Anwaltliches Berufsrecht wird modernisiert

Referentenentwurf des Bundesjustizministers

Das Bundesjustizministerium will das anwaltliche Berufsrecht modernisieren und insbesondere die Sanktionen gegen Anwälte neu strukturieren. Die Neuordnung des Aufsichtsrechts soll ab Anfang 2026 in Kraft treten.

Veröffentlicht am: 05.11.2024
Qualifikation: Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Das anwaltliche Berufsrecht erfüllt eine zentrale Funktion im deutschen Rechtssystem, da es maßgeblich zur Integrität und Funktionsfähigkeit der Rechtspflege beiträgt. Die anwaltlichen Berufsrechtsregelungen dienen dazu, die besondere Vertrauensstellung und die unabhängige Rolle der Anwältinnen und Anwälte zu wahren, die im Auftrag der Mandanten tätig sind. Gesetzliches Ziel ist es, ein hohes Maß an Professionalität und Integrität sicherzustellen, das sowohl die Interessen der Mandantschaft als auch das Gemeinwohl schützt. Ein wichtiger Aspekt des Berufsrechts sind Aufsicht und Kontrolle über das Berufsverhalten der Anwälte, um Missbrauch und Fehlverhalten vorzubeugen.

Neuordnung des anwaltlichen Berufsrechts

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat mit einem neuen Referentenentwurf einen umfassenden Reformentwurf zur Neuordnung des Berufsrechts der rechtsberatenden Berufe vorgelegt. Ziel des Entwurfs ist es, das bestehende Standesrecht zu modernisieren und die Strukturen transparenter zu gestalten. Betroffen sind vor allem Regelungen für die Anwalts- und Steuerberaterkammern sowie Bestimmungen zur Wahl der Kammer-Vorstände und zur Berufung ehrenamtlicher Richter. Die Änderungen sollen ab Januar 2026 in Kraft treten und zielen darauf ab, die Bürokratie zu verringern und bestehende Zuständigkeiten zu vereinfachen.

Neujustierung des Sanktionssystems

Eine der zentralen Reformen betrifft das Sanktionssystem für berufsrechtliche Verstöße. So wird der Begriff der „Belehrung“ durch den „rechtlichen Hinweis“ ersetzt, um den präventiven Charakter dieser Maßnahme deutlicher hervorzuheben und Missverständnisse über ihren reaktiven Charakter zu vermeiden. Die „missbilligende Belehrung“, eine vom Bundesgerichtshof (BGH) bisher akzeptierte, jedoch gesetzlich nicht verankerte Maßnahme, entfällt damit in der bisherigen Form. Für Sanktionen wie Rügen und die Verhängung von Zwangsgeldern wird künftig einheitlich das Anwaltsgericht zuständig sein, was eine bisher uneinheitliche Praxis vereinfacht.

Gerichtszuständigkeit & weitere Anpassungen

Im Rahmen der Neuregelungen wird die gerichtliche Zuständigkeit in berufsrechtlichen Streitigkeiten neu geordnet. Während Belehrungen und Zwangsgelder bisher teilweise dem Anwaltsgerichtshof zugeordnet waren, soll künftig das Anwaltsgericht als einzige Instanz für die Überprüfung solcher Verwaltungsakte verantwortlich sein. Auch die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wird standardmäßig für alle Aufsichtssachen angewandt, was zu mehr Konsistenz und Rechtssicherheit führt.

Neben den genannten Punkten umfasst der Entwurf eine Vielzahl weiterer Anpassungen:

  • Bürokratische Hürden reduzieren: Syndikusanwälte müssen etwa keine amtlich beglaubigten Abschriften ihrer Arbeitsverträge mehr vorlegen.
  • Vereinfachungen beim Ehrenamt: Die Vorschriften zur Berufung und Abberufung ehrenamtlicher Richter werden vereinheitlicht und verschlankt.
  • Aufbewahrung notarieller Urkunden: Die dauerhafte Archivierung notarieller Dokumente wird von der Justiz an Landesarchive übertragen, um den Zugang für Forschung und öffentliche Einsicht zu vereinfachen.

Ausblick aus Praktikersicht

Die Rechtsberatungsbranche, insbesondere der Deutsche Anwaltsverein (DAV) und die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), hat positiv auf den Referentenentwurf reagiert. Begrüßt wird die Vereinheitlichung des Standesrechts. Jeder Anwalt und Fachanwalt, unabhängig davon, ob er im Gesellschaftsrecht, Steuerrecht oder Erbrecht tätig ist, wird von der Modernisierung des Berufsrechts profitieren.

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens erfolgen Stellungnahmen der Verbände. Sollten keine wesentlichen Hindernisse im Gesetzgebungsverfahren auftreten, ist mit einer Umsetzung der neuen Regelungen ab dem 1. Januar 2026 zu rechnen. Der DAV betont, dass die Überarbeitung des Sanktionssystems und die Entlastung von Bürokratie einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Berufsrechts leisten.