Der Ampel-Koalitionsvertrag aus Immobiliensicht

Ambitionierte Neuerungen für viele Bereiche

Veröffentlicht am: 01.12.2021
Qualifikation: Rechtsanwalt in Hamburg
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Am 24. November haben die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP in Berlin ihren 177 Seiten starken Koalitionsvertrag vorgestellt, der für die Immobilienwirtschaft, Immobilieneigentümer und Mieter zahlreiche Neuerungen und Vorhaben vorsieht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Bereichen Bauen, Wohnen, Digitalisierung und Klimaschutz.

Die wichtigsten Themen im Überblick:

Neubauoffensive „mit Wumms“?

Bauen und Wohnen soll bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm und innovativ werden und mit „lebendigen öffentlichen Räumen“ gestaltet werden. Erklärtes Ziel der Ampel-Koalition ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Dafür soll die finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau inklusive sozialer Eigenheimförderung fortgeführt und die Mittel erhöht werden. Als Finanzierungsanreiz soll die lineare Abschreibung für den Neubau von Wohnungen von zwei auf drei Prozent angehoben werden.

Die Koalition plant, ein neues „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ mit „allen wichtigen Akteuren“ zu schließen. Es soll zeitnah eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg gebracht werden, um den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbarer Wohnimmobilien in Schwung zu bringen. Des Weiteren soll ein Bund-Länderprogramm für studentisches Wohnen, für junges Wohnen und Wohnen für Auszubildende auf den Weg gebracht werden.

Die Koalition plant zudem die Einführung eines Bau-, Wohnkosten- und Klimachecks. Kommunen sollen dabei unterstützt werden, Potenzialflächenregister einzuführen. 

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) soll deutlich gestärkt werden und künftig selbst investieren und bauen und Verantwortung für Planung, Bau- und Betrieb der Bundesbauten und Bundesliegenschaften haben. Nicht bahnnotwendige Immobilien des Bundeseisenbahnvermögens sollen in die BImA eingegliedert werden.

Wie ernst es der Koalition insgesamt mit dem Thema Bauen und Wohnen ist, zeigt auch das neugeschaffene Ministerium für Bauen und Wohnen, das die SPD übernehmen wird.

Förderung und Stärkung von privatem Wohneigentum

Die Koalition will insgesamt mehr Menschen in Deutschland ermöglichen, im selbstgenutzten Eigentum zu wohnen. 

Hürden beim Eigentumserwerb sollen durch eigenkapitalersetzende Darlehen gesenkt und Schwellenhaushalte langfristig z. B. mit Tilgungszuschüssen und Zinsverbilligungen beim Eigentumserwerb unterstützt werden. Des Weiteren ist geplant, den Bundesländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer, etwa durch einen Freibetrag, zu ermöglichen, um den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums zu erleichtern.

Das KfW Programm zum Kauf von Genossenschaftsanteilen soll gestärkt werden. 

Die Koalition beabsichtigt zudem die Einführung eines echten Sachkundenachweises für Makler, Miet- und WEG-Verwalter.

Weitere Einschränkungen beim Immobilien Share Deal zu erwarten

Zur Gegenfinanzierung sollen „steuerliche Schlupflöcher“ bei gewerblichen Immobilientransaktionen  „von Konzernen“ im Rahmen von Immobilien-Share Deals  weiter geschlossen werden. Eine erneute und weitergehende Anpassung der erst vor kurzem novellierten Regelungen zum Immobilien Share Deal im Grunderwerbsteuergesetz ist damit wohl nur noch eine Frage der Zeit (zur erst vor wenigen Monaten erfolgten Reform des Grunderwerbsteuerrechts siehe hier: Reform des Grunderwerbsteuergesetzes bei Anteilsübertragungen). Genauere Ausführungen hierzu enthält der Koalitionsvertrag jedoch nicht.

Die illegale Finanzierung von Immobilien soll durch die Einführung eines Versteuerungsnachweises für gewerbliche und private Immobilienkäufer aus dem Ausland für jeglichen Immobilienerwerb in Deutschland bekämpft werden. Ein Erwerb von Immobilien mit Bargeld soll verboten werden.

Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung sollen forciert werden

Die Digitalisierung ist eines der wesentlichen Themen im Koalitionsvertrag und betrifft auch den Bereich Immobilien.

Die Kosten für den Wohnungsbau sollen durch modulares undserielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung gesenkt werden. Modulares und serielles Bauen und Sanieren soll durch Typengenehmigungen beschleunigt werden. 

Das serielle Sanieren soll vorangetrieben werden, indem das Förderprogramm fortgeführt und innerhalb des BEG ausgeweitet wird. Auch das serielle und modulare Bauen soll im Rahmen des Forschungsprogramms „Zukunft Bau“ weiterentwickelt (als Beispiel wird das niederländische Energiesprong-Prinzip genannt) sowie bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Hürden identifiziert und beseitigt werden.

Das Baugesetzbuch (BauGB) soll mit den Zielen Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, Bauflächenmobilisierung, Innenentwicklung, Klimaschutz und -anpassung und Gemeinwohlorientierung novelliert werden.

Eine Machbarkeitsstudie soll untersuchen, ob das Grundbuch auf der Blockchain möglich und vorteilhaft ist.

Mehr Klimaschutz im Immobilienbereich

Ein weiteres Kernthema des Koalitionsvertrages ist der Klimaschutz – auch in Bezug auf Immobilien.

Die 2022 auslaufende Neubauförderung für den Kfw-Effizienzhausstandard 55 soll durch ein neues Förderprogramm ersetzt werden, das insbesondere die Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) pro m² Wohnfläche fokussiert.

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll danach wie folgt geändert werden:

  • Neue Heizungen sollen ab 2025 zu 65% mit erneuerbarer Energie betrieben werden.
  • Wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen im Bestand müssen ab 2024 dem KfW-EH 70 Standard entsprechen.
  • Neubauten müssen ab 2025 den KfW-EH 40 Standard erfüllen.

Die Innovationspartnerschaft mit der Wohnungswirtschaft soll wieder aufgegriffen und der Quartiersansatz und die Innovationsklausel fortgeschrieben werden.

Die Koalition plant die Einführung eines digitalen Gebäuderessourcenpasses mit dem Ziel einer Kreislaufwirtschaft im Gebäudebereich.

Vor dem Hintergrund steigender Heizkosten will die Koalition einen schnellen Umstieg auf eine Teilwarmmiete prüfen. In diesem Zusammenhang soll die Modernisierungsumlage für energetische Maßnahmen in diesem neuen System aufgehen und auf diese Weise eine faire Aufteilung des zu zahlenden CO2-Preises zwischen Vermietern und Mietern erreicht werden.

Schon im Juni 2022 soll ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen eingeführt werden, das die Umlage des CO2-Preises nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) regelt. Sollte dies zeitlich nicht gelingen, sollen die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab Juni 2022 hälftig zwischen Vermieter und Mieter geteilt werden.

Der Gebäudeenergieausweis soll verbessert, vereinheitlich und digitalisiert werden. Es soll zudem die Erstellung eines digitalen Gebäudeenergiekatasters geprüft werden. 

Es soll außerdem eine nationale Holzbau-, Leichtbau- und Rohstoffsicherungsstrategie aufgelegt werden. Dies dürfte vor allem vor dem Hintergrund der jüngsten Material- und Lieferengpässe zu sehen sein. Nähere Ausführungen zu dieser Strategie enthält der Vertrag allerdings nicht.

In sozialer Hinsicht soll das Wohngeld gestärkt, eine Klimakomponente eingeführt und kurzfristig ein einmalig erhöhter Heizkostenzuschuss zur Kompensierung der steigenden Energiepreise in diesem Winter gezahlt werden.

Freie Fahrt für Start-ups?

Innovativen Materialien, Technologien und Start-ups sollen der Markteintritt und Zulassungen erleichtert werden. Das ist begrüßenswert – die genaue Umsetzung bleibt jedoch offen. 

Mehr Schutz für Mieter

Die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen soll in angespannten Märkten von 15% auf 11% reduziert werden. Zudem will die Koalition die Mietpreisbremse bis 2029 verlängern.

