Plastikputten, Messingrosen, Nippes aller Art
Wer entscheidet über Vatis Grabschmuck? Die Rechtsposition des Totenfürsorgeberechtigten nach dem BGH
Wer entscheidet über Vatis Grabschmuck? Die Rechtsposition des Totenfürsorgeberechtigten nach dem BGH-Urteil vom 26.02.2019, VI ZR 272/18
Ein Beitrag von Ralph Butenberg, Fachanwalt für Erbrecht in Hamburg
Die Gestaltung des Grabes der verstorbenen Person führt mitunter zu Konflikten. Regelmäßig bestehen im Familien- und Freundeskreis unterschiedliche Auffassungen über die im konkreten Fall angemessene Wahl der Grabstelle sowie deren Dekoration - die Geschmäcker sind eben verschieden. Die Kontroversen sind vielzählig und werden entschlossen und erstaunlicherweise oftmals auch gerichtlich ausgefochten. Beispielsweise stellt die Nichte des Verstorbenen mit Dekorationsengeln aus Kunststoff und Plastikblumen auf dem Grab im Friedwald den Geschmack der Witwe auf die Probe, Messingrosen und Weihnachtsherzen strapazieren das ästhetische Empfinden und die Nerven der Hinterbliebenen, FreundInnen einer Verstorbenen fühlen sich berufen, das (testamentarisch als solches angeordnete!) anonyme Grab der Verstorbenen mit einer Grabplatte mitsamt namentlicher Inschrift zu versehen.
Wer bestimmt über die Gestaltung der Grabstelle?
Die Rechtslage ist jetzt klar: Die Entscheidung über Art und Ort der Bestattung, über die Bestattungsfeier und auch über den Zugang zu Bestattungsfeier trifft allein die Person, die nach dem zu Lebzeiten geäußerten Willen des Verstorbenen die Totenfürsorge innehaben sollte (BGH-Urteil vom 26.02.2019, VI ZR 272/18; auch bereits AG München, Urteil vom 11.06.2015, 171 C 12772/15). Alle inhaltlichen Weisungen des Verstorbenen beispielsweise zum Ort seiner Bestattung sind zwingend zu beachten. Fehlt es an einer entsprechenden Willensäußerung, so sind regelmäßig die nächsten Angehörigen befugt (BGH-Urteil vom 26.02.1992, XII ZR 58/91; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 19.06.2018, 6 O 1949/18).
Totenfürsorgerecht ist ein absolutes Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB
Bislang war in der untergerichtlichen Rechtsprechung nicht durchgehend sicher, ob und wem und auf welcher Rechtsgrundlage bei unerwünschten Eingriffen in die Gestaltung etwa des Grabes das Letztbestimmungsrecht zukommen sollte. Ausgehend von dem öffentlich-rechtlichen Grabnutzungsrecht wurden dem Nutzungsberechtigten der Grabstelle Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegen unerwünschten Grabschmuck durch dritte Personen eingeräumt, die allerdings Einschränkungen durch den Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben erfuhren (AG Bergen auf Rügen, Urteil vom 29.10.2014, 25 C 133/14; sowie zusammenfassend Stelkens/Wabnitz, Pietät, Totenfürsorge, Totenruhe und postmortales Persönlichkeitsrecht in der neueren Rechtsprechung zum Friedhofs- und Bestattungsrecht, WiVerw 2016, 11 ff.).
Nunmehr konstatiert der BGH deutlich, dass das Totenfürsorgerecht ein eigenes Recht des Totenfürsorgeberechtigten gemäß § 823 Abs. 1 BGB ist (BGH-Urteil vom 26.02.2019, VI ZR 272/18, unter II. 3.a) aa) der Entscheidungsgründe). Es gilt damit umfassend und gegen jedermann und ist insbesondere nicht von einer irgendwie gearteten Interessenabwägung zwischen dem (vermutlichen) Willen des Verstorbenen und den Interessen weiterer Beteiligter zu bestimmen (so auch Wendt, Anmerkung zu BGH-Urteil vom 26.02.2019, VI ZR 272/18, ErbR 2019, 495 f.).
Folgewirkungen: Unmittelbare Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadenersatzansprüche des Totenfürsorgeberechtigten
Das Totenfürsorgerecht als so genanntes absolutes Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB gewährt seinem Inhaber Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegen alle Personen, die die vom Totenfürsorgeberechtigten hergestellte Gestaltung der Grabstelle stören. Daneben kann der Berechtigte Schadenersatz gegen Störer geltend machen. Als Schadenersatzpositionen kommen die unmittelbaren Beseitigungskosten, aber auch die vom Berechtigten zur Rechtsdurchsetzung aufgewendeten Rechtsanwaltskosten in Betracht. Dabei entstehen diese gesetzlichen Ansprüche bereits unmittelbar mit der ersten Beeinträchtigung des Totenfürsorgerechts. Einer irgendwie gearteten Aufforderung zur Beseitigung oder Fristsetzung durch den Berechtigten bedarf es nicht.
Wir führen derzeit In Hamburg Verfahren über Störungen der Rechte von Inhabern der Totenfürsorge und werden an dieser Stelle weiter berichten. Bei Nachfragen stehe Ihnen unsere Fachanwälte für Erbrecht in Berlin, Hamburg und München gern zur Verfügung.