Geschäftsführerhaftung bei Kartellrechtsverstößen?
Neues Urteil des OLG Düsseldorf belebt die Debatte
Klagen des eigenen Unternehmens gegen ihre Geschäftsführer sind mittlerweile Alltag. Eine neu wiederbelebte Debatte um die Geschäftsführerhaftung wegen Kartellrechtsverstößen haben wir einem Urteil des OLG Düsseldorf zu verdanken.
Die Haftung von Geschäftsführern bei Verstößen gegen das Kartellrecht ist ein Thema von hoher Relevanz für Unternehmen und deren Führungskräfte. In einem aktuellen Urteil vom 27. Juli 2023 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf eine wegweisende Entscheidung getroffen, die den Diskurs über Kartellbußgelder und den Regress gegen die eigenen Geschäftsführer neu entfacht hat.
OLG Düsseldorf versagt Geschäftsführerhaftung
In dem Fall ging es um eine GmbH, die ihren Geschäftsführer wegen einer gegen die Gesellschaft verhängten Kartellbuße in Regress nehmen wollte. Das OLG Düsseldorf entschied, dass kartellrechtliche Verbandsgeldbußen im Wege der teleologischen Reduktion vom Binnenregress der Gesellschafter gegen ihre Organe auszunehmen sind. Das bedeutet, dass die Gesellschaft die gegen sie verhängten Bußgelder nicht als Schaden gegenüber dem verantwortlichen Geschäftsführer geltend machen kann.
Kein Regress des Geschäftsführers
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf basiert primär auf drei wesentlichen Überlegungen, die Sie nachfolgend aufgelistet finden.
- Abschreckungswirkung der Kartellbußen: Die kartellrechtlichen Bußgeldnormen haben den Zweck, Unternehmen nachhaltig zu treffen und sie von künftigen Rechtsverstößen abzuhalten. Eine Regressmöglichkeit gegen den Geschäftsführer würde diesen abschreckenden Effekt abschwächen, da die finanzielle Last auf das verantwortliche Organ verlagert würde, das in der Regel nicht in der Lage ist, die hohen Bußgelder auszugleichen.
- Doppelte Sanktionierung: Der Geschäftsführer würde bei Zulassung des Regresses doppelt sanktioniert werden – einmal durch die direkte persönliche Haftung und zum anderen durch die Verantwortlichkeit für die gegen die Gesellschaft verhängte Buße. Dies würde zu einer übermäßigen Belastung führen, die der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat.
- Effet utile: Die Effektivität des europäischen Kartellrechts wäre gefährdet, wenn Unternehmen die Möglichkeit hätten, sich durch Regressforderungen von der finanziellen Verantwortung für Kartellverstöße zu entlasten. Der sanktionsrechtliche Charakter der Bußgelder muss gewährleistet bleiben, um den präventiven Zweck der Sanktionen zu erfüllen.
Kritiker & Gegenargumente
Trotz der klaren Linie des OLG Düsseldorf gibt es auch kritische Stimmen, die die Geschäftsführerhaftung befürworten. Die Kritiker argumentieren, dass die Haftung der Geschäftsführer einen wichtigen Beitrag zur Compliance-Kultur innerhalb von Unternehmen leistet. Durch die persönliche Haftung würde ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, sich strikt an gesetzliche Vorgaben zu halten.
Ein weiterer Punkt ist die Differenzierung zwischen dem Ahndungs- und dem Abschöpfungsteil der Buße. Während der Abschöpfungsteil der Buße den unrechtmäßig erzielten Gewinn betrifft und damit nicht regressierbar ist, könnte der Ahndungsteil als ersatzfähiger Schaden betrachtet werden. Dies würde jedoch eine komplexe Abgrenzung und Bewertung erfordern, die in der Praxis schwierig umzusetzen ist.
Kartellrechtliche Risiken für Geschäftsführer
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf setzt einen wichtigen Meilenstein in der Diskussion um den Regress von Kartellbußgeldern gegenüber Geschäftsführern. Sie betont die Notwendigkeit, die abschreckende Wirkung der kartellrechtlichen Bußgelder zu erhalten und die doppelte Sanktionierung der verantwortlichen Organe zu vermeiden. Dennoch bleibt die Frage der Haftung ein komplexes und umstrittenes Thema, das weiterhin Gegenstand juristischer und wissenschaftlicher Debatten sein wird.
Für Geschäftsführer ist es daher unerlässlich, sich der kartellrechtlichen Risiken bewusst zu sein und präventive Maßnahmen zu ergreifen, um Verstöße zu vermeiden. Unternehmen sollten ihre Compliance-Strukturen stärken und sicherstellen, dass alle Führungskräfte über die relevanten gesetzlichen Vorgaben informiert sind und diese einhalten.
Die Tendenz der aktuellen Rechtsprechung scheint zugunsten der Geschäftsführer zu gehen, indem die persönliche Haftung für Kartellbußgelder begrenzt wird. Dennoch bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in zukünftigen Fällen entwickeln wird und ob der Bundesgerichtshof diese Linie bestätigt oder abändert. Aus Anwaltssicht ist die klare Empfehlung: bei ihren Entscheidungen sollte die Geschäftsführung nichts dem Zufall überlassen - andernfalls droht eine Klage gegen den Geschäftsführer.