Stundung des Pflichtteils

Manchmal, aber nicht immer!

Veröffentlicht am: 27.11.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Manchmal, aber nicht immer!

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Kolja Schlecht, LL.M., Fachanwalt für Erbrecht

Der Pflichtteilanspruch ist ein Anspruch, den der verpflichtete Erbe in Geld zu erfüllen hat. Insbesondere dann, wenn der Nachlass im Wesentlichen aus Immobilien besteht, können diese geerbten Grundstücke oder Wohnungen zwar hohe Werte darstellen, aber den/die Erben wegen der Auszahlung des Pflichtteils in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten bringen.

Das Gesetz sieht ausnahmsweise in bestimmten Härtesituationen die Möglichkeit vor, dem Erben das Hinausschieben/die Stundung der Zahlung des Pflichtteils zu gewähren. Grundsätzlich jedoch muss der Erbe für die Erfüllung der sofort fälligen Pflichtteilsansprüche sich für ihn finanziell negativ auswirkende Belastungen hinnehmen. Zum Beispiel reicht es für sich allein nicht für eine unbillige Härte aus, dass der Erbe gezwungen wäre, Vermögensgegenständen zur Unzeit oder Wertpapiere zum ungünstigen Kurs veräußern zu müssen oder wenn der Erbe für die Erfüllung der Pflichtteilansprüche Kredite aufnehmen müsste. Für eine Stundung müssen konkrete Härtegründe gegeben sein und die Interessen der Pflichtteilsberechtigten dürfen demgegenüber nicht überwiegen.

Anspruch auf Stundung des Pflichtteils

Gemäß § 2331a Abs. 1 BGB kann der Erbe dann die Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für ihn wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte darstellen würde, vor allem dann, wenn die Zahlung für den Erben zur Aufgabe des Familienheims zwingen würde.

In jedem Fall hat eine Abwägung der gegenläufigen Interessen des Erben und des Pflichtteilsberechtigten zu erfolgen.

Auch das Familienheim ist nicht immer sicher!

Das Oberlandegericht Rostock hat in einem im Juni 2019 ergangenen Urteil (Az. 3 U 32/17) gegen einen Stundungsanspruch einer Erbin entschieden und auch eine dann (behauptete) notwendige Veräußerung des Familienheims nicht als besonderen Härtegrund erkannt.

Hintergrund des zum Zeitpunkt des Urteils bereits 5 ½ Jahre andauernden Rechtstreits war ein Erbfall aus dem Jahr 2012, der in Teilen auch schon den Bundesgerichtshof „beschäftigt“ hat (IV ZR 229/18) und an das OLG Rostock zurückverwiesen worden war.

Die Beklagte ist die Tochter und Nichte der Kläger. Der Erblasser der Großvater der Beklagten und Vater der Kläger.

Die Beklagte war testamentarisch von ihrem Großvater als Alleinerbin eingesetzt worden. Da sie nach ihren Angaben sonst gezwungen wäre, das nach dem Erbfall von ihr und ihrer Familie bezogene Haus ihres Großvaters, das seither das Familienheim bildete, zu verkaufen, wollte sie unter anderem den Pflichtteilsansprüche ihrer enterbeten Mutter und ihres Onkels in Höhe von jeweils € 29.500 bis zum Jahr 2024 stunden lassen.

Dieses (wohl große und renovierungsbedürftige) Haus nebst Grundstück stellte den wesentlichen Vermögenswert des Nachlasses dar. Dieser dürfte sich – unter Berücksichtigung der Pflichtteile und der Pflichtteilsquoten der enterbten Kinder von jeweils ¼ - allenfalls zwischen € 120.000 und € 125.000 bewegt haben.

Umstände des Einzelfalls, Abwägung mit den Interessen des Pflichtteilsberechtigten

Grundsätzlich gilt, dass das betreffende Familienheim nicht schon zum Zeitpunkt des Erbfalls die Lebensgrundlage bilden muss, um in die Berücksichtigung eines unbilligen Härtegrundes zu fallen, sondern es genügt, wenn dies für die Zukunft der Fall ist.

