Deutscher Kündigungsschutz für ausländischen Luftverkehrsbetrieb?
BAG zu dem besonderen Betriebsbegriff für den Luftverkehr
Eine österreichische Airline kündigte Arbeitnehmer ohne Beachtung des deutschen Kündigungsschutzes. Nun macht der BAG die Besonderheiten des Betriebsbegriffes für den Luftverkehr deutlich und zeigte auf, dass ausländische Luftverkehrsbetriebe das KSchG beachten müssen.
Für eine wirksame Arbeitgeberkündigung sind eine Reihe von Bestimmungen aus dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zu beachten. So ist ab einer bestimmten Anzahl von Arbeitgeberkündigungen die Massenentlassung nach § 17 KSchG behördlich anzuzeigen und häufig eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zwischen den zu kündigenden und verbleibenden Arbeitnehmern durchzuführen. Dies gilt unweigerlich für alle deutschen Betriebe. Nicht immer ist aber so klar, was nun ein deutscher Betrieb im Sinne des KSchG ist. Besonders im Bereich des Luftverkehrs gab es in der Vergangenheit häufig Streit um den Kündigungsschutz. Erst kürzlich musste sich das Bundesarbeitsgericht hierfür erneut mit der Frage des Betriebsbegriffs im Luftverkehr beschäftigen (BAG, Urteil vom 29.05.2024 - 2 AZR 325/22).
„Wir sind kein Betrieb in Deutschland.“
Die betreffende Airline ist eine Ryanair-Tochter mit in Österreich registrierten Flugzeugen. Zwei ihrer Basen befinden sich in Deutschland. Die Einsatzplanung erfolgt in Polen und zahlreiche Funktionsträger haben ihren Sitz in Österreich, wo auch alle Personalentscheidungen getroffen werden. Als die Airline beschloss, den Flugverkehr in Deutschland einzustellen, erfolgten die Kündigungen des in Deutschland tätigen Flugpersonals aus Österreich. Weder eine Sozialauswahl noch die Anzeige nach § 17 KSchG wurden durchgeführt. Der Grund dafür ist, dass sich die Airline nicht vom deutschen Kündigungsschutz erfasst sieht. Trotzdem legten zwei der gekündigten Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage bei deutschen Arbeitsgerichten ein.
Die Airline machte geltend, dass keines ihrer Flugzeuge in Deutschland registriert sei. Stattdessen rotierten die Flugzeuge und würden an unterschiedlichen Orten eingesetzt. Außerdem sei in den Arbeitsverträgen der betroffenen Arbeitnehmer ausdrücklich die Geltung österreichischen Rechts vereinbart worden. Zudem habe die Ryanair-Tochter keine organisatorische Einheit in Deutschland. Diese sei für den Betriebsbegriff erforderlich.
Betrieb ≠ Betrieb
Der Betriebsbegriff im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG setzt das Vorhandensein einer organisatorischen Einheit von Arbeitsmitteln voraus, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern unter Nutzung technischer und immaterieller Mittel einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck kontinuierlich verfolgt, der nicht nur der Befriedigung des Eigenbedarfs dient. Der Luftverkehrsbetrieb nimmt jedoch im § 24 Abs. 2 KSchG eine Sonderstellung ein. Danach bildet die Gesamtheit der Luftfahrzeuge eines Luftverkehrsbetriebs den Betrieb. Damit sind die Betriebsbegriffe verschieden.
Der BAG macht deutlich, dass für den Luftverkehrsbetrieb keine organisatorische Einheit erforderlich ist. Entscheidend sei nur, dass eine bestimmte Anzahl von Flugzeugen mit Besatzung einem deutschen Flughafen fest zugeordnet ist. Dies ergebe sich aus § 24 Abs. 2 KSchG, mit dem der Gesetzgeber den Besonderheiten des Luftverkehrs gerecht werden wollte und das Eingreifen des Kündigungsschutzes allein von sächlichen Mitteln (Flugzeugen) abhängig mache. Daran ändere auch eine abweichende Vereinbarung im Arbeitsvertrag nichts.
Kündigungsschutz für (fliegendes) Personal
Zwar scheiterten die Kündigungsschutzklagen im Ergebnis daran, dass die Kündigungen nicht sozial ungerechtfertigt waren, jedoch zeigt das BAG-Urteil die Umstände, unter denen auch Arbeitnehmer eines ausländischen Luftverkehrsbetriebs unter den deutschen Kündigungsschutz fallen. Arbeitgeber sollten sich rechtzeitig mit der Geltung des KSchG befassen, zumal ein einfacher vertraglicher Anwendungsausschluss – wie sich erneut gezeigt hat – nicht immer Abhilfe schafft.