Kohlwitwe erbt Entschädigungsansprüche nicht
Bundesverfassungsgericht: Keine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts
Das Bundesverfassungsgericht hat beschlossen, dass die Witwe und Alleinerbin des Exkanzlers Helmut Kohl die Entschädigungsansprüche nicht erbt, die er einst wegen der Veröffentlichung des Buchs "Vermächtnis – die Kohl-Protokolle" erstritten hatte. Das postmortale Persönlichkeitsrecht sei nicht verletzt.
Die Witwe und Alleinerbin des Altkanzlers Kohl war mit gleich zwei Verfassungsbeschwerden vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Anlass für die Rechtsstreitigkeiten war das umstrittene Buch „Vermächtnis – die Kohl-Protokolle“, durch welches insbesondere vertrauliche Zitate des Altkanzlers preisgegeben worden waren. Gestern hat das Bundesverfassungsgericht bekannt gegeben, dass es beide Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung zulässt und hat damit unter anderem bestätigt, dass Kohls Witwe nicht die Entschädigung erbt, die dem Altkanzler einst zugesprochen worden war.
Was zuvor geschah
Kohl hatte zu Lebzeiten den Journalisten Heribert Schwan mit der Anfertigung seiner Memorien beauftragt. Hierfür hatte Kohl Schwan in den Jahren 2001 und 2002 über 600 Stunden lang aus seine Leben erzählt. Dieser verfasste drei Bände über Kohls Leben. Vor dem geplanten vierten Band kam es allerdings zu Streit zwischen beiden. Gemeinsam mit Co-Autor Tilmann Jens veröffentliche Schwan ohne Absprache mit Kohl das Buch „Vermächtnis – die Kohl-Protokolle“ welches schnell ein Bestseller wurde. Hierin wurden insbesondere vertrauliche Zitate des Ex-Politikers über andere namenhafte Politiker preisgegeben, welche nach Kohls Vorstellungen wohl nicht für die Öffentlichkeit vorgesehen waren.
Kohl klagte daraufhin gegen Schwan, seinen Co-Autor Jens und den Verlag auf Entschädigung wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor dem Landgericht Köln und bekam Recht: Er bekam einen Entschädigungsanspruch in Höhe von einer Million Euro zugesprochen. Ein solch hoher Entschädigungsbetrag war zuvor in Deutschlands Rechtsgeschichte noch nie wegen einer Persönlichkeitsverletzung gerichtlich entschieden worden.
Kohl verstarb während des Berufungsverfahrens
Sowohl Kohl als auch die Gegenseite legte gegen dieses Urteil Berufung ein – schließlich hatte Kohl auf Zahlung von 5 Millionen Euro geklagt. Kohl verstarb während des Berufungsverfahrens.
Witwe und Alleinerbin des Ex-Kanzlers Maike Kohl-Richter wollte das Verfahren weiterführen und scheiterte zunächst sowohl beim Oberlandesgericht Köln als auch beim Bundesgerichtshof. Beide urteilten, dass die Witwe den Entschädigungsanspruch Kohls nicht geerbt hatte.
Kohls Witwe legte daraufhin Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht ein und berief sich hierbei in erster Linie auf das postmortale Persönlichkeitsrecht Kohls.
Postmortales Persönlichkeitsrecht nach Bundesverfassungsgericht nicht verletzt
Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerden allerdings wegen mangelnder Erfolgsaussicht schon nicht zur Entscheidung an. In der Pressemitteilung von gestern Nachmittag begründete das Bundesverfassungsgericht diesen Beschluss damit, dass Kohl durch das Buch zumindest nicht in seinem sogenannten postmortalen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Unerheblich sei, ob die Veröffentlichung Kohl in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu seinen Lebzeiten verletzt habe, so wie es das Landgericht Köln einst gesehen hatte. Der postmortale Persönlichkeitsschutz greife allerdings nicht so weit und sei nur dann verletzt, wenn die „Menschenwürde durch eine grobe Herabwürdigung und Erniedrigung in ihrem unantastbaren Kern“ verletzt worden ist. Eine solche grobe Herabwürdigung und Erniedrigung habe Kohls Witwe in ihrer Verfassungsbeschwerde allerdings nicht ausreichend dargelegt.
Hierbei beruft sich das Bundesverfassungsgericht auf seine Jahrzehnte alte Rechtsprechung zum postmortalen Persönlichkeitsrecht.
Das Bundesverfassungsgericht bestätigte zudem die Begründung der vorherigen Gerichte, dass die Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts nicht Entschädigungen durch Geldzahlungen rechtfertige. Geldentschädigungen verfolgen nach Ansicht gefestigter Rechtsprechung bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts in erster Linie den Zweck einer Genugtuungsfunktion. Kohl selbst könne allerdings nach seinem Tod keine Genugtuung mehr empfinden.
Unglücklicher Todeszeitpunkt Grund für Ausgang der Verfahren
Dass die jahrelangen Rechtsstreitigkeiten um Kohls "Entschädigungs-Erbe" so erfolglos für die Kohlwitwe endeten, liegt in erster Linie am unglücklichen Todeszeitpunkt des Exkanzlers. Die besondere Problematik war hier, dass das ursprüngliche Urteil wegen der Berufung vor seinem Tod nicht rechtskräftig werden konnte. Hierdurch hatte man in den nachfolgenden Distanzen nicht mehr über Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entscheiden müssen, sondern nur noch über das postmortale Persönlichkeitsrecht.