Dürfen Arbeitgeber bald nicht mehr twittern?
Die Rechtslage im Arbeitsrecht ist weiter unsicher.
Ein Beitrag von Fiona Schönbohm
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte diese Woche über die Frage zu entscheiden, ob der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrates Twitter nutzen darf. Und so merkwürdig es anmutet – so abwegig ist ein Zustimmungserfordernis nach der bisherigen Rechtsprechung gar nicht.
Social Media Recht setzt Grenzen
Mittlerweile gehört eine Präsenz in den sozialen Medien zur Standardausrüstung eines jeden Unternehmens: Facebook, Instagram, Twitter & Co. werden regelmäßig mit kleinen Nachrichten gefüttert, um die nächste Generation zu erreichen – obwohl ja mittlerweile auch deren Eltern alle Facebook schon für sich entdeckt haben.
Aber da das Internet ja bekanntlich kein rechtsfreier Raum ist (wie häufig haben Sie diesen Satz schon in politischen Diskussionen gehört?), gilt es auch hier, rechtliche Grenzen zu beachten. Juristen sprechen schon ganz ungeniert vom Internetrecht. Und obwohl Facebook sich immer wieder vor deutschen Gerichten wiederfindet – so häufig sogar, dass man mittlerweile von dem Facebookrecht als eigenes Querschnittsgebiet spricht – blieb ausgerechnet Twitter davon bisher lange unberührt.
Beschwerde über Angestellte – auf Twitter?
Doch es kommt juristischer Wind in die zahlreichen Rechtsfragen, die für Twitter noch völlig ungeklärt sind. Hintergrund ist die Klage des Betriebsrates einer deutschlandweit agierenden Kinokette. Diese nutzte Twitter, um Kinobesucher über anstehende Events und Neuigkeiten zu informieren.
Der Betriebsrat wandte ein, dies sei ohne seine Zustimmung nicht möglich. Er meint, Kinobesucher könnten auf Tweets reagieren und sich in ihren Kommentaren über bestimmte, identifizierbare Angestellte des Kinopersonals beschweren, etwa weil diese unfreundlich oder unprofessionell gehandelt hätten. Der Arbeitgeber wäre dann aufgrund dieser Rückmeldungen in der Lage, seine Arbeitnehmer mittelbar zu überwachen.
Überwachungsregelung im Arbeitsrecht
Hintergrund der Klage ist eine Regelung im Arbeitsrecht, der zufolge die Zustimmung des Betriebsrates immer dann erforderlich ist, wenn es um die Einführung und Anwendung „technischer Überwachungseinrichtungen“ geht, die „dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“.
Dabei wird in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte diese Bestimmung sehr weit ausgelegt. So genügt es nach der Rechtsprechung des BAG, wenn die technische Einrichtung eine Arbeitnehmerüberwachung ermöglicht – unabhängig davon, ob sie für diesen Zweck genutzt wird oder für vorrangig andere Zwecke. Dazu zählen nach ihrer Auslegung auch Social Media.
Betriebsrat bleibt im Unklaren
So entschied denn das BAG in einem ganz ähnlichen Fall bereits im Dezember 2016, dort aber ging es um die Nutzung von Facebook. Das Gericht urteilte, dass der Betriebsrat tatsächlich einer Nutzung von Facebook durch den Arbeitgeber zustimmen müsse. Wäre diese Zustimmung nicht gegeben, müsse der Arbeitgeber jedenfalls die Kommentarfunktion deaktivieren.
Bei Twitter ist eine Deaktivierung der Kommentarfunktion indes nicht möglich. Theoretisch, unter Zugrundelegung der obigen Rechtsprechung, hätte dem Arbeitgeber also im konkreten Fall die gesamte Nutzung von Twitter untersagt werden müssen. Während das zweitinstanzlich mit dem Fall beschäftigte Landesarbeitsgericht Hamburg dies tat, hielt sich das BAG nun aber an einem formellen Fehler in der Klage auf und wies sie als unzulässig zurück.
Ob nun tatsächlich die Zustimmung des Betriebsrates für eine Nutzung von Twitter notwendig ist, bleibt in der Rechtsprechung obergerichtlich weiter ungeklärt. Aufgrund der bisherigen Tendenzen in ähnlich gelagerten Fällen weist aber viel darauf hin. Auf jeden Fall bleibt es spannend im Social Media Recht.