Gewerbemietzahlungspflicht während Covid 19

Erste Urteile der Oberlandesgerichte

Veröffentlicht am: 03.11.2021
Qualifikation: Anwalt in Hamburg
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Die Corona-Krise hält Deutschland und die Welt seit ca. 1,5 Jahren in Atem. Seit Beginn der Krise sorgt insbesondere auch die Auswirkung auf bestehende, oft auf viele Jahre fest abgeschlossene Gewerberaummietverhältnisse für – teils hitzig geführte – Diskussionen. Dies gilt insbesondere für das von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie besonders hart getroffene Gastgewerbe, also Hotels, Restaurants, Cafés, Bars, Clubs oder Discotheken, sowie den Einzelhandel. Im Zentrum der juristischen Debatte steht inzwischen vor allem die Frage, ob staatliche Maßnahmen zur Ein­däm­mung der Covid 19 - Pan­de­mie grundsätzlich eine Reduzierung bzw. Anpassung der Miete nach sich ziehen. 

Gesetz zur Abmilderung der Corona-Folgen

Um die Wirtschaft zu stützen, hat der Gesetzgeber im Frühjahr 2020 nicht nur ein großes Konjunkturpaket, sondern auch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID 19 – Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht beschlossen. Art. 240 § 2 EGBGB sieht vor, dass der Vermieter ein Mietverhältnis nicht allein aus dem Grund kündigen kann, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.

Die Rechtsprechung ist sich seit Verkündung der ersten Entscheidungen im Zusammenhang mit der Mietzahlungspflicht von durch die CO­VID 19 - Pandemie be­trof­fe­nen Ge­wer­beraum­mie­tern weit­ge­hend einig, dass staatliche Maßnahmen zur Ein­däm­mung der Pan­de­mie (z. B. Schlie­ßungs­an­ord­nun­gen oder sonstige Ein­schrän­kun­gen des Be­trie­bes) grund­sätz­lich kei­ne Man­gel­haf­tig­keit des Mietobjektes im Sinne des Gewerbemietrechts begründen. Aus § 240 Abs. 2 EGBGB ergibt sich auch keine Stundung des Mietzinses, vielmehr wird hierdurch lediglich das Kündigungsrecht des Vermieters eingeschränkt. Auch nimmt die Rechtsprechung keinen Fall der Un­mög­lich­keit an, der Mie­ter von ihrer Mietzah­lungs­ver­pflich­tung be­freit.

Uneinheitlich ist die Rechtsprechung allerdings betreffend die Anwendung des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage). Auch nach Einführung des am 31. Dezember 2020 in Kraft getretenen Art. 240 § 7 EGBGB, der den von pandemiebedingten Beeinträchtigungen betroffenen Gewerberaummietern grundsätzlich eine Reduzierung der Miete über die Störung der Geschäftsgrundlage erleichtern sollte, gab es in der Folge keine verlässliche und einheitliche Rechtsprechung der erstinstanzlichen Gerichte.

Keine homogenen Entscheidungen in der zweiten Instanz

Auch nach den zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen einiger Oberlandesgerichte in der zweiten Instanz kann von einer homogenen, verlässlichen Rechtsprechung in Bezug auf § 313 BGB noch keine Rede sein.

  • Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 24.02.2021, 7 U 109/20) und das Oberlandesgericht  München (Hinweisbeschluss vom 17.02.2021, 32 U 6358/20) stellten die Notwendigkeit einer Einzelfallentscheidung bei der Prüfung eines möglichen Mietanpassungsanspruchs nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage heraus. Eine pauschale hälftige Teilung des Risikos (wovon bis dahin einige erstinstanzliche Gericht ausgingen, so etwa das Landgericht München in seiner Entscheidung vom 05.10.2020 – 34 O 6013/20) lehnten beide Oberlandesgerichte ab und betonten, dass der Mieter eine Anpassung des Vertrags nur dann verlangen, wenn ihm das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne. Die Annahme der Unzumutbarkeit der Mietzahlung im Rahmen von § 313 BGB setze jedoch voraus, dass der Mieter zumindest eine schwere Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Existenz nachweisen könne. Diesbezüglich sei eine Prüfung der Umstände des Einzelfalles erforderlich, bei der unter anderem Umsatzrückgänge, evtl. Kompensationen durch Onlinehandel oder durch öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen (z. B. durch Kurzarbeit) sowie fortbestehende Vermögenswerte durch weiterhin verkaufbare Ware zu berücksichtigen seien. Das Oberlandesgericht Karlsruhe lehnte vor diesem Hintergrund eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB ab. Auch wenn der Mieter im zu entscheidenden Fall einen Umsatzverlust dargelegt hätte, sei ihm die Mietzahlung zumutbar, da ihn die Inanspruchnahme nicht in seiner Existenz vernichte oder schwerwiegend gefährde und weil auch die Interessen des Vermieters ausreichend Berücksichtigung finden müssten. Das Oberlandesgericht München geht in eine ähnliche Richtung.
  • Das Oberlandesgericht Dresden (Urteil vom 24.02.2021, 5 U 1782/20) hielt bei der Beurteilung eines Anpassungsanspruchs nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) hingegen eine hälftige Teilung der geschuldeten Miete im Zeitraum der angeordneten Schließung für angemessen. Die Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Gewerbemietvertrag sei ausschließlich an dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung in dem von der Störung betroffenen Zeitraum zu beurteilen, wobei die Schwelle der Unzumutbarkeit im Mietverhältnis bezogen auf die zeitliche Dauer relativ niedrig anzusetzen sei, da es sich um ein Dauerschuldverhältnis handele, in dem eine Vertragsanpassung ohnehin immer nur in dem von der Störung betroffenen Zeitraum erfolgen könne. Eine grundlegende Veränderung der wesentlichen Vertragsgrundlage erfolge im Rahmen einer Anpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage hingegen nicht. Mithin komme es für eine vorübergehende Vertragsanpassung nicht darauf an, inwieweit die wirtschaftliche Existenz des Mieters durch die Schließungsanordnungen betroffen gewesen sei. Da keine der Vertragsparteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen habe, müsse die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien verteilt werden. Umsatzeinbußen des Mieters wurden nicht gesondert ermittelt, da ein Teilbetrieb des Mietgegenstandes nicht mehr möglich war. Wie sonstige Umstände, wie der Erhalt staatlicher Hilfen oder die Nutzung anderweitiger Umsatzmöglichkeiten die Aufteilung beeinflussen, hat das Gericht offengelassen. Offensichtlich lagen derartige Umstände nicht vor oder wurden von den Parteien nicht vorgetragen.
  • In der jüngsten Entscheidung zieht das Oberlandesgericht Schles­wig (Ur­teil vom 16.06.2021- 12 U 148/20) eine Anpassung des Mietvertrages über die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage zwar grundsätzlich in Betracht. Ähnliche wie die Oberlandesgerichte Karlsruhe und München hält das Oberlandesgericht Schleswig diesbezüglich jedoch eine umfassende Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles für erforderlich. Im Ergebnis verneinte das Gericht in der streitgegenständlichen Sache eine Störung der Geschäftsgrundlage, da zum ei­nen nicht ge­klärt wer­den konnte, ob die Par­tei­en auch in Kennt­nis ei­ner staat­lich ver­ord­ne­ten Schlie­ßung der Ver­kaufs­stät­ten des Ein­zel­han­dels für die Dau­er von ei­nem Mo­nat den Ver­trag nicht oder nur mit an­de­rem In­halt ge­schlos­sen hät­ten. Zum an­de­ren sei das Fest­hal­ten am Ver­trag für den Mieter je­den­falls nicht un­zu­mut­bar. Der Mieter ha­be le­dig­lich Li­qui­di­täts­eng­päs­se vor­ge­tra­gen, die durch die Re­ge­lung des Art. 240 § 2 EGBGB aus­rei­chend berücksichtigt seien. Au­ßer­dem sei der behauptete Um­satz­ein­bruch man­gels Be­le­ge oder Nach­weis über ei­nen Steu­er­be­ra­ter nicht ve­ri­fi­zier­bar. Darüber hinaus seien auch die Interessen des Vermieters zu berücksichtigen, der selbst Fi­nan­zie­rungs- und Er­hal­tungs­maß­nah­men zu er­brin­gen ha­be und von ei­ner Bank ge­ge­be­nen­falls in An­spruch ge­nom­men wer­den kön­ne.

Auf die Störung der Geschäftsgrundlage kommt es an

Die obergerichtlichen Urteile verdeutlichen jedenfalls, dass nach dem aktuellen Stand der Rechtsprechung weder von einer Unmöglichkeit der Vermieterleistung noch von einem eine Mietminderung begründenden Mietmangel auszugehen ist, sondern es für Mietanpassungsansprüche im Zusammenhang mit staatlichen Covid 19 - Maßnahmen allein auf die Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage ankommen wird.

Dabei bleibt offen, ob und in welchem Umfang eine Mietanpassung das Ergebnis einer differenzierten Einzelfallbetrachtung der mieterseitigen Umsatzeinbußen, erhaltener staatlicher Hilfen, ersparter Aufwendungen und weiterer Faktoren sein wird, welche die wirtschaftliche Situation von Mieter und Vermieter insgesamt während der Zeit der staatlichen Maßnahmen und ggf. darüber hinaus tangiert haben (in diese Richtung gehen die Oberlandesgerichte Karlsruhe, München und Schleswig), oder ob die Rechtsprechung (eher dem Oberlandesgericht Dresden folgend) vor allem die zeitweise Störung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung im betroffenen Mietverhältnis in den Fokus nimmt.

Die Entscheidungen der Oberlandesgerichte zeigen jedoch, dass auch nach der Vermutungsregelung in dem neuen Art. 240 § 7 EGBGB jedenfalls nicht pauschal von einem Anspruch des Mieters auf Mietreduzierung bzw. Mietanpassung ausgegangen werden kann. Vielmehr deutet sich an, dass es sich bei den Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage weiter um Ausnahmeregelungen handeln soll, deren Voraussetzungen in jedem Einzelfall genau zu betrachten und abzuwägen bleiben.

Mit Spannung wird nunmehr eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erwartet, die voraussichtlich erhebliche Folgen für zahlreiche Mietverhältnisse haben wird. Zu beachten ist auch, dass sich bis zu einer Entscheidung auch die rechtlichen Grundlagen fortentwickeln, insbesondere im Zusammenhang mit der Bekämpfung / Eindämmung der sogenannten 3. bzw. 4. Welle.

Den Beteiligten kann vor diesem Hintergrund weiterhin nur empfohlen werden, das Gespräch zu suchen, um unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles konstruktive und einvernehmliche Lösungen zu finden. Eine Beratung und Begleitung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt bleibt dabei weiterhin empfehlenswert.