Täuschung durch Verschweigen beim Immobilienkauf
Rückabwicklungs- und Schadensersatzrisiko
Wie in allen zivilrechtlichen Verträgen gilt auch bei Immobilientransaktionen der Grundsatz, den Vertragspartner auch unaufgefordert über solche Umstände aufzuklären, die für den Käufer wesentlich sind, typischerweise, weil die Umstände die geplante Verwendung des Grundstücks unmöglich oder unrentabel machen.
Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 21.7.2017 – V ZR 250/15) entschied in der jüngeren Vergangenheit einen Fall, in dem der Kläger mehrere mit einem Gewerbepark bebauteGrundstücke erwarb. Wie in Grundstückskaufverträgen üblich, wurde die Gewährleistungshaftung ausgeschlossen.
Dem Verkäufer war bekannt, dass auf dem Grundstück über Jahrzehnte eine Asphaltmischanlage sowie ein Klärschlammrückhaltebecken betrieben worden waren.Diese Nutzung kam nach Übergabe des Grundstücks ans Licht. Der Kläger verlangte Schadenersatz in Höhe der Wertdifferenz zwischen dem Grundstück in mangelfreiem und mangelhaftem Zustand, knapp EUR 900.000, nebst Zinsen. Der Bundesgerichtshof gab ihm Recht.
Altlastverdacht aufgrund früherer Nutzung
Zwar sei nicht jedes Grundstück, dessen Nutzung als Industriegelände schon Jahrzehnte zurückliegt, von vornherein als altlastenverdächtig einzustufen. Anders liegt es aber, wenn die frühere Nutzung die Gefahr von erheblichen Schadstoffbelastungen begründet, wie etwa bei einer ehemaligen „wilden Müllkippe“. Auch die Nutzung eines Grundstücks als Werksdeponie in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ohne anschließende Entsorgung ist nach der Rechtsprechung ein offenbarungspflichtigen Sachmangel, weil bei einer Deponie immer die Möglichkeit in Rechnung gestellt werden muss, dass auf ihr auch Abfälle gelagert wurden, die wegen ihrer chemischen Zusammensetzung eine besondere Gefahr darstellen.
Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die frühere Nutzung der Fläche objektiv einen Altlastenverdacht und damit einen Sachmangel begründe. Denn allein das Risiko, durch Behörden für die Sanierung in Anspruch genommen zu werden und die durch den Altlastenverdacht verursachte Wertminderung sei nicht die übliche Beschaffenheit eines Grundstücks, die man erwarten könne. Es genüge dabei bereits, wenn der Altlastenverdacht zumindest konkret und naheliegend sei.
Dahinter steckt der Gedanke, dass dem Käufer durch die Offenbarung der früheren Nutzung gerade die Möglichkeit zur Untersuchung des Baugrundes und zur Abschätzung etwaiger Mehrkosten im Fall der Übernahme des mangelhaften Grundstücks gegeben werden.
Der Haftungsausschluss hilft bei Arglist nicht weiter
Der Verkäufer konnte sich nicht auf den oben erwähnten Haftungsausschluss berufen, da er den Mangel arglistig verschwiegen hatte (§ 444 BGB). Arglist liegt nicht nur bei Handeln in böser Absicht vor. Es genügt bereits, wenn der Verkäufer das Vorliegen eines erheblichen Mangels für möglich halte aber dennoch seine Erkenntnis nicht dem Käufer mitteilt. Es sei im Zivilprozess Sache des Verkäufers, diejenigen Umstände in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise zu konkretisieren, aufgrund derer er trotz unterbliebener eigener Aufklärung davon ausgegangen sein will, der Käufer habe Kenntnis von dem Mangel gehabt. Nichts anderes gelte, wenn der Verkäufer, der von einer früheren gefahrenträchtigen Nutzung des Grundstücks Kenntnis und einen daraus resultierenden Altlastenverdacht für möglich gehalten hatte, behauptet, er sei davon ausgegangen, dieser Verdacht sei ausgeräumt. In diesem Fall ist es Sache des beklagten Verkäufers, diejenigen objektiven Umstände zu konkretisieren und zu beweisen, auf denen diese Annahme beruhte.
Rechtsfolge: Anfechtung oder Schadenersatz
In Fällen der arglistigen Täuschung kann der Käufer den Vertrag über die Erklärung der Anfechtung rückabwickeln. Er kann aber auch die Immobilie behalten und Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts, alternativ der Mängelbeseitigungskosten, verlangen.
Auch wenn dies verkaufswilligen Eigentümern nicht gefallen wird, ist festzuhalten, dass ihn auch bereits bei nur potentiell mit Altlasten kontaminierten Flächen die Pflicht trifft, sein Wissen über die Historie des Grundstücks mit dem Kaufinteressenten zu teilen, auch auf die Gefahr hin, dass dieser abgeschreckt wird und bei einer Untersuchung des Bodens herausgekommen wäre, dass das Grundstücks altlastenfrei ist. Die Offenbarungspflicht besteht auch bereits dann, wenn dem Verkäufer keine konkreten Anhaltspunkte bekannt sind. Der Verkäufer kann sich in derartigen Fällen nur so retten, indem er beweist, dass er davon ausging, der Altlastenverdacht sei ausgeräumt, dies wird ihm tendenziell sehr schwer fallen.