Kritische Gesellschafterversammlungen
Wenn die Geschäftsführung attackiert wird
Wenn die Geschäftsführung attackiert wird
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Finn R. Dethleff
Mit Urteil vom 11. Juli 2018 (Az.: 8 U 108/17) hat das OLG Hamm entschieden, dass es einem Gesellschafter erlaubt sei, auch in massiver und überspitzter Weise Kritik an der Geschäftsführung zu üben, um hierdurch Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft zu nehmen.
Aufstand des Kommanditisten
Der Kläger war als Kommanditist an einem geschlossenen Fonds in Form einer GmbH & Co. KG beteiligt. Neben dem Kläger hatten etwa 120 weitere Kommanditisten Geld in den Fond investiert. Das Verhältnis des Klägers zu den Initiatoren des Fonds, insbesondere zu der Geschäftsführung der Komplementärin, verschlechterte sich zusehends, und der Kläger warf der Komplementärin auf Gesellschafterversammlungen „unredliches Geschäftsgebaren und das Ansinnen einer Bereicherung auf Kosten der Anleger“ und deren Geschäftsführung „Stimmenkauf“ und „Täuschung der Kommanditisten“ vor.
Um seine Einflussmöglichkeiten in der Gesellschafterversammlung zu steigern, plante der Kläger die Übernahme von Kommanditanteilen anderer Gesellschafter. Die Geschäftsführung der Komplementärin verweigerte jedoch die für eine wirksame Übertragung der Kommanditanteile erforderliche Zustimmung mit der Begründung, der Kläger habe sich durch die abfälligen Äußerungen auf den Gesellschafterversammlungen pflichtwidrig verhalten.
Die Komplementärin argumentierte, sie habe im Interesse der Gesamtheit der Kommanditisten zu verhindern, dass der Kläger seinen Einfluss in der Gesellschaft durch den Zuerwerb von Kommanditanteilen erweitere. Die diffamierenden Äußerungen des Klägers gegenüber der Geschäftsführung des Fonds hätten die Grenzen einer sachlichen Auseinandersetzung und die Wahrnehmung berechtigter Interessen überschritten.
Die auf Zustimmung zur Anteilsübertragung gerichtete Klage wurde erstinstanzlich durch das LG Essen abgewiesen. In der Berufungsinstanz (OLG Hamm) hatte die Klage dann überwiegend Erfolg.
Der "wichtige Grund" im Gesellschaftsvertrag
Das OLG Hamm entschied unter anderem, dass ein nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlicher wichtiger Grund für die Verweigerung der Zustimmung nicht gegeben war.
Ein (nicht näher definierter) wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung zu einer Anteilsübertragung sei etwa anzunehmen, wenn in der Person des potenziellen Erwerbers ein wichtiger Grund zu dessen Ausschluss aus der Gesellschaft im Sinne der §§ 133,140 HGB vorläge. Nach den Regelungen des streitgegenständlichen Gesellschaftsvertrages konnte ein Gesellschafter ausgeschlossen werden, wenn er in grober Weise seine Verpflichtungen aus dem Gesellschaftsverhältnis verletzt und den anderen Gesellschaftern die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit ihm nicht mehr zuzumuten ist.
Das OLG Hamm war vorliegend der Auffassung, dass der Kommanditist mit seinen kritischen Äußerungen auf der Gesellschafterversammlung nicht pflichtwidrig gehandelt habe. Vielmehr sei es ihm erlaubt, gesellschaftsintern auch in massiver und überspitzter Weise Kritik an der Geschäftsführung einer Komplementärin zu üben, um Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaften zu nehmen. Seine Kritik dürfe er dabei durch wahre Tatsachenbehauptungen und Werturteile zum Ausdruck bringen, solange die Schwelle zur unzulässigen Schmähkritik nicht überschritten wird.
Eine Äußerung nimmt dann den Charakter der Schmähung an, wenn ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.
Das zulässige Maß der Kritik werde zudem einerseits dadurch beeinflusst, in welchem Ausmaß Interessen des Kritisierten verletzt oder gefährdet werden, andererseits ist auch die Machtstellung des Kritisierten zu berücksichtigen. Auch darf vertrauliche Kritik weiter gehen als öffentlich geäußerte.
Diese Grenzen habe der Gesellschafter mit seinen Äußerungen eingehalten.
Im Gesellschaftsrecht muss man etwas aushalten können
Für die Praxis folgt aus der Entscheidung des OLG Hamm, dass grundsätzlich auch erhebliche Kritik eines Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung ausgehalten werden muss und nicht vorschnell ein pflichtwidriges Verhalten des Gesellschafters, mit entsprechenden Folgerungen, unterstellt werden sollte.
Grundlegend für die Beurteilung kritischer Äußerungen eines Gesellschafters ist die Unterscheidung, ob es sich um Werturteile oder um Tatsachenbehauptungen handelt. Reine Werturteile, also einem Wahrheitsbeweis von vornherein nicht zugänglich, sind bis zur Grenze der Formalbeleidigung erlaubt. Wahre Tatsachenbehauptungen sind ebenfalls grundsätzlich zulässig, unwahre Tatsachenbehauptungen hingegen nicht.