Ein qualifizierter Mietspiegel soll für Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern  verpflichtend sein. Die Koalition plant ein Pilotprojekt, um in ausgesuchten Kommunen anhand von Angaben in der Steuererklärung einen Mietspiegel zu erstellen. 

Künftig werden Mietverträge der letzten sieben Jahre zur Berechnung des Mietspiegels herangezogen. Erst 2020 wurde der bis dahin geltende Zeitraum von vier auf sechs Jahre angehoben.

Die Koalition will zudem für mehr Transparenz bei den Nebenkostenabrechnungen sorgen, ohne dies jedoch näher auszuführen. 

Gesetzgeberischer Handlungsbedarf zum gemeindlichen Vorkaufsrecht im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung soll im Lichte des jüngsten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021 (AZ. 4 C 1.20) geprüft werden.

Im Zusammenhang mit dem Mieterschutz sind zudem auch die bereits dargestellten Pläne zur Begegnung steigender Heizkosten zu sehen.

Die Koalition hat sich schließlich zum Ziel gesetzt, bis 2030 Obdach- und Wohnungslosigkeit zu überwinden. Diesbezüglich soll ein nationaler Aktionsplan aufgelegt werden. 

Smarter und nutzungsgemischter Städtebau ohne Lärm

Im Rahmen eines zukunftsorientierten Städtebaus wird eine Gesamtlärmbetrachtung im städtischen Bereich angestrebt, die sich in einer modernisierten TA-Lärm widerspiegeln soll. Die Senkung der THG-Emissionen und Klimaanpassung sind zentrale Bestandteile. Außerdem soll die Einführung eines Innenentwicklungsmaßnahmengebietes geprüft werden.

Hürden für finanzschwache Kommunen sollen gesenkt werden, die Möglichkeiten mehrjähriger Bund-Länder-Vereinbarungen sollen geprüft werden.

Die vorhandenen Fördermaßnahmen im Bereich des Städtebaus will die Koalition flexibilisieren und entbürokratisieren sowie die Einrichtungen der Baukultur stärken, ohne dies jedoch näher auszuführen.

Die Koalition bekennt sich zu der nutzungsgemischten Stadt und plant die Einrichtung eines Smart-City-Kompetenzzentrums.

Die Honorarordnung für Architekten (HOAI) soll reformiert und die Leistungsbilder angepasst werden. 

Vor dem Hintergrund von Extremwetterereignissen in der jüngeren Vergangenheit, insbesondere der Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021, sollen Kommunen bei der Prävention und Bewältigung von Starkregenereignissen und der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden.

Eine Verlängerung der Regelung in § 13b BauGB ist nicht vorgesehen. Parallel dazu ist eine Entfristung der entsprechenden Regelungen im Baulandmobilisierungsgesetz geplant.

Spekulationsfrist bleibt unangetastet, kein bundesweiter Mietendeckel

Durchaus spannend ist auch, was im Koalitionsvertrag nicht enthalten ist. So bleibt die zehnjährige Spekulationsfrist bei privaten Immobilienverkäufen wohl bestehen und Veräußerungsgewinne nach Ablauf dieser Frist steuerfrei.

Auch einen bundesweiten Mietendeckel, der im Wahlkampf hitzig diskutiert wurde, wird es wohl nach jetzigem Stand erst einmal nicht geben.

Ambitionierte Ziele

Die neue Ampel-Koalition hat der Immobilienwirtschaft ein sehr ambitioniertes Paket geschnürt, das enorme Herausforderungen aber aufgrund der klaren Zukunftsgewandtheit und der Offenheit für innovative Technologien auch viele Chancen in sich birgt. Abzuwarten bleibt die konkrete Umsetzung der zum Teil nur angerissenen aber noch nicht näher ausgeführten Ziele und Maßnahmen. So oder so stehen der Immobilienwirtschaft, Immobilieneigentümern und Mietern – auch in rechtlicher Hinsicht – spannende Zeiten bevor. Wir halten Sie auf dem Laufenden.