Zukünftiger Zivilprozess modern und digital?

BMJ-Reformkommission legt Abschlussbericht vor

Das Zivilprozessverfahren soll umfassend modernisiert und digitalisiert werden. Der Parteivortrag, das Beweisverfahren und viele weitere prozessuale Aspekte sollen effizienter werden.

Veröffentlicht am: 07.02.2025
Qualifikation: Rechtsanwalt, Corporate Litigation
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Die Reformkommission des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) hat den lang erwarteten Abschlussbericht zur Digitalisierung des Zivilprozesses vorgelegt. Ziel der Kommission war es, den Zivilprozess in den Bereichen Digitalisierung, Verfahrenseffizienz und Transparenz grundlegend neu zu denken. Doch welche konkreten Änderungen sind geplant, und welche Auswirkungen hätten sie auf Bürger, Unternehmen und uns Anwälte?

Zivilprozess wird (endlich) digital

Ein großes Anliegen der Reformkommission ist die umfassende Digitalisierung des Zivilprozesses. Dazu gehören unter anderem die Einführung eines bundeseinheitlichen Justizportals als zentrale Anlaufstelle für digitale Verfahren, Antragstellungen und Kommunikation mit Gerichten. Herkömmliche Postkommunikation soll durch cloudbasierte Plattformen ersetzt werden, und digitale Verfahrensakten sowie Beweisverzeichnisse sollen die Prozessführung effizienter gestalten.

Zudem wird der Einsatz von KI zur Unterstützung der Justiz diskutiert – allerdings ohne automatisierte richterliche Entscheidungen. Diese Maßnahmen könnten die Verfahrensdauer erheblich verkürzen, wobei der Erfolg maßgeblich von der technischen Umsetzung und der Akzeptanz durch Justiz und Anwaltschaft abhängt.

Effizienzsteigerung: Schnelleres und klareres Zivilverfahren

Ein weiterer Schwerpunkt des Berichts liegt auf der Effektivierung des Erkenntnisverfahrens. Die Kommission schlägt vor, dass Gerichte bereits innerhalb von sechs Wochen nach Klageerwiderung aktiv werden müssen, um eine frühe Verfahrensförderung zu gewährleisten. Zudem soll der Parteivortrag strukturierter gestaltet werden, um unnötige Komplexität zu vermeiden. Beweisrechtliche Reformen, wie die Nutzung digitaler Beweismittel und Videoaufzeichnungen von Zeugenaussagen, sowie eine Optimierung des Zustellungsrechts – etwa durch digitale Zustellungen ohne elektronisches Empfangsbekenntnis – sollen die Verfahrensabläufe beschleunigen und für mehr Transparenz sorgen.

Spezialisierung: Mehr Fachkompetenz auf der Richterbank

Die Reform sieht auch eine stärkere Spezialisierung innerhalb der Justiz vor. Geplant sind mehr Spezialkammern für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten und komplexe Verfahren, um die Rechtsprechungsqualität zu sichern. Zudem sollen Gerichtsentscheidungen verpflichtend veröffentlicht werden, um die Transparenz zu erhöhen. Diese Änderungen könnten insbesondere Unternehmen zugutekommen, da sie zu fachkundigeren Urteilen und besser vorhersehbaren Verfahrensergebnissen führen könnten.

Nicht zuletzt will man mit einer Spezialisierung den privat organisierten Schiedsgerichten die Stirn bieten.

Neue Verfahren: Online-Prozesse und Fast-Track-Verfahren

Ein besonders innovativer Vorschlag ist die Einführung von Online-Verfahren für einfache Zahlungsansprüche, die Bürgerinnen und Bürger vollständig digital abwickeln können. Darüber hinaus sollen sogenannte „Fast-Track-Verfahren“ für geringfügige Streitwerte eingeführt werden. Diese Reformansätze orientieren sich an internationalen Vorbildern und könnten die Justiz insbesondere in Massenverfahren erheblich entlasten.

Was bedeutet das für die Praxis?

Sollten die Empfehlungen der Reformkommission umgesetzt werden, hätte dies weitreichende Auswirkungen: 

  • Bürger würden einen besseren Zugang zur Justiz erhalten, vor allem bei Klagen mit niedrigen Streitwerten würden Online-Verfahren und digitale Kommunikation beträchtliche Effizienzverbesserungen bringen.
  • Unternehmen könnten von besser planbaren Prozessen profitieren, insbesondere in Wirtschaftsstreitigkeiten.
  • Rechtsanwälte müssten sich auf neue digitale Verfahrensabläufe und einen strukturierteren Parteivortrag einstellen.

Bei größeren Klagen gegen Unternehmen oder komplexen Haftungsprozessen würden auch Anwälte in ihrem Alltagsgeschäft durch digitale und effiziente Strukturen profitieren.

Revolution oder nur Zukunftsmusik?

Der Abschlussbericht der BMJ-Reformkommission enthält zahlreiche richtungsweisende Vorschläge, die den Zivilprozess in Deutschland moderner, digitaler und effizienter machen könnten. Die größte Herausforderung liegt jedoch in der Umsetzung: Werden Bund und Länder die Vorschläge zügig umsetzen, oder bleiben sie theoretische Reformideen?

Sicher ist jedoch, dass Ziviljustiz vor einem Wandel steht; alle Zeichen stehen auf Grün. Die große Frage ist nur, wie schnell und umfassend dieser Wandel tatsächlich erfolgen wird.