Falschen Erbschein einziehen?
Zuständigkeitsfehler beim Nachlassgericht
Ein bereits erteilter Erbschein kann vom Nachlassgericht auch wieder eingezogen werden. Über die Voraussetzungen darüber kann man natürlich streiten.
Mit dem Erbschein können sich Erben legitimieren - zum Beispiel gegenüber Banken oder dem Grundbuchamt. Erweist sich ein erteilter Erbschein als “unrichtig”, ist er vom Nachlassgericht einzuziehn. Das ist vor allem der Fall, wenn der Erbschein falsche Erben ausweist oder die angegebenen Erbteile falsch sind. Aber auch formelle Fehler im Erbscheinverfahren können dazu führen, dass ein Erbschein einzuziehen ist. Das OLG Hamm musste in einem aktuellen Beschluss über das Schicksal eines Erbscheins entscheiden, der vom unzuständigen Rechtspfleger erteilt wurde (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Juli 2024 - 10 W 12/24).
Unklare Erbfolge aufgrund ausländischen Güterrechts
In dem Erbscheinverfahren ging es um die Erbschaft einer Frau. Ihr hinterbliebener Ehemann und ihre beiden Brüder stellten einen Erbscheinantrag aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Erben sollten danach der Ehemann, die Geschwister und auch Neffen und Nichten zu bestimmten Erbquoten. Der Rechtspfleger wies dann aber darauf hin, dass hier womöglich kein deutsches Güterrecht zur Anwendung komme, da die Ehe in Jamaika geschlossen worden war und der Witwer aus Jamaika stamme. Daraufhin wurde ein anderer Erbschein beantragt und ausgestellt, der zwar ebenfalls den Ehegatten, die Geschwister und die Neffen und Nichten als Erben auswies - jedoch zu anderen Erbquoten.
Damit war der Witwer nicht einverstanden. Er vertrat die Ansicht, dass deutsches Güterrecht anwendbar sei und er daher von der erhöhten Erbquote aufgrund der Zugewinngemeinschaft profitieren müsse. Das Nachlassgericht hielt den Erbschein aber für korrekt, da für das Güterrecht der Ort der Eheschließung ausschlaggebend sei. Hiergegen ging der Witwer mit einer Beschwerde vor.
Einziehung des Erbscheins aufgrund erheblicher Verfahrensverstöße
Begründet wurde die Beschwerde auch mit der Unzuständigkeit des Rechtspflegers. Die Beschwerde beim OLG Hamm war erfolgreich. Die Unrichtigkeit des Erbscheins, so das Gericht, könne sich aus formellen oder materiellen Aspekten ergeben. Beruhe der Erbschein auf erheblichen Verfahrensverstößen im Erbscheinerteilungsverfahren, ist er formell rechtsunwirksam und einzuziehen. Entscheidende Norm dafür sei § 2361 BGB, der in diesen Fällen analog anzuwenden sei.
Der Verstoß liegt hier nach Auffassung des OLG Hamm darin, dass nicht der Richter, sondern der Rechtspfleger den Erbschein erteilt hatte. Zwar könnten Rechtspflegern grundsätzlich Nachlasssachen und auch die Erteilung von Erbscheinen übertragen werden. § 16 I Nr. 6 RPflG bestimmt jedoch einen sogenannten Richtervorbehalt, nach dem der Richter immer dann zuständig ist, wenn die Anwendung ausländischen Erbrechts in Betracht komme. Das war vorliegend insoweit der Fall, als sich die gesetzliche Erbfolge möglicherweise auch nach jamaikanischem Güterrecht bestimmt.
Das Erbscheinverfahren als Arena im Kampf um das Erbrecht
Für die Beantragung eines Erbscheins muss häufig kein Rechtsanwalt eingeschaltet werden. Anwaltliche Vertretung im Erbscheinverfahren ist aber stets dann geboten, wenn es Streit darüber gibt, wer in welcher Höhe geerbt hat. Streitige Erbfolgen kann es - wie im vorliegenden Fall - auch bei der gesetzlichen Erbfolge geben. Häufiger gibt es aber Konflikte, wenn das Erbe mit einem Testament geregelt wurde und sich die Beteiligten uneinig darüber sind, ob das Testament wirksam ist bzw. wie es auszulegen ist. Dann gilt es, im Erbscheinverfahren seine Position erfolgreich durchzusetzen.
Streit um das Erbe beim Nachlassgericht
Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt in diesem Video, wie eine umstrittene Erbfolge im Erbscheinverfahren beim Nachlassgericht geklärt wird.