Jedoch ist es nicht allein ausreichend, sich auf einen drohenden Verkauf eines Familienheims zu berufen, um die berechtigten Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten zu stunden. Die konkrete Beurteilung kann nur einzelfallbezogen erfolgen.

Das Oberlandesgericht Rostock kam im Rahmen seiner Abwägung zu dem Ergebnis, dass in dem vorliegenden Fall jedenfalls die Interessen der enterbten Pflichtteilsberechtigten vorgingen.

Die Erbin hatte das Grundstück vor ihrem Einzug mit einer Grundschuld belastet, um ein Darlehen zur Renovierung der nach ihren Angaben zufolge unbewohnbaren Immobilie aufzunehmen. Vor ihrem Umzug, verfügte die Erbin zudem über ein eigenes Familienheim, das sie für das Haus des Großvaters aufgab.

Auch Verschuldung und Arbeitslosigkeit müssen keine „Härte“ sein

Die Stundung begehrte die Erbin auch, weil sie verschuldet sei und ihr Ehemann arbeitslos. Sie trug auch vor, dass bis zum Jahre 2024 die Kinder „aus dem Gröbsten heraus seien“ und sie dann eine Leistung für möglich hielt.

Das Gericht befand die Gründe, die hinsichtlich des begehrten Zahlungsaufschubs dargelegt wurden, für keine ausreichend vorgetragenen, berechtigten und vor allem keine realistischen Tatsachen, die eine Stundung rechtfertigen würden.

Auch der Umstand, dass die Erbin vor ihrem Umzug in das geerbte Haus über ein eigenes Familienheim verfügte, wurde als Beleg dafür angesehen, dass gerade keine Notwendigkeit bestand, ein nach dem Vorbringen der Beklagten noch unbewohnbares Haus wieder bewohnbar zu machen, insbesondere nicht unter Aufnahme zusätzlicher finanzieller Belastungen.

Das Gericht ging auch davon aus, dass der Erbin bereits aufgrund ihrer seinerzeit begrenzten finanziellen Mittel hätte deutlich sein müssen, dass sie Fremdmittel in diesem Umfang kurzfristig nicht würde mobilisieren können.

Stattdessen hatte sie Kredite aufgenommen und für Arbeiten an dem nunmehrigen Familienheim aufgewendet, ohne die Befriedigung der Ansprüche der pflichtteilsberechtigten Mutter und ihres Onkels in Betracht zu ziehen.

Im Rahmen der Gesamtabwägung berücksichtigte das Gericht zudem, dass die beklagte Erbin, anstatt sich freiwillig erheblichen Investitionen zu unterwerfen, das Haus aufgrund eines ihr angebotenen Kaufpreise in Höhe von € 150.000 hätte veräußern können. Die Befriedigung der Pflichtteilsansprüche wäre der Erbin dann selbst unter Einbehalt eines erheblichen Geldbetrags möglich gewesen.

Konkretes Kaufangebot kann Indiz gegen eine unbillige Härte sein

Im Rahmen der Interessenabwägung bezog das Gericht letztlich auch das Alter der Pflichtteilsberechtigten mit ein. 2024 wären die Pflichtteilsberechtigten 59 und 62 Jahre alt und es sei ihnen nicht zumutbar, bis zu einem solchen Alter ihre berechtigten Ansprüche gegen ein Wohnbedürfnis der Erbin in einem „durchaus übergroßen Haus“ (so das Gericht) zurückzustellen.

Praxishinweis:

Es sollte im Erbfall, insbesondere bei Immobilien, rechtzeitig nach Möglichkeiten zur Befriedigung von Pflichtteilsansprüchen gesucht werden, gegebenenfalls auch durch Finanzierungen. Die Anforderungen an eine besondere Härte im Sinne des § 2331a BGB sind hoch und die Interessen der Pflichtteilsberechtigten überwiegen häufig. Härtegründe müssen daher so detailliert und belegbar wie möglich dokumentiert und vorgetragen werden.

In prozessualer Hinsicht gilt, dass bei einem streitigen Pflichtteilsanspruch über den Stundungsantrag, dieser vor dem Prozessgericht verhandelt wird und bei vom Erben unstreitig gestelltem Pflichtteilsanspruch das Nachlassgericht zuständig ist.