Sind AG-Vorstände schützenswerte Verbraucher?
Entscheidung zur Vergütungklausel im Vorstandsvertrag
Das OLG Frankfurt (Urt. v. 18.4.2018 – 4 U 120/17) hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Vergütungsklausel in einem Vorstandsanstellungsvertrag unwirksam war.
Der klagende Vorstand hatte mit der beklagten AG einen Vorstandsanstellungsvertrag abgeschlossen, der in ähnlicher Form allen Vorstandsmitgliedern der Beklagten vorgelegt wurde. Im Vertrag hieß es, dass der Aufsichtsrat dem Vorstandsmitglied nach billigem Ermessen und im Einklang mit geltendem Recht zusätzlich zum Jahresbruttogrundgehalt einen Bonus gewähren „kann“. Die Zahlung eines Bonus erfolge in jedem Fall freiwillig. Der Vorstand verlangte Zahlung eines Bonus für das Geschäftsjahr 2011, dessen Höhe er ins Ermessen des Gerichts stellt, mindestens aber EUR 600.000. Das OLG Frankfurt gab der Klage in Höhe von EUR 500.000 statt.
Das Gericht stellte heraus, dass § 3 des Anstellungsvertrags keinen Anspruch des Klägers auf eine Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats über eine variable Vergütung einräume, sondern deutlich zum Ausdruck gebracht werde, dass die Ermessensentscheidung über die Gewährung einer variablen Vergütung von dem Aufsichtsrat nicht getroffen werden „muss“, sondern in das Belieben des Aufsichtsrats gestellt wird.
Der Vorstand als weisungsgebundene Arbeitskraft
Das OLG bewertete diese Klausel als unangemessene Benachteiligung des Vorstands – und, da diese Klausel von der AG mehrfach verwendet wurde – als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB). Der Vorstand sei auch als Verbraucher im Sinne des AGB-Rechts anzusehen, da er in Abhängigkeit von der AG, vergleichbar mit einem Arbeitnehmer, arbeite. Der Vorstand einer AG, auch wenn er eine große Machtfülle hat, übt keine selbständige berufliche Tätigkeit im Sinne des § 13 BGB aus.
Daher sei die Bonusvereinbarung AGB-rechtlich zu prüfen und im Ergebnis nach § 307 Absatz I 1 BGB unwirksam. Ausgangspunkt für die Entscheidung des OLG Frankfurt, eine unangemessene Benachteiligung zu bejahen, war der Umstand, dass sich die Vereinbarung über eine variable Vergütung auch auf leistungsabhängige wesentliche Vergütungsbestandteile bezog, die der Größenordnung nach ein Vielfaches des im Vertrag festgelegten Jahresgrundgehalts des Klägers erreichen konnten. Es sei mit Blick auf die in § 611 Abs. 1 BGB enthaltene Regelung, dass für die geleistete Dienstleistung eine Vergütung zu zahlen unangemessen, wenn der Vorstand trotz Erbringung der Leistung und Erreichen der gesetzten Ziele eine wesentlicher Teil des Vergütungsanspruchs letztlich der Willkür des Aufsichtsrats unterlag.
Das Gericht berief sich sodann auf § 315 Abs. 1 BGB und bestimmte die Höhe der noch zu zahlenden variablen Vergütung auf EUR 500.000.
Achtung: AGB-Kontrolle ist allgegenwärtig
Die Entscheidung zeigt, dass die AGB-Kontrolle das gesamte Zivilrecht durchzieht. Nicht nur B2B Verträge (wie z.B. Lizenzverträge, Kauf- und Werkverträge) sondern auch Anstellungsverträge von Geschäftsführern und Vorständen unterliegen der strengen AGB Kontrolle deutscher Gerichte. Das Einfallstor ist § 310 Abs. 1 BGB. Hierüber transportieren die Gerichte Wertungen, die ursprünglich dem Verbraucherschutz dienten, in Geschäfte zwischen Unternehmen oder – wie hier – zwischen einer Aktiengesellschaft und einem geschäftserfahrenen Vorstand. Dies kann, je nach Interessenlage, zu einem bösen und teuren Erwachen führen.