Vorsicht bei Schenkungen an Ehegatten

Keine 10-Jahresfrist bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Ungleichbehandlung von Schenkungen an Ehegatten und Schenkungen an Dritte nicht gegen das Grundgesetz verstoße.

Veröffentlicht am: 18.04.2019
Qualifikation: Fachanwalt für Erbrecht in Hamburg
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Pflichtteilsergänzungsanspruch und 10-Jahres Frist

Enterbten Pflichtteilsberechtigten können Pflichtteilsergänzungsansprüche zunächst gegen die Erben zustehen, sofern der Nachlass durch lebzeitige unentgeltliche Verfügungen (zum Beispiel Schenkungen) des Verstorbenen geschmälert wurde.

Die zu Lebzeiten abgeflossenen Werte können für die Berechnung von Ergänzungsansprüchen der Pflichtteilsberechtigten dem tatsächlichen Nachlass hinzuzurechnen sein. Hierdurch kann es zu nicht unerheblichen Geldforderungen der in der Regel Enterbten kommen, die auch über den tatsächlich vorhandenen Nachlass hinausgehen können.

Bei unentgeltlichen Verfügungen an Dritte schmilzt jedoch grundsätzlich der ausgleichspflichtige Wert der Schenkung bis zum Tod des Schenkers je vergangenem Jahr nach der unentgeltlichen Verfügung um 10 % ab, mit der Folge, dass die Schenkung nach 10 Jahren nicht mehr für etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche berücksichtigt werden kann. Handelt es sich jedoch um lebzeitige Übertragungen an den Ehegatten, beginnt bis zur Auflösung der Ehe keine Frist zu laufen. Das bedeutet, dass Schenkungen unter Eheleuten auch noch 20 oder mehr Jahre nach der Schenkung dem „fiktiven“ Nachlass hinzugerechnet werden können.

Schenkung an Dritte setzen Zehn-Jahres-Fristen in Gang

Verschenkt der Erblasser beispielsweise 11 Jahre vor seinem Tod eine hochwertige Immobilie an seinen besten Freund oder eines seiner Kinder, haben enterbte Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich keine Möglichkeit mehr, Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen dieser Immobilienschenkung geltend zu machen.  Wären seit der Schenkung bis zum Tod des Schenkers erst 8 Jahre verstrichen, würden noch 20% des zu berücksichtigenden Wertes der Immobilie als dem Nachlass hinzuzusetzender Wert in Ansatz zu bringen sein.

Hätte der Erblasser diese Immobile hingegen seiner Ehefrau geschenkt,  würde nach § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB der entsprechend anzusetzende Wert dieser Schenkung in der Regel vollständig in die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs  einzubeziehen sein.

Bundesverfassungsgericht: Ungleichbehandlung ist verfassungsgemäß

In dem entschiedenen Fall, der seit dem Jahre 2011 beim Landgericht Berlin (23 O 356/11) anhängig war, ging es im Kern um eine Schenkung eines mit einem Mietshaus bebauten Grundstücks mehr als 10 Jahre vor dem Tod des Erblassers an seine Ehefrau.

Der enterbte Sohn aus 1. Ehe hatte zur Geltendmachung seiner Pflichtteilsergänzungsansprüche die testamentarischen Erben, die Ehefrau und deren aus der Ehe mit dem Verstorbenen stammenden gemeinsamen Sohn, auf Auskunft über die wertbildenden Faktoren des verschenkten Grundstücks verklagt.

Seiner Klage war sowohl vom Landgericht als auch in der Berufungsinstanz (KG Berlin Urteil vom 25.03.2014 – 27 U 44/13)  stattgegeben worden.

Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 26.11.2018 vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Das Bundesverfassungsgericht erkannte in der Ungleichbehandlung von Schenkungen an Ehegatten zu Schenkungen an Dritte keine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (Schutz der Ehe und Familie) oder  von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (allgemeiner Gleichheitssatz).

Zur Begründung führte das Bundesverfassungsgericht unter anderem aus, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums davon ausgehen durfte, dass typischerweise bei einer Schenkung an nichteheliche Lebensgefährten und Kinder keine gleichermaßen dauerhafte Erwartung der Weiternutzungsmöglichkeit besteht wie bei Ehegatten. Die wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten und die aus der Ehe resultierenden gegenseitigen Ansprüche könnten zur Grundlage der Ungleichbehandlung von Dritt- und Ehegattenschenkungen gemacht werden. 

Verjährung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen gegen Beschenkten

Pflichtteilsergänzungsansprüche sind grundsätzlich gegen den Erben geltend zu machen.

Sofern der Erbe nicht zur Pflichtteilsergänzung verpflichtet sein sollte, zum Beispiel, wenn der Erbe selbst Pflichtteilsberechtigter ist und die Ergänzung des Pflichtteils so weit verweigern kann, dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt, kann der Pflichtteilsberechtigte von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks fordern.

Unbedingt zu beachten ist, dass Ansprüche gegen den Beschenkten innerhalb von drei Jahren nach dem Tod des Erblassers  und vor allem unabhängig von einer Kenntnis der Schenkung verjähren! Die Verjährungsfrist beginnt taggenau mit dem Todestag des Schenkers.