Umgangsrecht wegen Schließung des Kindergartens?
Corona führt zu Notfallbetreuung durch den Vater
Corona führt zu Notfallbetreuung durch den Vater
Ein Beitrag von Rechtsanwältin Meltem Kolper-Deveci, Fachanwältin für Familienrecht
Corona-Zeiten sind Ausnahmezeiten – und das auch im Familienrecht. Ein gutes Beispiel dafür ist das jüngste Urteil des Amtsgericht München (Beschluss vom 26.03.2020, Az. 566 F 2876/20 ). Es entschied: Wenn das Wohl eines Kindes aufgrund des hohen Infektionsrisikos in der Kindertageseinrichtung nachhaltig berührt ist, kann eine vorläufige Abänderung der zwischen den Beteiligten geschlossenen Umgangsvereinbarung erforderlich sein.
Infektionsrisiko in Kindertagesstätten
Hintergrund der Rechtsstreitigkeit war folgender: Die geschiedenen Eltern übten das Sorgerecht gemeinsam aus und waren beide berufstätig. Das minderjährige Kind lebte bei der Mutter. Die hauptbetreuende Mutter war in einem systemrelevanten Beruf tätig und hatte für das Kind einen Not-Kita-Platz. Das Umgangsrecht des Vaters war durch familiengerichtlich gebilligte Vereinbarung geregelt (Umgang jedes 2. Wochenende und jeden 2. Mittwoch auf Donnerstag).
Der umgangsberechtigte Vater war aber Anfang des Jahres 2020 aufgrund der Beschränkungen im Zusammenhang mit Corona im Homeoffice und beantragte Umgang mit seinem Kind zur Vermeidung des Kita-Besuches in jenen Zeiten, in denen die Mutter arbeitsbedingt die Betreuung nicht wahrnehmen konnte.Er bestand darauf, das Kind in seiner Wohnung zu betreuen anstatt es in die Kita zu schicken und begründete dies mit dem hohen Infektionsrisiko in Kindertagesstätten. Das Amtsgericht München sah das offenbar ähnlich und
Amtsgericht München gibt Vater Recht
Dieses ordnet im Wege der einstweiligen Anordnung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung am 26.3.2020 an, dass der Vater berechtigt und verpflichtet ist, das Kind montags von 08.00 Uhr bis freitags 15.00 Uhr bis zum Ende der vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege beschlossenen bayernweiten Schließung von Schulen, Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen und Heilpädagogischen Tagesstätten zu sich zu nehmen. Für Zuwiderhandlungen werden Ordnungsgelder bis 25.000 EUR oder Ordnungshaft angedroht.
Auch nach Anhörung der Beteiligten hat das Gericht seinen Beschluss aufrechterhalten (AG München, Beschluss v. 21.4.2020). Es war von einer anderslautenden Argumentation der Mutter, die sich gegen die einstweilige Anordnung wehrte, nicht zu überzeugen.
Politische Entscheidung des Familienministeriums
Das Amtsgericht stützt sich insoweit auf eine Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 13.03.2020, wonach in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas eine erhebliche Ansteckungsgefahr stecke und eben auch Kinder Überträger des Coronavirus sein können.
Als Argumentation führt das Gericht auch eine politische Stellungnahme des Familienministeriums an. Am 16.03.2020 habe nämlich die Familienministerin ausdrücklich erklärt, dass die Ausbreitung der Infektionen in Schulen und Kitas besonders hoch sei und an die Bevölkerung appelliert, Notbetreuung in den Kitas für Kinder lediglich in Ausnahmefällen zu nutzen.
Bestimmungsrecht der Eltern verletzt?
Mit dem erlassenen Beschluss greift das Gericht in das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern ein. Insoweit wird im Einzelfall eine konkrete Abwägung erfolgen müssen. Wenn aber beide Eltern gemeinsam sorgeberechtigt sind und keine gravierenden Gründe vorliegen, die gegen eine Betreuung durch den Vater sprechen, wird man dem Gericht insofern zustimmen können, als dass eine häusliche Betreuung genutzt werden muss.
Immerhin gilt es weiterhin zu berücksichtigen, dass in die Abwägung auch die Gefährdung für die Gesundheit oder gar das Leben des Kindes einfließen muss. Das Kindeswohl dürfte vor den meisten weiteren Abwägungspunkten Vorrang genießen.