Kein Schlussstrich trotz Generalquittung
OLG München zur Reichweite eines Vergleichs
Ein Beitrag zu OLG München, 16.05.2018, Az. 7 U 3130/17
In allen zivil- und gesellschaftsrechtlichen Sachverhalten werden Vergleiche abgeschlossen. Die Parteien eines Vergleichs wünschen sich einen „Schlussstrich“ unter eine oft zermürbende Streitigkeit. Dementsprechend sind die Anwälte auf beiden Seiten bemüht, dass der Vergleich keine Schlupflöcher hat, also nicht die Streitigkeit durch eine reuige Partei wieder eröffnet wird. Zu diesem Zweck vereinbaren die Parteien sogenannte Abgeltungsklauseln oder auch eine Generalquittung. Diese Begriffe bedeuten im Kern, dass der gesamte erfasste Lebenssachverhalt vollständig abgegolten ist durch den Vergleich und insbesondere keine anderen Ansprüche außer denen, die der Vergleich ausdrücklich enthält, bestehen.
Verletzung der Geschäftsführerpflichten
Das OLG München (16. Mai 2018; Az. 7 U 3130/17) hatte kürzlich über die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung zu entscheiden, die in der Aufhebungsvereinbarung eines Geschäftsführers mit seiner GmbH enthalten war. Das Gericht stellte fest, dass eine Vergleichspartei sich dann nicht auf die Generalquittung berufen könne, wenn sie wesentliche Umstände arglistig verschweige, Hier hatte der Geschäftsführer ohne Einholung eines zustimmenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung einen Mietvertrag für die GmbH abgeschlossen. Dadurch verletzte er seine Geschäftsführerpflichten. Die Gesellschaft hatte auch kein Interesse an dem Mietobjekt.
Das OLG München führte aus, dass auch der resultierende Schadenersatz von der Abgeltungsklausel erfasst sei. Jedoch könne sich der Geschäftsführer nicht auf die Klausel berufen, da er die Pflicht hatte, von sich aus über die Überschreitung seiner Kompetenzen aufzuklären. Tue er dies nicht, so länge eine arglistige Täuschung durch Unterlassen vor mit dem Ergebnis, dass es unredlich wäre, wenn der Geschäftsführer sich nun auf den erschlichenen Schutz einer Abgeltungsklausel berufen könne.
Schadenersatz trotz Generalquittung
Im Ergebnis wurde der Geschäftsführer zur Zahlung von Schadenersatz an die GmbH verurteilt. Die Entscheidung zeigt, dass die oft verwendete Wendung „Ausschluss aller wechselseitigen Ansprüche, gleich ob bekannt oder unbekannt“ tatsächlich nicht sämtliche Ansprüche erfasst.
Hat eine Partei des Vergleichs zum Beispiel eine unerlaubte Handlung begangen und erfährt die Gegenpartei hiervon erst nach Abschluss des Vergleichs, so wird sie gute Argumente haben, den Vergleich (der rechtlich gesehen ein Erlassvertrag ist) wegen arglistiger Täuschung anzufechten oder zu argumentieren, dass es treuwidrig wäre, wenn sich die andere Seite trotz der Täuschung auf den Vergleich beruft.