Ausschluss von Abfindungsansprüchen kann Schenkung sein

Wichtiges Urteil zur Grundstücks-GbR

Veröffentlicht am: 18.06.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Wichtiges Urteil zur Grundstücks-GbR

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Kolja Schlecht, Fachanwalt für Erbrecht

Der BGH hat mit Urteil vom 03.06.2020 (Az. IV ZR 16/19) ein vorangegangenes Berufungsurteil des Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg bestätigt und eine gesellschaftsvertraglich vereinbarte Anwachsungsbestimmung, verbunden mit einem Abfindungsausschluss innerhalb einer zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), als Schenkung an den verbliebenen Gesellschafter angesehen. Doch rollen wir das Ganze langsam von vorne auf.

Geltendmachung von Pflichtteilsergänzung

In dem entschiedenen Fall ging es unter anderem um Wertermittlungsansprüche im Zusammenhang mit geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Der 2017 verstorbene Erblasser hatte gemeinsam mit seiner Ehefrau 2008 und 2011 GbRs gegründet, die wiederum zwei Wohnungen für € 145.000 und € 3.375.000 erwarben.

Testamentarisch hatte der Erblasser seine Ehefrau, die Beklagte, als Alleinerbin eingesetzt und seinen leiblichen Sohn, der aus einer vorangegangenen Beziehung stammt, enterbt. Nach dem Tod des Erblassers wurde die Beklagte als Alleineigentümerin der beiden streitgegenständlichen Wohnungen im Grundbuch eingetragen.

Wertermittlungsanspruch für Pflichtteilsergänzung

Der Sohn des Verstorbenen verlangte im Wege unter anderem die gutachterliche Wertermittlung für beide Immobilien. Die beklagte Ehefrau berief sich auf die Regelungen in den GbR-Verträgen. Dort hatten die Eheleute und Gesellschafter bestimmt:

„Die Gesellschaft wird mit dem Tode eines Gesellschafters aufgelöst; der Anteil des verstorbenen Gesellschafters wächst dem Überlebenden an. Die Erben erhalten - soweit gesetzlich zulässig - keine Abfindung; sie können jedoch vom verbleibenden Gesellschafter die uneingeschränkte Freistellung aus der (Mit-)Haftung für etwaige Verbindlichkeiten verlangen, die vom verstorbenen Gesellschafter zur Finanzierung des Erwerbs und der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens eingegangen wurden. Dieser wechselseitige Abfindungsausschluss beruht auf dem beidseits etwa gleich hohen Risiko des Vorversterbens und ist im Interesse des jeweils überlebenden Gesellschafters vereinbart.“

Tatsächlicher Nachlass oder fiktiver Nachlass?

Die Beklagte vertrat unter anderem die Ansicht, dass dem Sohn kein Wertermittlungsanspruch zustehe, weil der zu bewertende Gegenstand nicht Teil des tatsächlichen und auch nicht des sogenannten fiktiven Nachlasses sei, da Abfindungsansprüche insgesamt wirksam ausgeschlossen wurden.

Das Landgericht Hamburg wies die Klage des Sohnes ab. Das OLG Hamburg und der BGH hingegen sprachen dem Kläger einen Wertermittlungsanspruch als Grundlage der Durchsetzung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen und zwar bezogen auf den Wert der Immobilien zum Todestag zu.

Die beiden Eigentumswohnungen fielen nicht in den tatsächlichen Nachlass des Erblassers, da sie bis zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht in seinem Eigentum, sondern jeweils im Eigentum einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts standen, so die Richter.

Abfindungsanspruch des Verstorbenen als Nachlassgegenstand

Mit der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung hatten die Eheleute und Gesellschafter wirksam bestimmt, dass mit dem Tod eines Gesellschafters die jeweilige Gesellschaft aufgelöst wird und der Anteil des verstorbenen Gesellschafters dem Überlebenden anwächst. Mit dem Tod des Erblassers war dessen hälftiger Gesellschaftsanteil der Ehefrau angewachsen. In den Nachlass konnte mithin nur noch der Abfindungsanspruch des Erblassers fallen, der jedoch durch die beiden Vereinbarungen jeweils ausgeschlossen war.

Das OLG sowie der BGH erkannten in dieser Bestimmung eine auf den Todesfall bezogene Verfügung des Erblassers über seinen Anteilswert an den GbRs. Die Verfügung stellte eine Zuwendung zugunsten der Ehefrau dar, da die Ehefrau mit dem Anteilswert des Erblassers mit dessen Tod einen vermögenswerten Vorteil erhalten hatte.

Ausschluss des Abfindungsanspruchs als Schenkung?

Grundsätzlich gehen Rechtsprechung und wesentliche Teile der Literatur davon aus, dass gesellschaftsrechtliche Regelungen, nach denen eine Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters unter den verbleibenden Mitgesellschaftern unter gleichzeitigem Ausschluss  von Abfindungsansprüche fortgesetzt wird, grundsätzlich keine ergänzungsbedürftige unentgeltliche Verfügung (Schenkung) darstellen.

Dies wird damit begründet, dass es sich bei einer solchen Vereinbarung um ein sogenanntes entgeltliches aleatorisches – d.h. vom Zufall abhängiges - Geschäft handele, da der Chance jedes Gesellschafters, den eigenen Anteil im Falle des Todes eines Mitgesellschafters zu erhöhen, das Risiko des Anteilsverlusts ohne Abfindung im Todesfall gegenüberstehe.

