Jahresabschluss: Machtinstrument in der GmbH
Tauziehen zum Jahresende
Es läuft auf Ende September zu und wir stehen kurz vor dem vierten Quartal des Geschäftsjahres. Für die mittelständischen Unternehmen bedeutet das Endspurt im Sales-Bereich und auf der Managementetage. Aber auch die Gesellschafter laufen sich in vielen Unternehmen für die anstehende ordentliche Gesellschafterversammlung warm.
Der kundige Betrachter wird sich über den Titel des Beitrags wundern und hinterfragen, weshalb die ordentliche Gesellschafterversammlung im Mittelstand so spät im Jahr stattfinden soll. Schließlich verlangt das Gesetz spätestens bis Ende August die Feststellung des Jahresabschlusses. Für mittlere und große Kapitalgesellschaften sieht das Handelsgesetzbuch (HGB) sogar die Erledigung des Abschlusses bis Ende März vor.
Es gibt handfeste Gründe, weshalb die Mittelständler die gesetzlichen Fristen oftmals reißen und ihre Jahresabschlüsse so spät fertig werden. Dafür muss man die Funktionsweise und die Kräfte, die auf die mittelständischen Unternehmen einwirken, verstehen:
Erfolgskompass im Mittelstand
Der Jahresabschluss in der GmbH kann mit einem Kompass auf hoher See verglichen werden. Ohne diesen weiß niemand, wie es um das Unternehmen steht und in welche Richtung es sich bewegt. Mit dem professionell erstellten Jahresabschluss kann die Gewinnsituation, Vermögens- und Schuldenlage der GmbH im abgelaufenen Geschäftsjahr bestimmt werden.
Viele mittelständische Unternehmen sind nicht nur deshalb sehr spät im Jahr mit dem Jahresabschluss dran, weil die Erstellung der Bilanz und GuV komplex ist. Ein weiterer wichtiger Grund liegt vielmehr in den kollidierenden Interessen im Manager- und Gesellschafterkreis. Die unterschiedlichen Stakeholder im Unternehmen versuchen mit dem Jahresabschluss und der Gewinnverwendung ihre finanziellen Interessen durchzusetzen. Das Ringen um die Positionen und die Vorbereitungen braucht seine Zeit!
Taktische Bedeutung des Jahresabschlusses
Der Jahresabschluss ist alles andere als eine Pflichtübung zur Offenlegung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation einer GmbH. Er ist ein machtvolles Instrument, mit dem viele unterschiedliche Interessen von Stakeholdern und Investoren eines Unternehmens tangiert werden. Mit einem Jahresabschluss lassen sich die folgenden wirtschaftlichen Bereiche gestalten:
- Der Abschluss besagt, ob ein Unternehmen kreditwürdig ist und Banken bereit sind, weiterhin Kredite zu gewähren.
- Er bildet eine Bewertungsbasis für variable C-Level-Gehälter (etwa Boni) und andere ergebnisabhängige Vergütungen unterhalb der Managementebene.
- Ein festgestellter Jahresabschluss ist auch die Bedingung für eine Gewinnausschüttung in der GmbH.
- Der Jahresabschluss legt auch den konkreten Korridor für die Höhe der Jahresdividende fest.
- Mit dem dazugehörigen Gewinnverwendungsbeschluss werden schließlich Gewinne an Gesellschafter und Investoren ausgeschüttet.
Man muss auch wissen, dass insbesondere der Mehrheitsgesellschafter in der GmbH den Jahresabschluss als mächtiges Instrument nutzt, um seinen Einfluss zu erweitern und seine Interessen im Unternehmen durchzusetzen. Nicht selten versucht der Mehrheitsgesellschafter die Minderheitsgesellschafter durch spezielle Maßnahmen gefügig zu machen. Zum Beispiel kann er mit einer Aushungerungspolitik, also die wiederholte Gewinnthesaurierung (Gewinne werden nicht an Gesellschafter ausgeschüttet), die finanziellen Interessen von Minderheitsgesellschaftern schwer beeinträchtigen. Durch Rückstellungen und die Ausnutzung von Bewertungsspielräumen können auch Gewinne und damit variable Geschäftsführergehälter reduziert und durch verdeckte Gewinnausschüttungen Mitgesellschafter finanziell schwer verletzt werden.
Umgang mit gesetzlichen Fristen
Die gesetzlichen Fristenvorgaben für die Feststellung des Jahresabschlusses werden durch mittelständische Unternehmen oftmals nicht nur ausgereizt, sondern sehenden Auges ignoriert. Die Fristen werden verletzt, weil es von staatlicher Seite aus keinen Sanktionsapparat gibt. Anders als bei der gesetzlichen Frist für die Veröffentlichung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger. Der GmbH-Jahresabschluss muss zwingend vor Ablauf von 12 Monaten des Abschlussstichtags des nachfolgenden Geschäftsjahrs veröffentlicht werden. Also der Abschluss zum 31.12.2023 muss bis zum 31.12.2024 im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Wird diese Frist gerissen, drohen dem Unternehmen Ordnungsgelder bis zu EUR 25.000,00. Verhängt das Bundesamt für Justiz ein solches Ordnungsgeld, stellt sich automatisch auch die Frage der Geschäftsführerhaftung.
Daher erfolgt die Abstimmung zwischen den Beteiligten und die Feststellung des Jahresabschlusses meist noch kurz vor Jahresende, um die Veröffentlichung des Jahresabschlusses sanktionslos zu ermöglichen. Hinzuweisen ist darauf, dass es bei kapitalmarktaktiven Unternehmen anders läuft. Hier hält man sich an die Aufstellungs- und Feststellungsfristen, da eine Verletzung sofort Kursverluste zur Folge hat. Überdies will kein Management sich dem Strafbarkeitsrisiko einer Marktmanipulation aussetzen, die es im Mittelstand nicht gibt.