Entschädigung für Grundstücksenteignung ist nicht steuerbarer Gewinn

Grundstücksenteignung ist kein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 EStG

Veröffentlicht am: 16.10.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Grundstücksenteignung ist kein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 EStG

Ein Beitrag von Dirk Mahler, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Berlin

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in seinem Urteil vom 23.07.2019 (Aktenzeichen IX R 28/18) mit der Frage der Besteuerung im Zusammenhang mit einer Grundstücksenteignung eines im Privatvermögen gehaltenen Grundstückes befasst.

Hintergrund ist privates Veräußerungsgeschäft und die sogenannte Spekulationssteuer

Der Gewinn aus der Veräußerung eines im Privatvermögen gehaltenen Grundstückes unterliegt gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG der Einkommensteuer, wenn zwischen der Anschaffung und der Veräußerung grundsätzlich ein Zeitraum von weniger als zehn Jahren vergangen ist. Hinsichtlich der Frage, was als Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft anzusehen ist, liegen eine ganze Reihe von höchstrichterlichen Entscheidungen vor. Lediglich bezüglich der Frage, ob auch eine Grundstücksenteignung ein Veräußerungsgeschäft im Sinne dieser Regelung darstellt, bestand lange Unklarheit.

Finanzverwaltung sieht ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft

Der Kläger erwarb den hälftigen Miteigentumsanteil Anfang der 1990er Jahre und den restlichen Miteigentumsanteil im Jahr 2005 und hielt dieses Grundstück unzweifelhaft in seinem Privatvermögen. Im Jahr 2008 enteignete die Stadt das Grundstück auf Grundlage entsprechender Gesetze und setzte eine entsprechende Entschädigung zugunsten des Klägers fest. Unbeachtlich ist, dass es zwischen der Stadt und dem Kläger zum Streit über die Höhe der Entschädigung kam.

Die Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, dass ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft im Sinne der Vorschrift vorliegt. Die Beweggründe für eine Veräußerung seien tatsächlich unbeachtlich. Auch die historische Entwicklung und der Zweck der Regelung des § 23 EStG sprächen dafür, dass auch in Enteignungsfällen von einer Veräußerung auszugehen sei.

Dem trat der Kläger mit dem Argument entgegen, dass aufgrund des Wortlautes der Vorschrift nur rechtsgeschäftliche Fälle eine Veräußerung im Sinne der Vorschrift darstellen könnten. Nicht jeder entgeltliche Rechtsträgerwechsel sei abgedeckt. Da § 23 EStG eine Ausnahmevorschrift darstelle, dürfe diese nicht extensiv ausgelegt werden.

BFH: ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen auf Verlust des Grundstücks liegt keine Veräußerung vor

Der Bundesfinanzhof folgte der Argumentation des Klägers und hat folgendes entschieden:

Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG) auch solche aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG. Diese umfassen gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG unter anderem Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Unter Anschaffung bzw. Veräußerung i.S.d. § 23 EStG ist danach der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person zu verstehen. Die Anschaffung bzw. Veräußerung müssen dabei wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen getragen sein. Demgegenüber liegt keine Veräußerung i. S. d. Vorschrift vor, wenn – wie im Falle einer Enteignung oder Umlegung – die Begründung oder der Verlust des Eigentums am Grundstück „ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet“.

Auch den übrigen Argumenten der Finanzbehörde vermochte das Gericht nicht zu folgen. Insoweit stellt der „Gewinn“ im Falle der Enteignung eines Grundstückes einen nicht steuerbaren Gewinn dar.

Kommentar zur Entscheidung

Das Urteil beseitigt bisher bestehende Rechtsunsicherheiten. Fraglich ist, ob dieses Urteil auch für andere Fragen des Steuerrechts im Zusammenhang mit Grundstücken Anwendung findet. Insbesondere bezüglich der Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und dem gewerblichen Grundstückshandel kann diese Frage zukünftig von Bedeutung sein. Soweit eine Gemeinde oder ein Mieter von einem etwaigen Vorkaufsrecht Gebrauch machen sollte, findet diese Entscheidung jedoch keine Anwendung.