Wahr oder unwahr? Entscheidung zu Jameda & Co.

Beweislast bei Online-Bewertungen

Veröffentlicht am: 22.10.2018
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
Lesedauer:

Beweislast bei Online-Bewertungen

Ein Beitrag von Thomas Repka

Eine gute Reputation ist vor allem im Internet und zu Zeiten der Digitalisierung der Schlüssel für wirtschaftlichen Erfolg. Bewertungen von Waren und Dienstleistungen haben in der heutigen Zeit eine große Macht. Viele Unternehmer und Freiberufler kümmern sich daher intensiv um ihr Reputationsmanagement. Immer wieder sind daher negative und angeblich falsche Bewertungen Gegenstand von Gerichtsverfahren.

Ärzte als Vorreiter bei Bewertungen: Von Meinungsfreiheit bis Erpressung

Eine Berufsgruppe, die das Thema Bewertungen bereits seit Jahren kennt, sind Ärzte. Das Aufkommen von Portalen wie Jameda oder DocInsider hat dazu geführt, dass die Arztwahl vor allem im Internet und auf Grundlage von Bewertungen anderer Patienten stattfindet. Dass diese Entwicklung auch ihre Schattenseiten hat, erstaunt bei der „Macht“ von Bewertungen nicht. So hören wir in unserem Beratungsalltag von Mandanten immer wieder, dass Patienten Krankschreibungen oder bestimmte Rezepte mit der Drohung einer schlechten Bewertung zu „erpressen“ versuchen. Auch tatsächlich falsche Bewertungen, z.B. von Konkurrenten, stellen für unsere Mandanten ein großes Problem dar.

Oft gelingt es uns, Bewertungen mit falschen Tatsachenbehauptungen oder gänzlich falsche – ausgedachte – bei den einschlägigen Plattformen die Bewertungen löschen zu lassen. Gibt es Streit über die Wahr- oder Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung stellt sich dann fast immer die Frage, wer eigentlich die Wahr- oder Unwahrheit beweisen muss.

Was ist erlaubt? Wer muss was beweisen?

Klargestellt hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit bereits, dass eine Bewertung einen tatsächlichen Anknüpfungspunkt haben muss. Im Fall einer Arztbewertung muss also ein Patientenkontakt stattgefunden haben. Eine Bewertung ohne jeden solchen Kontakt ist rechtswidrig und von Plattformen zu löschen. In aller Regel werden  Bewertungen aber anonym veröffentlicht. Es stellt sich also auch hier die Frage, wer beweisen muss, dass es einen solchen Patientenkontakt gab. Der Arzt kann es – aufgrund der Anonymität – in aller Regel nicht. Der Bewertende möchte im Zweifel unerkannt bleiben. Und die Bewertungsplattform steht zwischen den Stühlen.

Aktuelle Entscheidung des Landgerichts Frankenthal

Das Landgericht Frankenthal (Urteil vom 18. September 2018, 6 O 39/18) hat sich nun genau zu diesem Thema geäußert und womöglich etwas mehr Licht ins Dunkel der Beweislast gebracht.

Im konkreten Fall wehrte sich ein Arzt gegen eine negative und aus seiner Sicht falsche Bewertung. Der Kläger meinte, ein Behandlungskontakt habe nie stattgefunden. Die Bewertungsplattform wandte sich daher an den Bewertenden und forderte diesen auf, die Bewertung näher zu begründen und Anknüpfungstatsachen für den Behandlungskontakt darzulegen. In der Antwort des Patienten hieß es u.a., dass der Bewertende solche Tatsachen „bewusst nicht gemacht“ hätte. In einem übersandten Dokument an den Arzt waren der Patientenname und das Datum geschwärzt, als Behandlungszeitraum wurde Juni 2012 bis Juni 2016 angegeben.

Die Richter am LG Frankenthal sahen dies nicht als ausreichend an und stellte die Grundsätze der Beweislast noch einmal klar: grundsätzlich trägt der Kläger (hier also der Arzt) die Beweislast für die Rechtswidrigkeit einer Äußerung. Der Beweis einer negativen Tatsache (hier das Nicht-Stattfinden einer Behandlung) ist nachvollziehbarerweise aber besonders schwierig. Das Bewertungsportal muss daher im Rahmen der sogenannten „sekundären Darlegungslast“ Tatsachen vorlegen, die der Kläger entkräften kann.

Im konkreten Fall reichte das übersandte geschwärzte Dokument aus Sicht des Landgerichts nicht aus. Die Stellungnahme des Users enthalte keinen belastbaren Tatsachenkern. Es sei daher davon auszugehen, dass eine Behandlung nicht stattgefunden habe und die Bewertung somit unwahr und zu löschen sei.

Auswirkungen des Urteils auf die Praxis

Das Urteil stellt unter anderem das übliche Vorgehen von Jameda in Frage, erhält man als derjenige, der versucht eine Bewertung zu löschen, oft nur zu einem Großteil geschwärzte Dokumente über den angeblichen Behandlungskontakt. Ob dies mit dem Urteil des LG Frankenthal in Einklang zu bringen ist und wirklich ausreicht, darf bezweifelt werden. Dass die Plattform aus datenschutzrechtlichen Gründen auch die Interessen ihrer Nutzer wahren muss ist klar – dennoch müssen Betroffene einer solchen Bewertung in die Lage versetzt werden, den Grund und den Sachverhalt der Bewertung nachvollziehen zu können.