Immobilienbewertung bei Erbschaft und Schenkung
Die ortsübliche Miete für die Erbschaft- und Schenkungsteuer
Die ortsübliche Miete für die Erbschaft- und Schenkungsteuer
Ein Beitrag von Britta Niakan, Fachanwältin für Steuerrecht in Hamburg
Die Erbschaft- und Schenkungsteuer nimmt im Bereich der steuerlichen Beratung einen erheblichen Stellenwert ein. Gerade bei der Bewertung von Grundvermögen steckte der Teufel, wie so oft im Steuerrecht, im Detail. Grundvermögen ist mit dem Verkehrswert in Abhängigkeit von der Grundstücksart zu bewerten. Während sich für unbebaute Grundstücke die Bewertung nach dem Bodenrichtwert regelt, gibt das Bewertungsgesetz genau vor, welches Bewertungsverfahren für bebaute Grundstücke grundsätzlich Anwendung finden soll.
Bewertung von Grundvermögen im Ertragswertverfahren
Mietwohngrundstücke sowie Geschäfts- und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, sind im sogenannten Ertragswertverfahren zu bewerten. Bei diesem Verfahren ist neben der Ermittlung des Wertes für den Grund und Boden zusätzlich der Wert für das Gebäude zu ermitteln bzw. zu bewerten. Die Ermittlung des Gebäudewertes erfolgt hierbei unter Zugrundelegung des nachhaltig erzielbaren Ertrags. Aber wie ermittelt sich dieser? Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 05.12.2019 (II R 41/16) dazu Stellung genommen, ob eine vertraglich vereinbarte oder die ortsübliche Miete im Ertragswertverfahren anzusetzen ist.
Der Sachverhalt: D und seine Mutter waren Miteigentümer eines bebauten Grundstücks, welches zu privaten Wohnzwecken und für gewerbliche Tätigkeit vermietet wurde. Nach dem Tod der Mutter erbte D deren Miteigentumsanteil. Im Rahmen seiner Erbschaftsteuererklärung setzte D für die Ermittlung des Gebäudeertragswerts für vier Einheiten die vertraglich vereinbarten Nettokaltmieten an. Bei den restlichen Einheiten war die tatsächliche Miete um mehr als 20 % höher als die in dem Mietspiegel ausgewiesenen Mittelwerte. Der D, nicht dumm, setzte für diese Einheiten nicht die tatsächlich vereinbarte sondern jeweils den Mittelwert laut Mietenspiegel an.
Das Finanzamt wich von diesem Ansatz ab und setzte als "übliche Miete" nicht den Mittelwert, sondern den obersten Wert der im Mietspiegel ausgewiesenen Spanne an. Das Finanzamt kam dadurch bei zwei der Einheiten zu Abweichungen von der üblichen Miete um mehr als 20 %. Hier setzte es den Mittelwert des Mietspiegels an. Im Übrigen blieb es bei dem Ansatz der (höheren) vertraglich vereinbarten Miete.
Ortsübliche Miete als Bewertungsmaßstab - was sagt der BFH?
Grundsätzlich ist die vertraglich vereinbarte Miete anzusetzen, es sei denn, diese weicht um mehr als 20 % von der ortsüblichen Miete ab.
Für den Bundesfinanzhof (BFH) ist das Tatbestandsmerkmal der "übliche(n) Miete" ein unbestimmter Rechtsbegriff, der individuell auszulegen ist. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofes sind alle Mietwerte innerhalb der Spannbreite eines Mietspiegels als üblich anzusehen. Erst die Über- bzw. Unterschreitung der jeweiligen Grenzwerte führt zu einer Unüblichkeit. Das, so das Gericht, entspricht bereits dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach als "üblich" das bezeichnet wird, was sich "im Rahmen des Üblichen", also innerhalb einer gewissen Spanne, bewegt.
Schließlich sollen unzutreffende Ergebnisse bei der Immobilienbewertung für die Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer vermieden werden. Insbesondere soll bei einer Abweichung nach unten einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten durch Vereinbarung einer zu geringen Miete vorgebeugt werden. Umgekehrt soll nach dem Verständnis des BFH aber auch vermieden werden, dass im Einzelfall überhöhte Mietzinsen zu einer nicht realitätsgerechten Bewertung führen.
Grundbesitzbewertung ist ein von Typisierung geprägtes Verfahren
Für den Bundesfinanzhof könnte es zu sinnwidrigen Ergebnis führen, sollte die vereinbarte Miete noch innerhalb der Spannbreite des Mietspiegels liegt, aber wegen einer Abweichung von mehr als 20 % vom Mittelwert nicht zum Ansatz kommen. Auch verkompliziere es die Bewertung nicht, wenn statt des Mittelwerts ein äußerer Wert dient. Denn ebenso wie der Mittelwert ist auch der äußere Wert einfach aus dem Mietspiegel abzulesen.
Der Bundesfinanzhof hat mit dieser Entscheidung die Vorgehensweise der Finanzverwaltung bestätigt und für Rechtsklarheit gesorgt: Im Ertragswertverfahren ist grundsätzlich die vertraglich vereinbarte Miete anzusetzen. Nur wenn diese nicht mehr als üblich angesehen werden kann, ist die übliche Miete anzusetzen. Das ist der Fall, wenn sie über 20 % niedriger ist als der unterste Wert der Spanne des verwendeten Mietspiegels oder mehr als 20 % über der oberste Wert der Spanne. Auf den Mittelwert kommt es dabei nicht an.