Steuerfreies Trinkgeld für Prokuristen?
Millionenzahlung im Zusammenhang mit einer Beteiligungsveräußerung
Trinkgeld ist steuerfrei. Da ist die Versuchung groß, es in der Steuererklärung etwas zu übertreiben.
Wer sich im Service viel Mühe gibt, erhofft sich von den Kunden meist ein "Trinkgeld", um seinen Arbeitslohn etwas aufzurunden. Die Frage, ob auch siebenstellige Zahlungen an Manager im Zusammenhang mit einer Unternehmenstransaktion als Trinkgeld zu behandeln sind, musste das Finanzgericht Köln entscheiden (FG Köln, Urteil vom 14. Dezember 2022, Az 9 K 2507/20 und 9 K 2814/20).
1,3 Mio. Euro Trinkgeld in der Einkommensteuererklärung
Ausgangspunkt für das nun in den Medien veröffentlichte Urteil waren die Steuererklärungen von zwei Prokuristen, die Zahlungen in Höhe von 1,3 Millionen Euro und 50.000 Euro von einem an einer GmbH beteiligten Unternehmen im Zusammenhang mit einer Beteiligungsveräußerung erhielten. In der Erklärung tauchten die Beträge als Trinkgelder auf und sollten entsprechend steuerfrei bleiben. Die beiden Großverdiener hatten offenbar in das Einkommensteuergesetz geschaut und den § 3 Nr. 51 EStG gefunden, der wie folgt lautet:
"Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist." (§ 3 Nr. 51 EStG).
Finanzamt sieht steuerpflichtigen Arbeitslohn
Das Finanzamt hatte nicht so viel Humor wie die Prokuristen und sah in den Zahlungen einen steuerpflichtigen Arbeitslohn. Freiwillige Leistungen seitens konzernverbundener Unternehmen, so die Finanzbehörde, können keine steuerfreien Trinkgelder sein. Es gebe zwar heute keine betragsmäßige Grenze mehr für Trinkgelder (diese betrug bis 2002 1.224 Euro), das bedeute aber nicht, dass Zahlungen in jeder Höhe als Trinkgeld in Frage kommen. Das Argument überzeugte die Prokuristen nicht. Es kam zum Einspruch gegen den Steuerbescheid und schließlich zur Klage vor dem Finanzgericht.
Trinkgelder sind den einfachen Serviceberufen vorbehalten
Auch das Finanzgericht stolperte über die Höhe des vermeintlichen Trinkgelds. Nicht nur die 1,3 Millionen, sondern auch die 50.000 Euro würden den Rahmen dessen sprengen, was nach dem allgemeinen Begriffsverständnis als Trinkgeld angesehen werde. Außerdem würden Trinkgelder klassischerweise überwiegend an eher niedrig entlohnt Berufe wie Kellner, Taxifahrer oder Friseure gezahlt. Geldgeschenke von hohem Wert seien jedenfalls keine steuerfreien Trinkgelder im Sinne des Einkommensteuerrechts.
Wer soll Millionen vertrinken?
Das Trinkgeld heißt so, weil der Knecht, der ein kleines Geldgeschenk vom Bauern erhielt, damit ein Getränk kaufen und auf das Wohl des Bauern anstoßen sollte. Auch wenn die Verwendung und Bedeutung des Trinkgelds heute anders ist, dürfte klar sein, dass große Geldgeschenke nicht darunter fallen. Dem Gesetzgeber ist es zwar nicht gelungen, den Begriff des Tinkgelds im Einkommensteuerrecht konkreter zu bestimmen. Solche unbestimmten Begriffe sind aber vernünftig im Rahmen einer Gesamtabwägung zu würdigen. Hätten die Steuerpflichtigen das gemacht, hätten sie der Finanzgerichtsbarkeit so einen abwegigen Fall erspart. Möglicherweise handelte es sich ja um eine "Trinkwette".
Offenbar wurde zudem übersehen, dass solche freiwilligen Zahlungen ohne Rechtsanspruch im Übrigen steuerpflichtige Schenkungen darstellen und alternativ zur Einkommensteuer dann halt zu Schenkungsteuer in Höhe von 30 Prozent geführt hätten.