Nachträgliche Vaterschaftsanfechtung
- so weit reicht das Recht der Mutter!
- so weit reicht das Recht der Mutter!
Ein Beitrag von Fiona Schönbohm
Wer die Mutter eines Kindes im Rechtssinne ist, lässt sich bei Geburt einfach bestimmen: die Frau, die es zur Welt gebracht hat. Den Vater des Kindes festzulegen ist dagegen nicht ganz so einfach, denn der biologische Vater ist nicht notwendigerweise auch rechtlicher Vater – dies kann insbesondere stattdessen auch der Ehemann der Mutter sein. Wer entscheidet aber über die Vaterschaft, wenn biologischer und rechtlicher Vater auseinanderfallen? Der Bundesgerichtshof (BGH) stärkt in seiner jüngsten Entscheidung im Familienrecht in dieser Konstellation nun die Rechte der Mutter (Beschluss vom 18.03.2020, Az. XII ZB 312/19).
Hin und her zulasten des Kindes?
Der Entscheidung des BGH lag eine bizarre und dennoch vor allem vor Familiengerichten nicht ganz unübliche Konstellation zugrunde: Die Klägerin aus Bayern war über Jahre in einer sogenannten „On-Off-Beziehung“ mit einem Mann. Die beiden trennten sich immer wieder. In einer etwa halbjährigen Beziehungspause wurde die Frau von einem anderen Mann schwanger. Noch während der Schwangerschaft kam sie wieder mit ihrem ursprünglichen Partner zusammen und heiratete ihn.
Bei der Geburt des Kindes war ihr Ehemann damit Vater im Rechtssinne – obwohl er nicht der biologische Vater war. Doch das Eheglück hielt nur kurz an. Nach einem weiteren Jahr reichten die beiden die Scheidung ein und die Frau beantragte die Feststellung, dass ihr Ex-Mann nicht der Vater des Kindes sei.
Recht der Mutter zur Anfechtung der Vaterschaft
Hintergrund ist die deutsche Regelung für die Vaterschaftsanfechtung. Diese kann einerseits durch das Kind selbst erklärt werden (sobald es alt genug ist) oder im Namen des Kindes durch die Mutter als seine Vertreterin. Aber auch die Mutter des Kindes hat ein eigenes Anfechtungsrecht.
Die einzige Bedingung für die Anfechtung durch die Mutter ist, dass sie in den ersten zwei Jahren nach der Geburt des Kindes erklärt wird – ab dem zweiten Lebensjahr gehen Entwicklungspsychologen von einer starken Bindung an den Vater aus, die nicht ohne weiteres aufgehoben werden soll.
Die Verfassung schützt Kind und Mutter
Hinter diesen gesetzlichen Regelung stehen vor allem grundrechtlich geschützte, widerstreitende Interessen der Betroffenen, die aus Artikel 6 des Grundgesetzes (GG) entspringen. Es galt einerseits, das Recht des Kindes auf Erhalt seiner rechtlichen und sozialen familiären Zuordnung zu schützen. Andererseits ist auch die elterliche Sorge der Mutter in Artikel 6 Absatz 2 GG ausdrücklich dem Schutz des Grundgesetzes unterstellt.
Der BGH bestätigte nun, dass der Gesetzgeber diese widerstreitenden Interessen gesehen und mit der zweijährigen Anfechtungsmöglichkeit der Mutter gelöst hat. Vor diesem Hintergrund aber sollen gerade keine weiteren Bedingungen hinzutreten müssen, damit die Mutter die Vaterschaft anfechten kann.
Auch einen Fall des Rechtsmissbrauchs, wie es noch der Rechtsanwalt des Mannes behauptet hatte, sahen die Richter nicht. Eine ausnahmsweise seelische Beeinträchtigung des Kindes im konkreten Einzelfall sei ebenfalls nicht ersichtlich. Allerdings, so die Richter, könne und müsse den Interessen des Mannes durch die Einräumung eines Umgangsrechtes Rechnung getragen werden.