Amazon-Händler haften nicht für Bewertungen ihrer Kunden

Keine wettbewerbsrechtliche Haftung für Amazon-Kundenbewertungen

Veröffentlicht am: 02.03.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Keine wettbewerbsrechtliche Haftung für Amazon-Kundenbewertungen

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Bernd Fleischer, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 20. Februar 2020 (Az.: I ZR 193/18) entschieden, dass den Händler eines auf der Plattform Amazon angebotenen Produkts für Bewertungen des angebotenen Produkts durch Kunden grundsätzlich keine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.

Was war genau passiert?

Der klagende Wettbewerbsverein verklagte im vorliegenden Fall eine Amazon-Händlerin, welche Kinesiologie-Tapes vertreibt. In der Vergangenheit warb die Beklagte damit, dass die Tapes zur Schmerzbehandlung geeignet seien, was medizinisch allerdings nicht nachweisbar war. Die Beklagte hatte deshalb dem Kläger auf eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung hin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Abstrakte Zuordnung der Kundenbewertungen durch Amazon

Zum Streitfall wurde nun das aktuelle Produktangebot der Beklagten auf der Handelsplattform Amazon. Käufer der Produkte können bei Amazon die jeweils gekauften Produkte online bewerten. Die Plattform  weist eine solche Kundenbewertung sodann ohne nähere eigene Prüfung dem unter der entsprechenden ASIN geführten Produkt zu.

Einem Produkt werden somit im Ergebnis sämtliche Kundenbewertungen angezeigt, die zu diesem Produkt abgegeben wurden unabhängig vom jeweiligen Verkäufer. Dies wurde der Beklagten zum wirtschaftlichen Verhängnis.

Zu Eigen machen der Bewertungen?

Die Beklagte bot im Januar 2017 bei Amazon erneut Kinesiologie-Tapes an. Unter dem Produktangebot waren Rezensionen von Kunden abrufbar, die unter anderem die Hinweise "Schnell lässt der Schmerz nach", oder "Linderung der Schmerzen ist spürbar" enthielten. Der Kläger forderte nunmehr von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe, da zuvor ja eine Unterlassungserklärung abgegeben wurde.

Der Kläger argumentiert, dass sich die Beklagte die Kundenrezensionen durch ihr Produktangebot auf der Plattform jeweils zu Eigen gemacht hätte und somit auf ihre Löschung hätte hinwirken müssen. Notfalls dürfe sie die Produkte bei Amazon nicht anbieten.

Erstinstanzlich wurde vom Landgericht Essen geurteilt, dass kein Anspruch aus § 8 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG bestünde. Auch die Berufung des Klägers verlief erfolglos. Möglicherweise seien die in den Bewertungen der Kunden enthaltenen gesundheitsbezogenen Angaben irreführende Werbung. Allerdings könnte dies nicht der Beklagten zuzurechnen sein.

Der BGH schließt sich an

Der BGH führt nunmehr aus, dass das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, dass die Beklagte für Kundenbewertungen der von ihr bei Amazon angebotenen Produkte keine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.  Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 und Satz 2 HWG, die Werbung für Medizinprodukte mit irreführenden Äußerungen Dritter verbietet. Die Kundenbewertungen sind zwar irreführende Äußerungen Dritter, weil die behauptete Schmerzlinderung durch Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hat mit den Kundenbewertungen aber nicht geworben.

Kundenbewertungssysteme haben gesellschaftliche Relevanz

Nach Auffassung des BGH hat die Beklagte weder selbst aktiv mit den Bewertungen geworben oder diese veranlasst, noch hat sie sich die Kundenbewertungen zu Eigen gemacht. Die Beklagte treffe auch keine Rechtspflicht, eine Irreführung durch die Kundenbewertungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG zu verhindern.

Durch ihr Angebot auf Amazon werde keine Garantenstellung begründet. Von ausschlaggebender Bedeutung sei hierbei, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen gesellschaftlich gerade erwünscht seien und verfassungsrechtlichen Schutz genießen.

Verfassungsrechtlicher Schutz durch Meinungsfreiheit

Der BGH führt in dem Urteil aus, dass das Interesse von Verbrauchern, sich zu Produkten durch Bewertungen zu äußern und sich selbst vor dem Kauf über Produkt-Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Rezensionen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt werde.

Somit unterlag der klagende Verein in allen Instanzen. Auch wenn  die Handelsplattform Amazon oftmals angreifbar unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten ist und selbst Adressat einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung ist, konnte ihr und der verklagten Händlerin in diesem Fall keine Haftung zugerechnet werden.