Ausnahmen von der Entgeltlichkeit können jedoch u.a. vorliegen, wenn die Beteiligten bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages von unterschiedlichen Lebenserwartungen ausgegangen sind seien, da dann das zu erwartenden Risiko in einem grobem Missverhältnis stehen kann (z.B. ein Gesellschafter ist über 70 Jahre alt und/oder schwer krank, der  andere Gesellschafter hingegen wesentlich jünger).

Abfindungsfreie Anwachsung kann Schenkung sein

Die Richter gingen vorliegend jedoch davon aus, dass die vereinbarte Anwachsung der Gesellschaftsanteile des Erblassers unter Ausschluss eines Abfindungsanspruchs im Fall seines Vorversterbens eine Schenkung des Erblassers an die Beklagte war und die Beklagte durch die abfindungsfreie Anwachsung der Gesellschaftsanteile aus dem Vermögen des Erblassers bereichert wurde. Eine Gegenleistung der Beklagten, die diesen Schenkungscharakter entgegenstehen würde, wurde nicht erkannt.

Der BGH ging davon aus, dass die im Wesentlichen zu Personenhandelsgesellschaften ergangene Rechtsprechung, bei einer reinen Grundstücks-GbR, die lediglich aus den Eheleuten besteht und Immobilien nur zur Eigennutzung durch sich bzw. weitere Familienangehörige hält, vorliegend nicht zum Tragen komme.

Gesellschaftsvertragliche Nachfolgevereinbarungen in Gesellschaftsverträgen von  Personenhandelsgesellschaften, auch wenn sie Abfindungsansprüche der Erben völlig ausschließen, haben im Allgemeinen in erster Linie das Ziel, das Gesellschaftsunternehmen beim Tod eines Gesellschafters zu erhalten und seine Fortführung durch die oder den verbliebenen Gesellschafter nicht durch Abfindungsansprüche zu erschweren.

Eigennutzung von Immobilien nicht ausreichend

Die Fortführung eines Unternehmens stand hingegen bei der Vereinbarung des Erblassers und seiner Ehefrau nicht im Vordergrund. Die Gesellschaften dienten vielmehr allein der Wahrnehmung der Eigentümerposition für jeweils eine Wohnung, die selbstgenutzt bzw. zu nicht marktgerechtem Mietzins an einen Angehörigen vermietet war.

Die Schenkungen auf den Todesfalls an die Beklagte waren auch bereits durch denAbschluss der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung vollzogen und eine etwaiger Formmangel geheilt. Ein Geschäft unter Lebenden ist vollzogen, wenn der Erblasser zu Lebzeiten alles getan hat, was von seiner Seite zur Zuordnung des Gegenstandes an den Begünstigten erforderlich ist, und seinen Zuwendungswillen in entsprechendem Umfang in die Tat umgesetzt hat. So lag es hier, da für die Beschenkte ein Erwerbs- oder Anwartschaftsrecht begründet wurde, das sich bei Eintritt der Bedingung – dem Tod des Erblassers - zu einem Vollrecht entwickelt hatte.

Erforderlichkeit einer Gegenleistung für Abfindungsausschluss

Ein vom BGH und zuvor auch vom OLG Hamburg herausgestelltes Kriterium zur Beurteilung der Unentgeltlichkeit war, dass keine Anhaltspunkte für die jeweiligen Gegenleistungen der Gesellschafter für die Überlassung des Gesellschaftsanteils gegeben waren. So fehlten u.a. Bestimmungen über konkrete Arbeitsleistung der Ehefrau, zum Beispiel für die Verwaltung der beiden Eigentumswohnungen.

Die im Vertrag herausgestellte Übernahme des Haftungsrisikos im Falle des Todes durch den überlebenden Gesellschafter reichte dem Gericht nicht, da aufgrund des Werts der Wohnung dieses Risiko als äußerst gering angesehen wurde. Zudem bestand dieses Haftungsrisiko schon zu Lebzeiten aufgrund der Haftung der einzelnen Gesellschafter aus den gemeinsam abgeschlossenen Darlehnsverträgen gegenüber den finanzierenden Banken. Jedenfalls sahen die Richter kein vergleichbares Verhältnis zu dem gewöhnlichen Haftungsrisiko beispielsweise eines oHG-Gesellschafters.

Wertermittlung zum Zeitpunkt des Todes

Die Ehefrau muss nun die gutachterliche Wertermittlung der Immobilien zum Todestag, der deutlich über dem Wert zum Zeitpunkt des Erwerbs bzw. der Schenkung liegen kann, durchführen lassen und dürfte Pflichtteilsergänzungsansprüchen in nicht geringem Umfang entgegensehen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Jahr 2005 festgestellt, dass Pflichtteilsrechte durch die Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen darstellen.

Das jetzige Urteil des BGH ist erneut ein Beleg dafür, dass jegliche Planung und Umsetzung nachlassbezogener Gestaltungen auf den jeweils vorliegenden Bedarf und die individuellen Begebenheiten abgestimmte Regelungen bedürfen, um den aus den insoweit bestehenden strengen Maßstäben Rechtsprechung gerecht zu werden.