Gesetz gegen Hass und illegale Inhalte im Internet
Das umstrittene NetzDG ist seit Anfang Oktober in Kraft
Das umstrittene NetzDG ist seit Anfang Oktober in Kraft
Ein Kommentar von Fiona Schönbohm
Unser lieber Herr Maas wurde ja mal wieder massiv kritisiert für sein neues Social Media-Gesetz. Hat der eigentlich schonmal für eines seiner Projekte Lob geerntet? Nunja, man hat es eben nicht leicht als Justizminister. Das neue Netzdurchsuchungsgesetz (NetzDG) macht viele Versprechungen und schürt zugleich große Angst. Ein Überblick über die neueste Errungenschaft im Internetrecht.
Rechtsfreier Raum Internet?
Das neue NetzDG dient offiziell der sogenannten „Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“. Es soll Antworten geben auf die Frage, wie zunehmenden Rechtsverstößen im Internet begegnet werden kann. Dazu gehören vor allem Urheberrechtsverstöße ebenso wie Beleidigungen.
Das neue Gesetz löst dieses sehr komplexe und heftig umstrittene Problem auf recht simple Art: Die Netzwerke sollen ran. Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Youtube sollen strafbare Inhalte in Zukunft innerhalb von 24 Stunden löschen müssen. Für rechtlich unklare Fälle ist eine Frist von sieben Tagen eingeräumt. Bei systematischen Verstößen durch die Netzwerke sind erhebliche Geldstrafen von bis zu 50 Millionen Euro vorgesehen.
Was spricht für das Gesetz?
Unser Justizminister rechtfertigt das Gesetz so: Wenn die großen Konzerne mit ihren sozialen Netzwerken Unmengen an Geld verdienen, können sie sich auch darum kümmern, dass dort keine Rechtsverstöße geschehen. Dann können sie allemal etwas von dem Geld ausgeben, um neue Rechtsabteilungen zu schaffen, die für die Meldung von Rechtsverstößen verantwortlich sind.
Denn, und das muss man bedenken, wenn Straftaten gerichtlich verfolgt werden sollen, die im Internet stattgefunden haben, stößt unsere Gerichtsbarkeit manchmal an ihre Grenzen. Nämlich immer dann, wenn ausländische Staatsbürger beteiligt sind. Wenn nun ein US-Amerikaner einen Deutschen auf Facebook aufs Gröbste beleidigt, unterliegt er in der Regel dennoch nicht dem Zugriff deutscher Strafverfolgungsbehörden.
Ein weiterer Aspekt spricht für das neue Gesetz: Eine etwaige Verurteilung des Täters oder die Zahlung von Schadenersatz hilft den Opfern dann nicht weiter, wenn die rechtswidrigen Inhalte immer noch im Netz kursieren. Ihnen geht es meistens vor allem darum, dass die Inhalte so schnell wie möglich verschwinden. Das können aber alleine die Netzwerke selbst ermöglichen.
Was spricht gegen das Gesetz?
Das Gesetz wurde im Bundestag durch die Zusammenarbeit der großen Koalition durchgewinkt — trotz vehementen Widerstands in den Oppositionsparteien. Neben vielen Abgeordneten kritisiert sogar der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages das Gesetz scharf. Er setzt darauf, dass das Vorhaben höchstrichterlich gekippt werden wird.
Problematisch ist an dem Gesetz in erster Linie die Tatsache, dass nun die Online-Unternehmen darüber entscheiden sollen, was gelöscht wird und was nicht. Das bedeutet einerseits ein kompetentielles Problem: Unternehmen dürfen doch eigentlich gar nicht entscheiden, was rechtswidrig ist und was nicht. Das steht doch nach deutschem Recht immer noch der Gerichtsbarkeit zu. Mal davon abgesehen, dass Rechtsverstoß schließlich Rechtsverstoß bleibt und nicht mehr verfolgt und bestraft wird, sondern durch Löschung innerhalb einer gewissen Zeitspanne erledigt sein soll, ergibt sich darüber hinaus ein zweites, noch viel dringlicheres Folgeproblem:
Man spricht dabei von dem sogenannten „Overblocking“. Was, wenn nun ein soziales Netzwerk Inhalte löscht, die gar nicht rechtswidrig sind? Sondern aus politischen, finanziellen oder sonstigen Gründen löscht? Und überhaupt, was geschieht denn mit unserer heiligen Kuh: Der Meinungsfreiheit? Dürfen nun amerikanische Unternehmen aus eigener Machthoheit deutsche Meinungen unterdrücken? Die politisch links-orientierten schreien natürlich auf. Aber auch den Verfechtern eines „freien“ Internets wird mulmig.
Zwar ist in dem Gesetz ein Gremium für Zweifelsfälle vorgesehen, das dem Justizministerium untersteht. Das sieht doch aber vor, dass Zweifelsfälle überhaupt als solche eingestuft und nicht einfach gelöscht werden. Und wer das kontrolliert, bleibt bis heute offen. Zu Recht birgt das neue NetzDG also nicht nur zahlreiche Missbrauchsrisiken, sondern auch Konflikte mit dem Grundgesetz. Wie lange es in Kraft bleibt, müssen wir daher abwarten. Medienrechtler sind gespannt.