Rückenwind für die Vermögenssteuer?
Aktuelles verfassungsrechtliches Gutachten
Der Reanimierung der Vermögenssteuer stehen weniger verfassungsrechtliche Bedenken, sondern vielmehr fehlende politische Mehrheiten im Wege.
Die Wiederbelebung der Vermögenssteuer ist ein fester Bestandteil der Diskussion um soziale Gerechtigkeit und Ungleichheit in Deutschland. Gestern forderte der DGB die Steuer und stützte sich dabei auf ein Gutachten des Berliner Staatsrechtlers Prof. Dr. Alexander Thiele, das von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegeben wurde.
Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz
Thiele sieht keine Probleme bei der Vereinbarkeit einer Vermögenssteuer mit dem Grundgesetz. Schließlich sei die Steuer ausdrücklich in Art. 106 Absatz 2 Nr. 1 GG erwähnt.
Gegen die Vermögenssteuer spreche auch nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 1995, die damals die Vermögenssteuer aussetzte. Verfassungswidrig war lediglich die konkrete Anwendung der Steuer, bei der etwa Grundbesitz zu Einheitswerten – und damit deutlich niedriger als andere Vermögenswerte – zur Steuer herangezogen wurde.
Der DGB hält eine Vermögenssteuer aufgrund des in der Verfassung in Art. 20 GG verankerten Sozialstaatsprinzips sogar nicht nur für zulässig, sondern auch für geboten. Thiele sieht in einer zu großen sozialen Ungleichheit sogar eine Gefahr für die demokratische Ordnung.
Nicht das Recht, sondern die Politik entscheidet
Aus rechtlicher Sicht bringt das Gutachten wenig neue Erkenntnisse. Es stellt vielmehr den Versuch dar, den Gegnern der Vermögenssteuer, die in der Debatte reflexartig verfassungsrechtliche Bedenken vorschieben, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das Ob und Wie der Vermögenssteuer entscheidet sich (zunächst) nicht vor Gericht, sondern in den Parlamenten. Und dort gibt es aktuell keine Mehrheiten für die Besteuerung des Vermögens.