Plattformarbeiter als Arbeitnehmer
Europäisches Parlament einigt sich auf Richtlinie
Plattformarbeiter sind arbeitsrechtlich nicht ausreichend geschützt. Das EU-Parlament will das ändern und hat eine entsprechende Richtlinie auf den Weg gebracht.
In einer zunehmend digitalisierten Welt spielen Plattformarbeiter eine immer bedeutendere Rolle. Ob Lieferanten für Lieferdienste wie Deliveroo, Fahrer für Fahrdienste wie Uber, oder Freelancer auf Plattformen wie Upwork und Fiverr - sie alle sind Teil einer immer größer werdenden Branche. Plattformarbeiter erledigen Aufgaben aller Art, von der Essenszustellung über die Personenbeförderung bis hin zu einfachen IT-Aufgaben.
Arbeitsrechtlicher Schutz für Plattformarbeiter?
Die Plattformarbeiter stellen für das deutsche Arbeitsrecht eine Herausforderung dar. Für einen Arbeitsvertrag im Sinne des § 611a BGB muss der Arbeitnehmer weisungsgebunden sein. Diese Weisungsbindung kann sich in fachlicher, zeitlicher, aber auch örtlicher Hinsicht zeigen. Dies sind allerdings alles Aspekte, die der typische Plattformarbeiter nicht erfüllt. Im Ergebnis fehlt ihm der arbeitsrechtliche Schutz.
Obwohl die Selbstständigkeit der Plattformarbeiter in der Regel selbst gewählt ist, ist ihre Schutzbedürftigkeit unbestritten. Einseitige Vertragsbedingungen, Sanktionen des Plattformbetreibers und des Auftraggebers, Bezahlung unter dem Mindestlohn und viele weitere Aspekte befördern den Arbeiter in eine strukturell schwächere Position. Ein Ausgleich dieser schwächeren Position wird, anders als bei den klassischen Arbeitnehmern, nicht durch arbeitsrechtliche Schutzvorschriften gewährleistet. Dieser fehlende arbeitsrechtliche Schutz ist nicht nur ein Problem Deutschlands. In den wenigsten EU-Ländern qualifizieren sich Plattformarbeiter als Arbeitnehmer. Das Problem sieht jetzt auch das Europäische Parlament.
Neue Richtlinie zum Schutz von Plattformarbeitern
Auf dieser Grundlage einigte sich am 8.März 2024 das Europäische Parlament auf eine Richtlinie zum Zwecke der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitern. Darin wird unter anderem vorgesehen, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen Plattform und Plattformarbeiter fingiert wird, wenn Tatsachen, die auf die Kontrolle und Steuerung hindeuten, festgestellt werden. Das sorgt dafür, dass Plattformarbeiter in aller Regel Arbeitnehmer sind und nur in Ausnahmefällen als Selbstständige gesehen werden.
Änderungen für das nationale Recht
Die Merkmale der „Kontrolle“ und „Steuerung“ aus der Richtlinie kommen sehr nah an die deutschen Arbeitnehmermerkmale der „Eingliederung“ und „Weisungsgebundenheit“. Daher verändert sich am nationalen Arbeitnehmerbegriff nicht all zu viel. Allerdings muss die „Fingierung“ eingefügt werden. Nachdem der Europäische Rat der Richtlinie zugestimmt hat, hat der deutsche Gesetzgeber zwei Jahre Zeit, um eine Vermutungsregel in das deutsche Arbeitsrecht hinzuzufügen.
Vorsicht vor der Scheinselbstständigkeit
Dass Plattformarbeiter als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind, ist keine neue Erkenntnis. Der BAG hat bereits in der Vergangenheit vereinzelt Plattformarbeiter zu Arbeitnehmern erklärt. Es ist bereits jetzt, noch vor der Richtlinienumsetzung, darauf zu achten in welchem Arbeitsverhältnis der vermeintliche Arbeitnehmer steht, um eine Scheinselbstständigkeit zu vermeiden. Für diese Beurteilung ist allein die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit maßgeblich.