Sorgerechtsentzug zur Elternsanktionierung?
Auf das Kindeswohl kommt es an
Das OLG Frankfurt am Main macht in einem aktuellen Beschluss deutlich, dass der Sorgerechtsentzug alleinig in einer Kindeswohlgefährdung begründet sein darf. Die Sanktionierung der Eltern für vermeintliches Fehlverhalten ist kein Zweck eines Sorgerechtsverfahrens.
Nach der Trennung mit gemeinsamen Kindern ist das Sorgerecht wohl einer der größten Konfliktpunkte zwischen den Ex-Partnern. Gute Sorgerechtsvereinbarungen können meist nur durch gegenseitiges Nachgeben und große Kompromissbereitschaft erzielt werden. Dass das Aufbringen dieser jedoch nicht immer einfach ist, liegt auf der Hand. In besonders schwerwiegenden Fällen kann das Gericht sogar den temporären Entzug des Sorgerechts für beide Elternteile anordnen. Dass hierfür jedoch besonders hohe Anforderungen gelten, zeigt ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.01.2025, Az. 1 UF 186/24).
Vertragt euch, Mama und Papa
Seit 2022 sind die Eltern der 12-, 10- und 7-jährigen Kinder getrennt. Ungefähr ebenso lange streitet sich das Ex-Paar über das Sorgerecht. Dieses übten sie bislang gemeinsam aus, allerdings leben die Kinder seit dem Getrenntleben der Eltern bei der Mutter. Mehrere Gerichtsverfahren blieben ergebnislos – statt Lösungen führten sie zu immer massiveren Konflikten. Ein dauerhafter Umgang des Vaters mit den Kindern konnte nicht etabliert werden. Laut dem Vater liegt die Schuld dafür bei der Mutter: Sie manipuliere die Kinder gezielt. Deshalb beantragte er zuletzt sogar das alleinige Sorgerecht.
Damit hatte er jedoch keinen Erfolg. Stattdessen entzog das Familiengericht nach weiteren Anhörungen der Kinder und anderer Beteiligter beiden Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und übertrug es dem Jugendamt. Die Kinder wurden in einer Wohngruppe untergebracht, in der die Eltern sie an den Wochenenden abwechselnd besuchen durften.
Was war eigentlich Zweck des Sorgerechtsentzug?
Die Entscheidung des Familiengerichts hatte nicht lange Bestand. Schon kurz nach der Beschwerde beider Eltern wurde das Sorgerecht wieder auf sie übertragen, und auch die Kinder kehrten in den Haushalt der Mutter zurück.
Der Entzug des Sorgerechtes sei unverhältnismäßig gewesen – so die Richter des OLG. Bei Maßnahmen dieser Art stehe das Kindeswohl als zentrales Schutzzweck im Mittelpunkt, welches einer sorgfältigen Abwägung bedürfe. Zwar wiege der hochkonflikthafte Streit der Eltern schwer, jedoch dürften die schwerwiegenden Entwicklungsrisiken für die Kinder nicht außer Acht gelassen werden. Die Unterbringung in einer Wohngruppe führe zu einer vollständigen Entwurzelung: Die Kinder verloren nicht nur ihr vertrautes Zuhause, sondern auch die Hauptbezugsperson – die Mutter –, sowie weitere Familienangehörige, Freunde und ihre Schule. Die elterlichen Konflikte rechtfertigten eine so weitreichende Maßnahme nicht. Insbesondere dürfe der Entzug des Sorgerechts nicht als Sanktion für das vermeintlich fehlerhafte Verhalten der Eltern dienen.
Kindeswohl als höchste Priorität
Eintscheidungen und Vereinbarungen im Sorgerecht und Umgangsrecht sind meist eine sensible Angelegenheit. Der Beschluss des OLG zeigt , dass ein vollständiger Entzug des Sorgerechts – selbst, wenn er nur temporär erfolgt – strengen Voraussetzungen unterliegt, die dem Kindeswohl dienen müssen. Dieses kann durch das Vorliegen von psychischer Gewalt gefährdet sein, wobei unter bestimmten Umständen auch die Manipulation oder Entfremdung der Kinder als ein solches Gefährdungsrisiko angesehen werden kann. Zur Annahme dessen genügten allein die Angaben des Vaters im Falle des OLG allerdings nicht. Damit fand der Sorgerechtsentzug seinen primären Zweck in den persönlichen Konflikten der Eltern – deren Klärung jedoch nicht Aufgabe einer Sorgerechtsentscheidung ist.