrauchspotential und die Machstellung der Betriebsräte in großen Unternehmen. Sie verhandeln Konditionen für Ihre übrigen KollegInnen mit und sollen in deren Interesse handeln. Ein "Freikauf" der Unternehmen von Ihren Verpflichtungen vor dem Betriebsrat soll also durch diese Regelung gerade verhindert werden.

Der BGH bestätigte dieses Urteil insofern, als dass auch er den Tatbestand der Untreue bei einem Verstoß gegen das Begünstigungsverbot als erfüllt ansieht - bemängelte aber die Feststellungen auf tatsächlicher Ebene, die das Landgericht gemacht hatte. Insbesondere Kriterien für die Einordnung in verschiedene Gehaltsklassen seien nicht klar herausgearbeitet worden, so der BGH.

Dürfen Vorstände sich auf Berater verlassen? 

Erstinstanzlich hatten die Richter des Landgerichts zwar den Tatbestand der Untreue bejaht - aber Zweifel in Bezug auf den Vorsatz der betroffenen Manager. Die Vorstände hätten sich, so die Richter, bei der Einordnung der Betriebsräte in ihre jeweiligen Gehaltsklassen der von internen und externen Beratern verlassen und irrtümlich angenommen, dass die Gehälter für Betriebsräte "in Ordnung" seien und keine Pflichten verletzt würden. 

Auch hier bemängelte der BGH Lücken bei den Feststellungen des Landgerichts. Es habe den Vorsatz der Vorstände allein danach beurteilt, in welche "Gehaltsklasse" die Betriebsräte eingeordnet worden waren - nicht aber die jeweils erheblichen Bonus-Zahlungen in den Blick genommen. 

Bonus-Zahlungen für Betriebsräte 

Die Musik in den weiteren Verhandlungen dürfte sicherlich zurecht in der Frage um die erfolgten Bonus-Zahlungen an die Betriebsräte spielen. Denn, wie der BGH zurecht feststellt: Gehaltsklasse hin oder her, variable Boni müssen in jedem Fall gerechtfertigt und individuell festgelegt werden.

Hier dürfte insbesondere Vorstände im Bereich Personal und Gehalt eine Hauptverantwortung treffen, die möglicherweise sogar in ihre Kernkompetenz fällt und nicht ohne jede Rücksprache an (interne oder externe) Berater übertragen werden darf. 

Lektionen für Haftung des Vorstandes in der AG

Der Fall zeigt mal wieder, dass insbesondere Vorstände der Aktiengesellschaft einem besonderen Risiko auch strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sind, wenn sie gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen. Gerade in großen und mehrschichtigen Unternehmen passiert dies schnell - insbesondere, wenn sich auf die Leistung von internen oder externen Beratern gestützt wird. 

Vorstände sollten sich im Klaren sein, dass ihre Verantwortung nur in Maßen reduzierbar ist und insbesondere nicht etwa deswegen endet, weil kostspielige Berater hinzugezogen werden. Überwachungs- und Kontrollpflichten treffen sie weiter, vor allem bei den Kernkompetenzen des Vorstands. Strafrechtliche Verfolgungen können für die betroffenen Vorstandsmitglieder erhebliche Konsequenzen haben - nicht nur für das Privatvermögen und in Anbetracht einer etwaig drohender Haftstrafe, sondern auch für das berufliche Fortkommen: eine strafrechtliche Verurteilung kann zur Sperre des Vorstands für zukünftige geschäftsführende Tätigkeiten führen. 

Vorstände sollten daher ihre Rechte und Pflichten genau kennen - dazu gehören auch Pflichten und Regeln im Arbeitsrecht und gegenüber dem Betriebsrat. Die Haftung als Vorstand sollte darüber hinaus stets soweit wie möglich beschränkt werden. Und wo Aufgaben übertragen werden, sollte ein Compliance-System dazu führen, dass Vorstände ihre überbleibenden Pflichten einhalten und dies notfalls auch vor Gericht beweisen können.