Berufsgeheimnis versus Informationsfreiheit
BaFin-Urteil des EuGH
BaFin-Urteil des EuGH
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Michael Demuth
Die BaFin hat die Informationen, die sie von den von ihr beaufsichtigten Unternehmen erhält gemäß § 9 Abs. 1 Kreditwesengesetz (KWG) vertraulich zu behandeln. Andererseits verpflichtet das seit 2006 bestehende Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Bundesbehörden dazu, grundsätzlich Informationen und Auskünfte auch an unbeteiligte Dritte zu geben. Das traditionelle Amtsgeheimnis gibt es nicht mehr.
Damit befindet sich die BaFin in einem gewissen Dilemma. Um Banken und Finanzdienstleister angemessen zu überwachen, verpflichtet der Gesetzgeber diese Unternehmen dazu, im Rahmen des Verfahrens zur Erlangung einer BaFin-Erlaubnis und bei der laufenden Überwachung, umfangreiche und aus Unternehmenssicht im hohen Maße sensible, Informationen zur Verfügung zu stellen. Andererseits unterfällt die BaFin als Bundesbehörde jedoch dem IFG und ist damit grundsätzlich verpflichtet, auch Dritten Zugang zu diesen Informationen zu gewähren. Dies untergräbt das Vertrauensverhältnis zu den überwachten Unternehmen und kann die Kontrolle beeinträchtigen.
Worüber der EuGH zu entscheiden hatte
Im vorliegenden Fall hatte der EuG’H über die Klage eines geschädigten Anlegers zu entscheiden. Dieser wollte über das IFG an Informationen bezüglich der mittlerweile insolventen, von der BaFin beaufsichtigten Phoenix Kapitaldienst GmbH gelangen. Man darf annehmen, um an Informationen über die Hinterleute zu kommen, um Schadensersatz fordern zu können.
Die BaFin verweigerte die Auskunft unter Berufung auf die zu schützenden Geschäftsgeheimnisse. Die dagegen eingereichte Klage hatte zunächst Erfolg. Das BVerwG hat sich dann die Frage gestellt, ob der spezifische Berufsgeheimnisschutz im Finanzbereich nicht im Hinblick auf die europarechtlichen Vorgaben gemäß Artikel 76 Abs. 1 MIFID II (vorher Art. 54 Abs. 1 MIFID I) besonders weit auszulegen ist, sodass der Informationsanspruch zurückzustehen hat.
Diese Frage hat das BVerwG dann dem EuGH vorgelegt und wollte dabei wissen, welche Kriterien zur Bestimmung von vertraulichen Informationen aus unionsrechtlicher Sicht anzuwenden sind. Außerdem fragt es den EuGH, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Vertraulichkeit der Information abzustellen ist, bei Erlangung der Informationen oder bei Erteilung der Auskünfte.
Nicht alles ist vertraulich
Der EuGH stellt in seiner Entscheidung (Rs. EUGH Aktenzeichen C-15/16) fest, dass nicht alle Informationen vom Berufsgeheimnisschutz aus der MIFID-Richtlinie erfasst sind. Solche sind nach Auffassung des Gerichts nur dann geschützt, wenn sie nicht bereits öffentlich bekannt sind und darüber hinaus bei der Weitergabe eine Beeinträchtigung der Interessen des beaufsichtigten Unternehmens droht. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, darf die Auskunft somit verweigert werden.
Der EuGH kommt hinsichtlich des Zeitpunkts der Beurteilung der Vertraulichkeit zu dem Schluss, dass maßgeblich der Zeitpunkt der Erteilung der Auskünfte ist. Ob Informationen im Zeitpunkt der Überlassung an die Behörde als vertraulich einzustufen waren, ist dagegen nicht entscheidend.
Der EuGH stellt darüber hinaus fest, dass Informationen nach Ablauf von 5 Jahren seit Überlassung an die Behörde grundsätzlich nicht mehr als vertraulich einzustufen sind. Nur wenn das betroffene Unternehmen in Ausnahmefällen nachweist, dass die Informationen immer noch relevant für seine wirtschaftliche Stellung sind, greift der Geheimnisschutz über die 5 Jahre hinaus.
Folgen für die Praxis
Das Urteil des EuGH bringt einige Klarheit. Für die unter BaFin- Aufsicht stehenden Unternehmen stellt es praktisch ein Problem dar, dass sie einerseits aus aufsichtsrechtlichen Gründen gezwungen sind, gegenüber der BaFin in großen Umfang auch hochsensible Informationen offenzulegen und dass das IFG andererseits im Grundsatz jedermann Zugang zu diesen Informationen einräumt. Da kein berechtigtes Interesse nachzuweisen ist, wären auch Konkurrenzunternehmen grundsätzlich befugt, solche Informationen zu erlangen.
Durch die Rechtsprechung des EuGH im Aufsichtsrecht ist nunmehr klargestellt, dass der Geheimnisschutz bereits unionsrechtlich bedingt dem Informationsanspruch aus dem IFG vorgeht, wenn es sich um Informationen handelt, deren Weitergabe die Interessen des betroffenen Unternehmens beeinträchtigt. Andererseits wird klargestellt, dass die Informationen nicht per se geschützt sind, sondern der Schutz entfällt, wenn diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen.
Im vorliegenden Fall dürfte der Informationsanspruch des geschädigten Anlegers gegeben sein, da das betroffene Unternehmen insolvent ist und seine geschäftlichen Interessen auf den Abwicklungszweck begrenzt sind, es sei denn, der Insolvenzverwalter plant eine Fortführung. Auch dann dürften allerdings die für den geschädigten Anleger relevanten Informationen nicht zu den für die Fortführung schützenswerten Informationen gehören und daher offenzulegen sein.