D&O-Versicherung und Insolvenz

Was das aktuelle BGH-Urteil bedeutet

Der BGH hat ein wegweisendes Urteil zur Wirksamkeit von Beendigungsklauseln in D&O-Versicherungsverträgen bei Insolvenzantragstellung gefällt, das für die Praxis erhebliche Bedeutung hat.

Veröffentlicht am: 11.04.2025
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Fachanwalt für Steuerrecht
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Die D&O-Versicherung (steht für „Directors and Officers Liability Insurance“) ist ein unverzichtbares Instrument für Manager in Unternehmen, insbesondere Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte, um sich gegen die erheblichen Haftungsrisiken abzusichern, die mit ihrer Tätigkeit verbunden sind. Besonders in der Insolvenz eines Unternehmens rückt die D&O-Versicherung in den Fokus, da das Risiko einer Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter oder Gläubiger erheblich steigt. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. Dezember 2024 (Az. IV ZR 151/23) hat nun wichtige Fragen zur Wirksamkeit von Klauseln in D&O-Versicherungsverträgen geklärt, die im Insolvenzfall den Versicherungsschutz einschränken oder beenden sollen.

Die Ausgangslage: Haftungsrisiken und D&O-Versicherung

Organmitglieder von Kapitalgesellschaften haften grundsätzlich unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen – und das bereits bei einfacher Fahrlässigkeit. Die D&O-Versicherung schützt sie vor den finanziellen Folgen von Pflichtverletzungen, die zu Vermögensschäden bei der Gesellschaft oder Dritten führen. Funktional betrachtet dient die D&O-Versicherung sowohl dem Schutz des Privatvermögens der Organmitglieder als auch der Gesellschaft selbst, indem sie das Risiko eines Forderungsausfalls minimiert, wenn das Privatvermögen für den Regress gegen das Organmitglied nicht ausreicht.

Besonders kritisch wird die Situation, wenn das Unternehmen insolvent wird. Zum einen wegen der speziell mit der Insolvenz verbundenen Haftungsrisiken. Zum anderen, weil statt der Mitgesellschafter bzw. den vertrauten anderen Organmitgliedern, jetzt der Insolvenzverwalter als fremder Dritter im Auftrag der Gläubiger die Forderungen für die Gesellschaft durchsetzt. Dabei haftet er selbst wiederum gegenüber den Gläubigern, wenn er seine Pflicht, die Insolvenzmasse zu mehren, verletzt. Zeitgleich versuchen D&O-Versicherer, ihr eigenes Risiko zu begrenzen, indem sie in ihren Versicherungsbedingungen Klauseln aufnehmen, die den Versicherungsschutz im besonders schadensträchtigen Insolvenzfall einschränken oder beenden. Solche Regelungen sind jedoch rechtlich nur begrenzt zulässig.

Das Urteil des BGH: Automatische Vertragsbeendigung unzulässig

Im vorliegenden Fall hatte ein Insolvenzverwalter Ansprüche aus einer D&O-Versicherung geltend gemacht, die eine Klausel enthielt, wonach der Versicherungsvertrag automatisch mit Ablauf der Versicherungsperiode endet, in der der Insolvenzantrag gestellt wurde. Zudem war eine Nachmeldefrist für Ansprüche nach Insolvenzantragstellung ausgeschlossen. Der BGH erklärte diese Klausel für unwirksam.

Nach Auffassung des Gerichts benachteiligt eine solche Regelung den Versicherungsnehmer unangemessen und verstößt gegen die gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 und 3 Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Diese sehen vor, dass eine ordentliche Kündigung des Versicherungsvertrags nur unter Einhaltung einer Mindestkündigungsfrist von einem Monat möglich ist. Eine automatische Beendigung des Vertrags ohne Einhaltung dieser Frist widerspricht den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und ist daher nach Auffassung des BGH gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam.

Auswirkungen auf die Nachmeldefrist

Ein weiterer zentraler Punkt des Urteils betrifft die sogenannte Nachmeldefrist. Nach dem in der D&O-Versicherung üblichen „Claims-Made-Prinzip“ (Anspruchserhebungsprinzip) kommt es für den Versicherungsschutz darauf an, dass der Anspruch während der Vertragslaufzeit oder einer vereinbarten Nachmeldefrist geltend gemacht wird. Ohne eine solche Nachmeldefrist besteht die Gefahr, dass Ansprüche, die erst nach Vertragsende erhoben werden, nicht mehr gedeckt sind – selbst wenn die zugrunde liegende Pflichtverletzung während der Vertragslaufzeit begangen wurde.

Der BGH stellte klar, dass der Ausschluss der Nachmeldefrist im Insolvenzfall ebenfalls unwirksam sein kann, wenn er den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt. Eine solche Regelung würde den Zweck der D&O-Versicherung, nämlich den Schutz der Organmitglieder vor Haftungsrisiken, erheblich beeinträchtigen. Der Ausschluss der Nachmeldefrist greift nach Ansicht des Gerichts nur dann, wenn der Versicherungsvertrag tatsächlich beendet wurde – und dies darf nicht automatisch und ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen geschehen.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil stärkt die Rechte von Organmitgliedern und Insolvenzverwaltern und setzt klare Grenzen für die Gestaltung von D&O-Versicherungsverträgen. Versicherer können sich nicht mehr auf Klauseln berufen, die den Versicherungsschutz im Insolvenzfall automatisch beenden oder die Nachmeldefrist ausschließen. Dies schafft mehr Rechtssicherheit für die versicherten Personen und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Ansprüche auch im Insolvenzfall durchgesetzt werden können.

Gleichzeitig zeigt das Urteil, dass Versicherer ihre Bedingungen anpassen werden, um die im Urteil aufgezeigten Lücken zu schließen. Es ist zu erwarten, dass künftig vermehrt Klauseln mit einer einmonatigen Kündigungsfrist in D&O-Verträgen aufgenommen werden. Ob solche Klauseln wirksam sind, bleibt abzuwarten und wird vermutlich Gegenstand weiterer gerichtlicher Auseinandersetzungen sein.

Handlungsempfehlungen für Organmitglieder

Um sich vor den Risiken einer Insolvenz des Unternehmens und möglichen Lücken im Versicherungsschutz zu schützen, sollten Organmitglieder folgende Punkte beachten:

  1. Prüfung der Versicherungsbedingungen: Stellen Sie sicher, dass der D&O-Versicherungsvertrag keine Klauseln enthält, die den Versicherungsschutz im Insolvenzfall automatisch beenden oder die Nachmeldefrist ausschließen.
  2. Anstellungsvertrag anpassen: Vereinbaren Sie im Anstellungsvertrag eine Verpflichtung des Unternehmens, eine D&O-Versicherung ohne Insolvenzausschlüsse und mit ausreichender Nachmeldefrist abzuschließen.
  3. Individuelle D&O-Versicherung: Erwägen Sie den Abschluss einer eigenen D&O-Versicherung, bei der Sie selbst Versicherungsnehmer sind. Dies bietet zusätzlichen Schutz, auch wenn die Deckungssummen in der Regel niedriger sind als bei unternehmensfinanzierten Policen.